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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

mit ihren kindlichen Pflichten in Widerspruch stand. Anders verhielt es sich mit Ferdinand, er hatte als Mann über sich selbst zu richten.

Die Habsburger waren stets stolz auf ihr Haus; so darf man sich nicht wundern, wenn der königliche Vater im ersten Grolle vom Sohne nichts mehr hören wollte, sodaß er ihm sechs Jahre nicht unter die Augen kam. Allein auch hier siegte Philippinens edle Weiblichkeit über das Standesvorurtheil und stellte das schöne echt menschliche Verhältniß wieder her, welches die Grundlage der Familie bildet und alle Glieder derselben innig zu einem Ganzen vereinigt. Sie mochte wohl oft einen Zug der Trauer im Gesicht des Gatten bemerken, den Schatten, welchen der Widerspruch des Lebens in seine Seele warf; sie wußte, daß der König zwar beleidigt war; sollte jedoch er, den man wegen seines Wohlwollens gegen alle pries, den Sinn des Vaters ganz abgelegt haben? Im Jahre 1558 befand er sich zu Prag. Sie reiste mit ihren Kindern hin und stellte sich, als er gerade Audienz gab, unter die Reihe der Bittenden. Vor die Stufen des Thrones hin knieend trug sie ihm unter falschem Namen ihr Schicksal vor und verklagte den Schwiegervater, der weder göttliches noch menschliches Recht achtend ihre Ehe nicht anerkennen wolle. Gerührt von ihrer Schönheit, ihren Bitten und den Thränen der Kinder erhob er sich vom Sitze und verhieß bei seinem kaiserlichen Wort, er werde Recht schaffen. Nun gab sie sich zu erkennen. Anfangs betroffen und fast unwillig, daß er so überrascht worden, mochte er doch sein Wort nicht zurücknehmen und reichte ihr versöhnt die Hand. Diese Scene hat jüngst ein braver Künstler, Malknecht aus Gröden, für das Museum zu Innsbruck in einem Gemälde dargestellt, dessen Vorzüge ihm den Beifall aller Kunstkenner erwarben. Den alten Fürsten sah man später, als er nach Innsbruck kam, im Saale der Hofburg mit seinen Enkeln scherzen. Ueber den Act der Versöhnung wurde 1561 eine Urkunde aufgenommen, in welcher Ferdinand und Philippine versprachen, ihre Ehe noch geheim zu halten und für die daraus erzeugten Kinder nicht die Rechte der Erzherzoge in Anspruch zu nehmen. Sie sollten einfach zum Taufnamen den Beisatz „von Oesterreich“ führen. Von den zwei Söhnen starb der eine ziemlich früh, der andere widmete sich dem Dienst der Kirche, erhielt vom Papste den Purpurhut und ist als Cardinal Andreas von Oesterreich bekannt. Wer da sehen will, wie sich Streusand auf den thauigen Rosen der Liebe ausnehme, für den setzen wir den Eingang jenes Schriftstückes her:

„Wir Ferdinand von Gottes Gnaden, Erzherzog zu Oesterreich, und Philippine, Seiner Durchlaucht demüthiges und unwürdiges Ehegemahl, bekennen hiermit, nachdem aus Schickung Gottes die Sache zwischen uns beiden dahin gerathen, daß wir uns für uns selbst, auch außerhalb Raths, Wissens und Willens derer, die wir billig ersuchen hätten sollen, in eheliche Verbindung durch einen Priester mit einander begeben, dadurch wir dann billig in der römischen kaiserlichen Majestät unseres gnädigen und liebsten Herrn und Vaters, sonderlich in Bedenkung, daß die Philippine Ehehochgenanntem, meinem gnädigsten und liebsten Herrn Ehegemahl an Stand und Würden bei weitem nicht gleich noch gemäß – schwere Ungnade und Zorn gefallen sind; und aber wie zur Milderung solcher Ungnade, auch daneben allerlei Unrath, so dieser Heirath halben in vielen Wegen entstehen möchte, zu verhüten, nicht allein Ihre kaiserliche Majestät um gnädigste väterliche Vergebung gebeten, sondern uns auch auf Ihre Majestät Begehren, doch freiwillig und ungedrungen und ungezwungen nachträglich sämmtliche Verpflichtung und Beschreibung gegen ihre Majestät aufrichten gewollt, so folgt.“

Von nun an lebten beide Gatten zu Innsbruck in Ruhe, und wie jene Frau die beste ist, von der man am wenigsten spricht, so darf man nicht an der Fortdauer des Glückes dieser Ehe zweifeln, bestätigten auch nicht andere Zeugnisse, daß Ferdinand seinen Schritt nie bereute und ihr stets mit gleicher Liebe zugethan blieb. Hier und da riefen ihn Staatsgeschäfte ab; so erwarb er sich gegen Halil Pascha, der mit türkischen Horden in Ungarn vorgedrungen war, neue Lorbeern.

