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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Spaziergänge durch das heutige Rom und durch die Campagna.

II.

„Wollen Sie heute ein Eselwettrennen und die Ausspielung einer Tombola (Lotterie) sehen, so lassen Sie uns nach Albano fahren; es ist Sonntag, und am Sonntag ist Rom noch langweiliger, als an einem Wochentage.“

So sagte zu mir der Doctor J. P. Baude, Arzt der großen Oper in Paris, der sich alljährlich das sonderbare Vergnügen macht, auf vier Wochen über Marseille nach Rom zu reisen, am Morgen eines warmen und sonnigen Octobersonntages, als wir, wie gewöhnlich, in der via Condotti vor dem Café greco saßen, den Kaffee getrunken und das Journal des Debats und die Augsburger Allgemeine gähnend durchblättert hatten.

„Ja, Doctor,“ rief ich und warf die Augsburger Allgemeine auf den Tisch und dem nächststehenden Bettler den Rest der Kupfermünzen in den Hut, welche mir Angelo, der Kellner mit den schmachtenden Augen und im abgeschabten Frack, der mir zuweilen heimlich vertraute, daß er eigentlich zum Kammerdiener eines vornehmen Herrn geboren sei, herausgegeben hatte, „fahren wir nach Albano, sehen wir Esel wettrennen, hören wir den ganzen Spectakel einer Tombola und tanzen wir mit den schönsten Mädchen im ganzen Patrimonium des heiligen Petrus, dessen Stuhl jetzt gewaltig wacklig steht.“

Gesagt, gethan!

Ein Eselwettrennen in der Romagna.
Nach der Natur aufgenommen von Zwahlen und Zielcke

Wieder flog die eigenthümliche Oede der Campagna mit ihren mittelalterlichen und altrömischen Trümmerstätten, mit ihren Ginsterbüschen, mit ihren hügeligen Weiten, mit ihren Büffelheerden und den Hirten zu Pferde mit den eisenbeschlagenen Stöcken, mit ihren farbigen Tinten, mit den gebrochenen Wasserleitungsbogen, mit den rauschenden Rohrfeldern vorüber, und als die brausende Locomotive still stand und mit einem langen, gellenden Pfiff den Dampf aus seinem Gefängnisse entließ, da erblickten wir gerade über uns, von waldigen Gebirgsketten umkränzt, auf dem nordwestlichen Abhange der Albaner Berge das schöne Frascati mit seinen weißen Häusern und seinen prächtigen Villen, den Sommeraufenthalt des römischen Adels und der hohen römischen Geistlichkeit.

„Wollen wir Pferde oder Esel für unsere Tour miethen?“ fragte der Doctor, als wir auf dem Marktplatz des Städtchens standen, umringt von mehr als zwanzig Eseltreibern, welche die Vorzüge ihrer „somari“ mit der den Römern eigenen Würde und Wichtigthuerei uns auseinander zu setzen sich bemühten. Gerade fuhr eine Equipage, mit vier schönen, schwarzen Pferden bespannt, über den Platz. Im Wagen saßen zwei Damen, ihnen gegenüber der unvermeidliche Priester im schwarzen Talar, den häßlichen Hut mit der umgebogenen Krempe auf dem Kopfe. Die Eseltreiber zogen ihre Hüte. „Wer sind die Damen?“ fragte ich.

„Die Fürstin Borghese, Signor,“ sagte ein Bursche, der zwei ziemlich stattlich aussehende Pferde am Zügel hielt und sie uns zu unserer Tour anbot, „sie fährt nach der Villa Aldobrandini.“

„Die Nobili und die Priester,“ brummte der Doctor, „nie sieht man Einen ohne den Andern.“

„Das ist ja das conservative Element in Rom, Doctor, das einzige und das letzte; soll Einer von ihnen auch noch zur Revolutionspartei übergehen? Haben Sie noch nicht revolutionäre Elemente genug in den Staaten des Statthalters Christi auf Erden? Aber nehmen wir die Pferde und reiten wir nach Albano.“

Und an der prächtigen Villa Torlonia vorüber, gefolgt von zwei halberwachsenen Burschen, welche munter neben den Pferden einhertrabten, ritten wir den Felsweg aufwärts durch einen herrlichen Laubgang italienischer Eichen nach der Villeggiatura des alten Rom, nach dem auf dem Hochlande des Bergplateau’s gelegenen Tusculum. Ueberall rieselten silberhelle Quellen aus den Felsen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_277.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)