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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Ich füge hinzu, daß es eine traurige Erscheinung ist, daß Herr Dr. Barth in leidenschaftlicher, egoistischer Aufregung es sich zur Pflicht gemacht zu haben scheint, den in weiter Ferne weilenden und der Mittel zur Vertheidigung entbehrenden Herrn von Heuglin zu verdächtigen und der großartigen Expedition Hindernisse in den Weg zu legen. Absentem qui rodit amicum, … hic niger est, sagt der alte Horaz.

Ihnen das Vorstehende zu freier Verfügung stellend, beharre ich in vollkommenster collegialischer Hochachtung und Ergebenheit

     Jena, den 26. December 1861.

Der Präsident der kaiserlichen leopoldinisch-carolinischen deutschen Akademie.

          Dr. D. G. Kiefer.“ –

„Die mir bisher zugekommenen ornithologischen Reisearbeiten Heuglin’s sind trefflich und verdienen jedes Lob. Der neuentdeckten Arten werden mit Sicherheit etwa zehn, vielleicht noch mehr sein. Darauf kommt es ja aber gar nicht so sehr an. Die Hauptsache bleibt, daß Heuglin sich durchaus als aufmerksamer, geübter und fleißiger Beobachter der Lebensweise und der geographischen Verbreitung kund giebt; und als solcher hat er schon jetzt höchst Werthvolles geleistet. Unsere Wissenschaft darf sich ohne allen Zweifel das Beste von seinen Reiseunternehmungen versprechen. Weiteres sage Ihnen Petermann.

     Bremen, 27. December 1861.

          Dr. Hartlaub.“ –

„Am 15. December vorigen Jahres ist von der afrikanischen Expedition unter Th. von Heuglin’s Leitung eine größere sehr werthvolle Sendung von Briefen, Tagebüchern, wissenschaftlichen Abhandlungen, Karten und Zeichnungen in Gotha angelangt, welche den jetzigen Stand des Unternehmens überblicken lassen und ein glänzendes Zeugniß von dem wissenschaftlichen Eifer des Reisenden ablegen.

Der Aufenthalt in den Bogosländern wurde zu umfassenden, ungemein erfolgreichen Forschungen über die Geographie und Naturgeschichte jener kaum erst aus dem Dunkel hervorgezogenen Landschaften benutzt, zu Forschungen, welche auch für die späteren wissenschaftlichen Leistungen der Expedition die freudigsten Hoffnungen erwecken. Zwei ausführliche Karten des oberen Ain-Saba-Gebietes und der an die Bogos nordwestlich angrenzenden Maria-Länder, gezeichnet von Heuglin, begründet auf astronomische Positionen, zahlreiche Winkelmessungen, genaue Routenaufnahmen und Höhenbestimmungen, gehören zu dem Vorzüglichsten, was mir während meiner geographischen Praxis von 23 Jahren als Ergebniß derartiger Expeditionen vorgekommen ist. Gleich musterhaft sind die ausführlichen Routenbeschreibungen und vielseitigen Notizen in Munzinger’s Tagebuch, welches außerdem die reichhaltigsten Fortsetzungen und Nachträge zu seinen früheren geographischen, linguistischen und ethnographischen Mittheilungen über die Bogos, Mensa, Habab, Maria und Barka enthält. Dazu kommen noch vollständige Reihen meteorologischer Beobachtungen, die botanischen Arbeiten Dr. Steudner’s, die ich noch nicht einsehen konnte, da sie nach Berlin adressirt waren, sowie endlich eine ganze Reihe zoologischer Berichte von Heuglin, zum großen Theil mit der Beschreibung neuentdeckter Arten angefüllt. Wir können nach diesen Arbeiten die Länder am oberen und mittleren Ain Saba, welche noch vor wenigen Jahren nicht einmal dem Namen nach bekannt waren, den am genauesten erforschten Theilen Afrika’s beizählen; ein Ergebniß, welches neben dem rastlosen Eifer und den hervorragenden Talenten des Herrn von Heuglin hauptsächlich dem Zusammenwirken so vieler tüchtiger Kräfte zu danken ist und der Expedition zur größten Ehre gereicht.

     Gotha, 28. December 1861.

          Dr. A. Petermann.“

Nach diesen Zeugnissen habe ich keine Worte mehr zu verlieren. Das ganze deutsche Volk ist glücklicher Weise gebildet genug, um solche Arbeiten ihrer vollen Bedeutung nach zu würdigen. Aber ich kann nicht umhin, an diese Mittheilungen die Bitte anzuschließen:

          die wackeren Reisenden auch fernerhin mit den nöthigen Mitteln zu versehen.