Der Vater Ferdinands, welcher nach dem Tode Karls des Fünften den Titel eines römischen Kaisers angenommen hatte, starb 1564. Nun wurde die Ehe öffentlich anerkannt, Philippine zur Markgräfin von Burgau ernannt und stets als soche begrüßt. Ferdinand verleugnete auch die ihm keineswegs ebenbürtigen Verwandten seiner Frau nicht. Als ihr Neffe Boimund von Colowrat sich 1578 mit einem ihrer Hoffräulein vermählen wollte, richtete er dem Brautpaare eine glänzende Hochzeit ein, bei welcher Ritterspiele aufgeführt wurden, die den Adel von allen deutschen Gauen herbeizogen. Der Rennplatz vor der Hofburg zu Innsbruck hat noch die Erinnerung und den Namen davon behalten.

Aber kein Erdenglück ist beständig. Nach einer Verbindung von achtundzwanzig Jahren erkrankte Philippine, die Aerzte besorgten einen tödtlichen Ausgang und beriefen Ferdinand an ihr Bett. Wie sie gelebt, so starb sie, rein, edel und heilig. Der Hof war an ihrem Sterbelager versammelt, da verschob sich das Kleid an ihrem Arme, sie versuchte noch, es zu ordnen. Bald darauf begann sie schwer zu athmen, das letzte Wort, welches sie sprach, gehörte bereits der Ewigkeit: „Ich sehe den Himmel geöffnet und die Engel mir entgegen kommen.“ Als sie beerdigt wurde, strömte das Volk aus allen Thälern zusammen und betrauerte sie wie eine Mutter. – – – – – – – –

Der Abend ist angebrochen, schon lodern die Zinnen des Halljoches in heller Gluth; schlagen wir den Pfad neben dem See ein. Hie und da zittert das Schilf vom Flügelschlag eines Rohrhuhns, aus dem Korn fährt noch träumend eine Lerche empor, als brächte der Abendstern, der dort über der Martinswand funkelt, den Morgen, und laut dringt der Jodler eines Hirten durch die Luft, welcher bei seinem Diendl Fensterln will. Hier an der Biegung des Weges hemmen wir einen Augenblick den Schritt. Es erheben sich aus dem hohen Grase zwei Steine. Als Philippine zu Amras das erste Knäblein geboren hatte, setzte sich ein Page auf das schnellste Roß und sprengte im Galopp, um dem Erzherzog, welcher zufällig in Innsbruck war, die erste Kunde zu bringen. Er schlug dem Pferde die Sporen in die Weichen, es machte einen Sprung, dessen Weite eben diese zwei Steine andeuten, und brach todt zusammen, so daß er den Weg zu Fuß vollenden mußte. Blicken wir noch einmal zurück, ehe Amras auf seinem grünen Hügel in Nacht versinkt. Noch glüht ein Wölklein am Himmel und spiegelt aus den Fensterscheiben wieder, als sollten dieser Stätte nie die Rosen fehlen.

Wir haben Innsbruck erreicht, bereits brennen die Gasflammen. Laß uns in das ehrwürdige Dunkel jener Kirche treten. Zu beiden Seiten ihres Schiffes stehen zwischen rothen Marmorsäulen am Grabe des Kaisers Maximilian die ehernen Standbilder von Helden und Frauen der Vergangenheit, noch riesiger in der Dämmerung, und halten Wacht. Dort rechts die Treppe hinauf. Wir sind in einer kleinen Kapelle, welche das Volk von dem Reichthume des Altars die „silberne“ heißt. Auf einem Tragstein an der Wand kniet in betender Stellung ein geharnischter Ritter. Es ist die hohle Rüstung Ferdinands. Blicke zur Seite. Ein Grabmal im besten Style der Renaissance, das Meisterwerk des berühmten Collin aus Mecheln! Das Frauenbild, welches unter dem Marmorbogen auf dem Grabsteine ruht, ist Philippine. Ueber das weiße Antlitz zittert das Licht der ewigen Lampe und verklärt seine Züge zu neuem Leben. Ja, die Stätte ist geweiht und würdig, daß jedes deutsche Mädchen, welches durch die Alpen Tyrols wandert, sie besuche und als Vorbild echten weiblichen Wesens die Erinnerung an Philippine mitnehme.




Die philosophische Königin von Preußen.

Eine der wunderbarsten und merkwürdigsten Frauen auf dem Throne war die Gemahlin Friedrich des Ersten von Preußen, Sophie Charlotte, die philosophische Königin, wie sie von ihren Zeitgenossen schon genannt wurde. Sie war im Jahre 1668 am 20. October auf dem Schlosse Iburg im Hochstift Osnabrück geboren, das ihr Vater damals als protestantischer Fürstbischof verwaltete, da ihm erst später durch kaum gehoffte Erbschaft die herzogliche Würde von Hannover zufiel. In ihren Adern floß das Blut der Stuarts; denn ihre Mutter, die geistreiche Sophie von Hannover, war die Tochter des unglücklichen Böhmenkönigs Friedrich von der Pfalz und der schönen, hochbegabten Elisabeth von England, die ihr trauriges Geschick mit männlichem Muthe ertrug

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_215.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)