Seite:Die Gartenlaube (1862) 073.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Die deutsche Expedition wird, wenn man sie wirken und arbeiten läßt, ein gleiches Endergebnis erlangen; sie wird, wenn man ihr die Mittel entzieht, gelähmt werden, noch ehe sie eigentlich zu arbeiten begonnen. Dies muß Jedem klar werden, welcher mit den afrikanischen Verhältnissen vertraut ist; und eben deshalb glaube ich schon jetzt und an diesem Orte das Unternehmen vertheidigen zu müssen, selbst einem Barth gegenüber.

Aus den letzten Nachrichten, welche von den Reisenden eingegangen sind, erfahren wir, daß die Expeditionsmitglieder beschlossen haben, sich zu trennen. Daraus geht aber durchaus nicht hervor, daß sie ihr eigentliches Ziel aus den Augen verloren hätten. Dieses Ziel, „die Aufklärung der Schicksale Eduard Vogel’s, die Rettung seiner Papiere und die Vollendung seines wissenschaftlichen Unternehmens“, wird nach wie vor die Aufgabe der Expedition bleiben. Herr von Heuglin ist mit dem Plane umgegangen, von den Bogosländern aus durch Abyssinien nach Kaffa vorzudringen und von dort auf dem Sobat und dem weißen Nil nach Chartum zurückzukommen, statt einen directen Weg nach Chartum, dem Ausgangspunkt für die Reise nach Wadai, einzuschlagen. Eine solche Erweiterung des ursprünglichen Planes hat den Ausschuß in Gotha so überrascht, daß er sich damit nicht hat einverstanden erklären können. Er hat demzufolge Heuglin aufgefordert, an vereinbarten Plane festzuhalten und mit möglichster Beschleunigung die Reise nach Wadai fortzusetzen. Zugleich sind die Herren Munzinger und Kinzelbach ermächtigt und mit den nöthigen Mitteln versehen worden, um allein nach Wadai vorzudringen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Heuglin der Aufforderung des Ausschusses eben wird nachkommen müssen, wodurch er dann freilich auch die gerechteste der Beschuldigungen ohne Weiteres widerlegen wird.

Aber gesetzt auch, er habe seinen Plan wirklich zur Ausführung gebracht, so ist meines Erachtens noch immer kein Grund vorhanden zu der Behauptung, daß das gesetzte Ziel aus dem Auge verloren worden sei. Nach §. 3 der Instruction, welche Heuglin vom Ausschuß erhalten hat, steht ihm die ausschließliche Leitung des ganzen Unternehmens zu. „Bei wichtigen Veranlassungen wird,“ so heißt es, „Heuglin nicht unterlassen, mit seinen wissenschaftlichen Begleitern in Berathung zu treten.“ Es versteht sich von selbst, daß der Leiter einer solchen Expedition im Sinne dieses Paragraphen auch das vollste Recht besitzt, nach seinem Dafürhalten die Reise einzurichten, also unter Umständen auch die Expedition selbst zu theilen. Das Letztere würde Heuglin’s Plane nach erfolgt sein, ja, es ist sogar möglich, daß es erfolgt ist. Aber dann ist es geschehen mit Zustimmung der übrigen Reisenden und in der vollsten Absicht und Ueberzeugung, gerade durch diese Theilung dem Unternehmen selbst auf das Beste zu nützen. Aus den erwähnten Nachrichten geht hervor, daß unter den mohammedanischen Völkerschaften im Westen Abyssiniens seit dem Tode Abd-el-Medschid’s eine so bedenkliche Gährung herrscht, daß es Thorheit für christliche Reisende wäre, ehe die Aufregung sich gelegt, jene Länder zu bereisen, in welchen anerkannter Maßen eine im höchsten Grade glaubenseifrige und mißtrauische mohammedanische Bevölkerung wohnt. Aus Dr. Barth’s Werke ersehen wir nur zu deutlich, welchen Gefahren der in Afrika reisende Europäer gerade seines Glaubens wegen ausgesetzt ist. Barth selbst ist aus diesem Grunde öfter in Lebensgefahr gekommen, als durch die Einwirkungen des Klima. Ich meinestheils kann nur bestätigen, daß viele Sudahnesen geneigt sind, zur Ehre Gottes einen Christen umzubringen. Ich selbst habe zwar von dem Glaubenseifer jener beschränkten Menschen nicht zu leiden gehabt; aber ich habe auch keinen Anstand genommen, mich an den Orten, wo es mir unnöthig erschien, mit meinem Christenthume zu prahlen, als gläubigen Muslim auszugeben. Dies kann jedoch nur ein mit den Verhältnissen innig vertrauter, der arabischen Sprache vollkommen mächtiger Europäer thun. Unsere Reisenden würden sehr bald als Christen erkannt und darnach behandelt werden. Dieser eine Punkt ist wichtig genug, um ein Zögern Heuglin’s nicht nur zu rechtfertigen, sondern sogar zu gebieten. Was nun ist natürlicher, als daß zwei begeisterte Forscher, wie Heuglin und Steudner es sind, bis zu der hoffentlich bald eintretenden Aenderung der Verhältnisse nicht müßig liegen, sondern in Ländern arbeiten wollen, welche ihnen und der Wissenschaft die reichste Ausbeute versprechen?