Eine Expedition in Afrika kostet Geld, viel Geld; jedoch Deutschland ist reich genug, seine Sendbotschaft mit den nöthigen Mitteln zu unterstützen. Ich fordere deshalb zu wiederholten Beiträgen für die deutsche Expedition auf und bitte alle Gebildeten, welche für deutsche Wissenschaft und deutsche Forschung Theilnahme zeigen, sich den Sammlungen freundlichst unterziehen zu wollen. Und alle Diejenigen, welche mit mir einverstanden sind, ersuche ich, dahin wirken zu helfen, daß das großartige Unternehmen seinen ungestörten Fortgang habe zu Ruhm und Ehre des Vaterlandes.

Die deutsche Expedition ist eine deutsche Sache; sie wird ein Sieg mehr sein auf dem Felde, wo wir noch nie geschlagen wurden; sie wird dazu beitragen, dem deutschen Namen im Auslande zu neuer Ehre und zu neuem Ruhme zu verhelfen. Denen aber, welche ihre Spenden, sie seien so gering als sie wollen, in dieser Weise auf den Altar des Vaterlandes niederlegen werden, sage ich im Voraus meinen wärmsten Dank! Sie werden durch ihre Gaben beweisen, daß sie in dem Einen mit mir einstimmend sind: darin, daß die deutsche Expedition eine wissenschaftliche ist und als solche ihre eigenen Ergebnisse bringen muß!

Brehm.





Strafpredigt für Mütter und Erzieher.

Die Verziehung des Menschen in seinen ersten Lebensjahren.


Jede Unart, die ein Kind an sich hat, ist ihm anerzogen worden, und wird der Erwachsene einst zum Verbrecher, so trägt nur die schlechte Erziehung in seiner ersten Jugend die Schuld davon. Denn Verbrecher werden ebensowenig wie edle Menschen geboren, immer nur erzogen. Deshalb wird auch jeder echt menschlich fühlende Gebildete den Verbrecher stets nur als einen Unglücklichen ansehen können, der weit weniger für sein Verbrechen verantwortlich zu machen ist, als seine ersten Erzieher. – In der Regel beurtheilt man, aber ganz mit Unrecht, die Erziehung eines Menschen erst von den Schuljahren an und nimmt auf die Behandlung des Kindes in den ersten Lebensjahren gar keine Rücksicht, obschon diese Jahre gerade für das ganze zukünftige Leben die allerwichtigsten sind und der Mensch eigentlich schon in seinem 4.–6. Lebensjahre die Grundlage der Moral für’s ganze Leben gelegt haben sollte. – Die meisten Eltern glauben leider ihrer Verpflichtung als Erzieher vollständig Genüge geleistet zu haben, wenn sie ihre Kinder nur in die Schule schicken, ohne zu bedenken, daß hier wohl der Geist gebildet wird, die wirkliche Erziehung aber schon früher im Hause vollendet sein mußte. Und diese häusliche Erziehung liegt hauptsächlich der Mutter ob; ihr gehören die frühesten und tiefsten Einwirkungen auf das Kind an, so daß die Erziehung des Menschen größtenteils aus dem Schooße der Mutter vollendet wird. Unterrichten und belehren läßt sich ein mündig gewordener Mensch wohl noch, erziehen aber nicht mehr. Also, Ihr Mütter! erziehet, so lange es noch Zeit dazu ist, und nehmt Euch Jean Paul’s Ausspruch zu Herzen: „Verächtlich ist eine Frau, die Langeweile haben kann, wenn sie Kinder hat.“ Aber freilich, um gut erziehen zu können, müßt Ihr Mütter selbst gut erzogen sein und als Erzogene leben und handeln.

Warum werden denn nun aber die meisten Kinder in den ersten Lebensjahren schon verzogen, und warum kommen sie schon, wie die Erfahrung lehrt, mehr oder weniger moralisch verkrüppelt in die Hände der Lehrer? Nur deshalb, weil die ersten Erzieher, zumal die Mütter, in dem unglückseligen Wahne befangen sind, daß, wenn beim Kinde nur erst der Verstand kommt, damit auch ohne Weiteres Folgsamkeit, sowie die Erkenntniß von Gut und Böse kommen wird. Ja, manche Mütter leben sogar in dem Aberglauben, daß einem Kinde bestimmte Untugenden ebenso wie Tugenden angeboren sein können, so daß gegen die ersteren nichts auszurichten sei und letztere auch ohne Nachhülfe sich entwickeln würden. Sie wissen zu ihrem und ihrer Kinder Unglück gar nicht, daß der Verstand nun und nimmermehr in einem bestimmten Alter in das Kind hineinfährt, sondern daß er vom ersten Augenblick des Lebens an ganz allmählich durch Sinneseindrücke im Gehirne angefacht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_074.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)