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Staatsbildung.“ Und unter der Menge besaßen nur Wenige den beherrschenden historischen Blick Dahlmann’s, welcher durch Preußens augenblickliche Irrthümer sich selber nicht beirren ließ in dem Glauben an Preußens Beruf und Zukunft.

Sehr wohl wußte Dahlmann, wie wenig er sich damals einen Parteimann nennen konnte. Darum schickte er (1835) sein wissenschaftliches Hauptwerk, den ersten Theil der „Politik“, mit dem Wunsche in die Welt, daß es allen politischen Secten mißfallen möge – ein Werk, woran, wie an Allem, was aus dieser Feder floß, nicht blos der Kopf, sondern der ganze Mensch gearbeitet hat. Weitab stand Dahlmann von jenen „rabulistischen Naturen, welche alles in Staatssachen Erlernte nur für die nächsten äußeren Zwecke ausbeuten“; eben diese wollte er „dadurch entwaffnen, daß man die Tiefen dieses Zweiges der Erkenntniß aufdeckt“. Aber mit Vorliebe allerdings verweilte sein Nachdenken bei jenen Staatsfragen, welche das lebende Geschlecht in Noth und Sorgen zu lösen sich abmühte. Daher war damals die wissenschaftliche Darstellung der verfassungsmäßigen Monarchie sein Hauptzweck. Und so entsteht für den oberflächlichen Leser leicht der Schein, als wolle Dahlmann einen „guten Staat“, ein constitutionelles Staatsideal aufbauen – derselbe Dahlmann, welcher dem Aristoteles bewundernd nachrühmt, es gebe eine aristotelische Staatslehre, aber nicht einen aristotelischen Staat.

In Wahrheit bildet den größten Vorzug von Dahlmann’s politischer Auffassung jener echthistorische Sinn, welcher den Staat zwar als „eine ursprüngliche Ordnung, einen nothwendigen Zustand, ein Vermögen der Menschheit“ begreift, die Staatsformen aber in den Fluß der Zeit stellt und auch die entlegensten Bildungen der Staaten aus den gegebenen Volkselementen zu verstehen vermag. Die heutige Gesellschaft wird geschildert mit den schlagenden Worten: „Fast überall im Welttheil bildet ein weitverbreiteter, stets an Gleichartigkeit wachsender Mittelstand den Kern der Bevölkerung; er hat das Wissen der alten Geistlichkeit, das Vermögen des alten Adels zugleich mit seinen Waffen in sich aufgenommen. Ihn hat jede Regierung vornehmlich zu beachten, denn in ihm ruht gegenwärtig der Schwerpunkt des Staates, der ganze Körper folgt seiner Bewegung. Will dieser Mittelstand sich als Masse geltend machen, so hat er die Macht, die ein jeder hat, sich selber umzubringen, sich in einen bildungs- und vermögenslosen Pöbel zu verwandeln.“

Damit ist scharf und ohne Vorbehalt der Grundgedanke ausgesprochen jener gebildeten Demokratie, welcher die Zukunft Europa’s gehört und welche nirgends die Stätte so bereitet findet wie in Deutschland mit seiner humanen Bildung und der sehr gleichmäßigen Vertheilung seines Volksvermögens. Kein Wunder, daß dies Buch, obwohl es des gelehrten Stoffes nicht allzuviel bringt – denn Dahlmann wollte lieber „belehrt als gelehrt“ sein – für die Gebildeten unseres Volks während langer Jahre eine wahre Schule des politischen Denkens wurde. Und giebt es heute Undankbare, welche Dahlmann’s politische Lehren hochmüthig zum alten Eisen werfen, so können wir nicht laut genug versichern, daß auch jetzt noch Niemand in Deutschland ein verständiges Wort über politische Dinge redet, der nicht, bewußt oder unbewußt, bei Dahlmann in die Schule gegangen. Es bleibt tief zu beklagen, daß er den Torso nicht vollendet und der Lesewelt nicht ebenso klar wie seinen Zuhörern bewiesen hat, mit welchem rastlosen Fleiße er bis in sein spätestes Alter seine Gedanken zu läutern und fortzubilden wußte.

(Schluß folgt.)




Mein allerliebstes Hausheilmittel.

Das warme Wasser.