Durch freie Vereinbarung unter den verschiedenen Mitgliedern ist von Munzinger und Kinzelbach der Beschluß gefaßt worden, allein nach Wara vorzudringen. Unsere Naturforscher erhalten dadurch um so mehr die Berechtigung, auf ihrem Felde zu wirken. Die Anzahl der Reisenden hat für die Möglichkeit des Gelingens solcher Expedition keinen Einfluß. Meines Erachtens ist es sogar besser, wenn nur eine geringe Zahl oder ein Einzelner es versucht, nach Dar el Fuhr und Wadai vorzudringen. Heuglin und Steudner werden also, selbst wenn sie jenen vielversprechenden Umweg ausführen, immer noch zur rechten Zeit für die Reise nach Wadai in Chartum eintreffen.

Nun ist aber gegenwärtig noch ein anderer Sendbote des Ausschusses der Expedition nach Wara unterwegs, ein ebenfalls bereits erprobter Reisender, Herr von Beurmann. Derselbe hat vom Ausschuß in Gotha die nöthigen Mittel erhalten und ist bereits über Marseille nach Bengasi abgereist. Von Bengasi aus wird er entweder über Siwa oder über Mursuk durch die östliche Sahara auf Wadai vorzugehen suchen; und somit wird das Ziel gegenwärtig nicht nur von einer, sondern von zwei Seiten erstrebt.

Unter diesen Umständen halte ich es geradezu für ein nicht zu sühnendes Unrecht, wenn man unsern beiden wackern Naturforschern verwehren will, auf dem von ihnen erwählten Wege und in der von ihnen beschlossenen Weise vorzudringen, zu arbeiten und zu wirken. Man hat eben eine wissenschaftliche Expedition ausgesendet, und das deutsche Volk hat ein Recht, zu verlangen, daß seine Sendbotschaft sich der deutschen Wissenschaft würdig zeige. Um nach Vogel zu fragen, genügten einfache Boten. Man konnte von Chartum oder von Mursuk aus Araber nach Wadai schicken; man konnte die Binnenhändler beauftragen und würde durch solche Leute schließlich über Vogel’s Schicksale vollkommen in’s Klare gekommen sein. Dies wollte man aber nicht, sondern man wollte, daß die Expedition ihre eigenen wissenschaftlichen Ergebnisse haben solle. Man sandte eigentlich eine durchaus selbstständige wissenschaftliche Expedition nach Mittelafrika ab. Wenn man diese nun verdächtigen oder angreifen will, hat man, wie ich glaube, nur darnach zu fragen: ob die Mitglieder des Vertrauens, welches die wissenschaftliche Welt in sie setzt, würdig oder unwürdig sind; ob sie wirklich Etwas leisten oder nicht. Ueber diese Fragen können bloß die Herren entscheiden, denen die Arbeiten der verschiedenen Mitglieder unserer Expedition zugegangen sind und fernerhin zugehen werden. Ich kenne diese Herren nur theilweise und habe deshalb nicht an alle die gleiche Bitte richten können, mir ihre Ansicht über die deutsche Expedition mitzutheilen; aber ich denke, daß die Urtheile von denen, welche ich befragen konnte, wohl genügend sein dürften, das deutsche Volk über seine Sendbotschaft aufzuklären, und hoffe, daß da, wo Größen der Wissenschaft sprechen, wenigstens diejenigen verstummen werden, welche nicht, wie Dr. Barth, die Ehre genießen, jenen wissenschaftlichen Größen gleich zu stehen.

Um Thatsächliches zu bieten, will ich bemerken, daß die bisher eingesandten Arbeiten der deutschen Expedition von einem unermüdlichen Fleiße und einer ungewöhnlich hohen wissenschaftlichen Befähigung Zeugniß geben; daß diese Arbeiten jedenfalls ein leuchtender Stern mehr sein werden in dem Strahlenglanze deutscher Wissenschaft. Diese Meinung mögen die nachfolgenden Urtheile bestätigen. Ich hatte die Ehre, von dem Präsidenten der kaiserlich leopoldinisch-carolinischen deutschen Akademie, Dr. Kiefer, von dem als Ornitholog hochberühmten Dr. Hartlaub und von Dr. Petermann Antworten auf meine Anfrage zu erhalten. Sie mögen hier folgen:

„Nachdem ich schon früher und noch gestern nachträglich von unserm verehrten Reisenden, Herrn Hofrath von Heuglin, d. d. Kérén im Bogoslande Ostafrikas, September 1861, höchst interessante zoologische Beiträge zur Fauna Ostafrikas erhalten habe (welche bereits zum Druck, theils in die Leopoldina III. Nr. 2, theils in den 29. Band der Verhandlungen der kaiserlich leopoldinisch-carolinischen deutschen Akademie abgegeben worden sind), kann ich aus voller Ueberzeugung Ihrem Wunsche entsprechend erklären:

Daß die bisher eingegangenen Berichte des Herrn von Heuglin, so weit sie mir vorliegen, von einem unermüdlichen Fleiße, großer Kenntniß und stetem Eifer des Herrn von Heuglin die sichersten Documente abgeben und ihn als den würdigsten Träger einer Sendbotschaft des deutschen Volkes beurkunden, welche von dem allseitigen Interesse der Nation getragen und unterstützt wird, und zur Förderung der Wissenschaft und der Ehre des deutschen Namens gereichen wird und muß.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_073.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)