Warmes Wasser als Trank“, so warm wie man den Kaffee oder Thee zu trinken pflegt, meine ich, nicht etwa kochendes, aber auch nicht laues Wasser, denn das letztere macht allerdings mitunter eine Uebelkeit, die sich bei den Meisten, denen man warmes Wasser empfiehlt und die gar keine Idee vom Geschmack recht warmen Wassers haben, schon in der Phantasie durch einen ekligen Zug um Mund und Nase herum ausdrückt. „Warmes Wasser“ sage ich nochmals und meine also Wasser mit Wärme, sonach zwei mit einander verbundene ausgezeichnete Hülfsmittel zur Beseitigung von vielen Krankheitszuständen des menschlichen Körpers. Leider beachten die Meisten (Aerzte und Laien) die Verbindung des Wassers mit Wärme oder Kälte, auf die ganz enorm viel ankommt, so gut wie gar nicht, und daher kommt es denn auch, daß sehr häufig innere und äußere Wassercuren, entweder in Kaltwasseranstalten oder in Heißwasserbädern, nicht nur nichts nützen, sondern geradezu schaden. Und eben deshalb sind mir die meisten Kaltwasseranstalten so gefährlich und verächtlich, weil in ihnen kranken Menschen das unentbehrlichste Material zum Leben, zum Gesundsein und Gesundwerden, das Wasser, mit einem der stärksten Reizmittel für Nerven- und Gefäßsystem, nämlich mit Kälte vereinigt, von außen und innen octroyirt wird; daß ferner durch diese heftige Reizung eine Ueberreizung mit nachfolgender Schwächung hervorgerufen wird, die, wenn auch vom Kaltwasserfanatiker nicht zugestanden, sich doch deutlich an demselben merken läßt.

Ich sollte denken, daß Jeder, auch wenn er nur eine geringe Urtheilskraft und Beobachtungsgabe besitzt, doch die Kälte für ein sehr wirkungsvolles Etwas halten müßte, wenn er hört und sieht: wie in großer Kälte die Lebensthätigkeit bei Pflanze, Thier und Mensch allmählich herabgesetzt wird und sogar erlöschen kann; - wie bei Einwirkung der Kälte auf die Haut diese zuerst bleich (blutarm) wird und zusammenschrumpft (zur Gänsehaut), so daß sich also unterdessen das Blut im Innern des Körpers anhäufen muß -; wie Blutungen durch Kälte, weil diese die blutenden Gefäße zusammenzieht, gestillt werden; - wie bei Ohnmächtigen durch Ansprengen kalten Wassers eine solche Reizung der Hautnerven und durch diese des Gehirns stattfindet, daß das Bewußtsein wiederkehrt; - wie beim Genuß sehr kalten Getränkes oft ziemlich heftiger Magenschmerz entsteht; - wie durch kalte Uebergießungen starkes Herzklopfen und Athembeengung erzeugt wird; wie kalte Bäder (auch Seebäder) bei Bleichsüchtigen Kopfschmerz und große Ermattung, bei Personen mit Nervenschwäche und Krämpfen bedeutende Verschlimmerung der beiden nach sich ziehen; - wie Erkältungen der Haut die schmerzhaftesten und gefährlichsten Krankheiten hervorzubringen im Stande sind u. s. f.

Diese Thatsachen sollen nun aber ja nicht etwa die Wirksamkeit der Kälte und besonders des kalten Wassers verdächtigen und herabsetzen, sondern sie sollen beweisen, wie eingreifend die Kälte auf unsern Körper einwirkt und wie nachtheilig sie bei unpassender Anwendung werden könnte. Mit der Wärme ist es freilich ebenso; auch sie kann schaden, wenn sie angewendet wird, wo es unpassend ist, obschon sie in weit mehr Fällen nützt als die Kälte. Wenn nicht bei Wärme der Lebensproceß besser vor sich ginge, als bei Kälte, würde unser Körper zu seinem ordentlichen Bestehen sicherlich nicht seiner Eigenwärme so benöthigt sein. Kurz Kälte wie Wärme können dem menschlichen Körper ebenso nützen wie schaden; doch soll uns das hier nicht weiter beschäftigen. Bedenken mag aber ein Jeder, der kaltes oder warmes Wasser innerlich oder äußerlich in Anwendung zieht, daß er mit der Wirkung des Wassers auch noch die der Kälte oder der Wärme zu gewärtigen hat.

Trinkt man heißes Wasser, so wird natürlich zunächst der Schlingapparat und der Magen mit seiner Umgebung erwärmt; wie wohl das thut, wird mir Jeder zugeben, der bei Hunger und kalter Witterung einen Teller recht warmer Suppe oder ein Täßchen heißen Kaffees genossen hat. Diese Wärme sagt nun aber vorzugsweise kranken Mägen außerordentlich zu. Schmerzhafte Magenkrämpfe weichen oft nur deshalb nicht, weil der Patient noch manchmal kaltes Wasser oder Bier trank. Beim chronischen, sehr gern in die unheilbare und gefährliche Magenverhärtung ausartenden Magenkatarrh (Stockschnupfen des Magens), wie ihn vorzugsweise die Spirituosenliebhaber und die abführmittelsüchtigen Obstructioner aufzuweisen haben, giebt es geradezu kein anderes Heilmittel, als einfaches heißes Wasser. In den Bädern, wo heißes Mineralwasser getrunken wird und denen allerdings von allen Bädern die meisten Heilungen glücken, würden sicherlich noch weit mehr glückliche Erfolge

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_167.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2022)