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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)


hinab. Ich setzte mich auf der Bank unter dem großen Wallnußbaume nieder und sah nach ihrem Fenster hin, vor dem die Vorhänge sich leise im Luftzug bewegten, und sah zu dem schneeigen Gipfel des Berges empor, und nun ich mich ihr so nahe wußte, kam eine friedensvolle Ruhe über mich, und ich fühlte, daß Veronika der Friede für mich sei.

Mit einem Male hörte ich mir gegenüber die Zweige des Gebüsches sich bewegen, und mitten in dem jungen Grün, wie eine Lichtgestalt schön, in ihrem weißen Gewande, stand Veronika vor mir. Ich sprang empor, sie trat erschrocken zurück, aber schnell wieder Herr über sich selbst, sagte sie freundlich: „Ach, Graf Joseph! ich dachte an Sie, darum überraschte es mich so, Sie vor mir zu sehen!“ – Und da ich stumm vor ihrem Anblick stehen blieb und ihre Hände ergriff und in ihr Auge blickte, da füllten diese sanften Augen sich mit Thränen, eine heiße Röthe, die glückverkündende Morgenröthe meiner Zukunft, überzog ihre Wangen, und trunken und verwirrt ihr liebeseliges Antlitz an meiner Brust verbergend, sagte sie: „Ach Bester! ich kam von meines Vaters Grabe, und – –“

Sie vollendete nicht, sie weinte. Ich hielt mich nicht länger und schloß sie in meine Arme. „Was bekümmert Dich, Veronika?“ fragte ich sie.

„Ich dachte an meines Vaters Grabe nur an Dich!“ seufzte sie und hob die schönen thränenschweren Augen zärtlich zu mir empor.

Und nun ich es Dir schreibe, überfluthet sie mich wieder, die ganze Fülle meines Glückes, daß ich die Brust im Freien kühlen muß. Sage Dir selbst, was mich bewegt!

Morgen kommt Veronika zu Dir; an Dein Herz, das mir dieses Kleinod herangebildet, lege ich meine Braut, bis ich sie als mein Weib in das Haus unserer Väter geleiten kann. Sie bei uns mit dem Segen Deiner Liebe!“


Die Freifrau von Thuris an ihren Sohn.
„Thuris, den 20. Mai 1788. 

„Mein Lieblingswunsch hat sich erfüllt, geliebter Sohn! Der Onkel hat sich mit unserer Veronika verlobt. Eine bessere Wahl konnte der Onkel nicht treffen, ein würdigeres Mädchen konnte der Reihe unserer Ahnen nicht einverleibt werden. In wenig Wochen soll ihre Verbindung gefeiert, werden, und ich würde mit freudiger Zuversicht dem Tage entgegen sehen, wenn nicht die allzu lebhafte Empfindung meines Bruders mir es deutlich zeugte, wie sehr die Leidenschaft seines Herzens über ihn Gewalt hat. Indeß ich vertraue der liebevollen Klarheit unserer Veronika, daß sie ihn zu beruhigen, zu fesseln und zu beglücken wissen wird. Sie grüßt Dich schwesterlich und hofft, Du werdest heimkommen, sie als ein Bruder zum Altare zu geleiten. Auf nahes Wiedersehen also, für das es ohnehin bald Zeit ist.“ –


Ulrich von Thuris an seine Mutter.
„Paris, den 12. Juni 1788. 

„Vergieb mir, theuere Mutter, wenn ich Deinem Wunsche mit nächstem heimzukehren, noch nicht Folge leiste, und vergönne mir vielmehr, meine Reisezeit noch auszudehnen. Ich möchte England kennen lernen, Schottland besuchen, ehe ich nach Hause komme.

Du wirst ja ohnehin jetzt weniger einsam sein, geliebte Mutter, da der Onkel und Veronika künftig in Deiner Nähe wohnen werden.

Veronika des Onkels Braut! Veronika meine Tante! Wie mir das auffällt! Ich hatte von jeher Deinen Plan gekannt und mit dem Onkel selbst davon gesprochen; nun er sich verwirklicht hat, befremdet mich das Vorhergesehene, das Erwünschte, ja, es kommt mir unbegreiflich vor. Kann man denn Mißgunst fühlen gegen einen Freund? und eifersüchtig sein auf seine Schwester? Wie wunderlich ist unser Sinn, wie eigensinnig unser Herz!

Grüße das Brautpaar von mir und sage ihm meine besten Wünsche. Wenn ich mich zu wundern aufhöre, will ich selbst ihnen schreiben.

Lebe wohl, theuere Mutter, und laß mich reisen. Ist mir’s heute doch, als hätten Du und ich Veronika verloren, als hätten wir – mein Herz nicht recht gekannt. Sage ihr nicht, daß ihr Glück mich heute noch nicht freut. Lebe wohl, theuere Mutter! Wenn ich wiederkehre, sollst Du Deinen alten Ulrich in mir finden.“


(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüthen.



Julius Mosen. Wie das schöne Weihnachtsfest Jedem, trotz Leid und Schmerz, eine helle Freude bringt, so brachte es auch unserem Dichter Julius Mosen zwei fromme herzerfreuende Gaben. Der Schillerverein sandte ihm eine Ehrengabe, um ihm zu beweisen, daß noch manches Herz dankbar die Gewalt seiner Lieder fühle. Und auch von hoher fürstlicher Hand wurde ihm ein Zeichen liebevoller Theilnahme gesandt; die Großherzogin Elisabeth von Oldenburg, die stets bemüht ist, ihn durch die liebenswürdigste Aufmerksamkeit zu erfreuen, schickte dem kranken Dichter am heiligen Abend ihr Bild, begleitet von einigen freundlichen Zeilen. Freude und Trost brachten ihm diese liebevollen Gaben, sowohl der alten Genossen, als der hohen gütigen Frau.

Möchten doch nun endlich auch seine Werke, die theilweise schon vollständig vergriffen, theilweise noch gar nicht weiter bekannt sind, dem deutschen Volke nicht länger vorenthalten werden, und die Gewalt seiner Worte, die jedes deutsche Herz mächtig rühren, nicht lediglich durch Tradition fortleben, sondern möglichst bald in einer billigen, dem Volke zugänglichen Gesammtausgabe dargebracht werden.

*§*





Eine seltsame Musikfreundin. Ich hatte meinen Sommeraufenthalt auf einer reizenden Besitzung in der Nähe von Pankow, wo eine bedeutende Landwirthschaft betrieben wurde. Die dazu gehörigen großen Gebäude lehnten mit dem Hofe von einer Seite an den das Herrenhaus umschließenden Garten. Eine mit Orangerie und Blumen besetzte Rampe führte zu einem großen Saale, in welchem zuweilen musicirt wurde. Oft sahen wir, während dies geschah, einen geflügelten Bewunderer langsam und leise die Rampe herauf und, wenn die Thüren gerade geöffnet waren, in den Saal hinein spazieren, wo er eben so leise und lauschend unverrückt auf einem Fleck stehen blieb, bis die Musik geendet.

Dieser Bewunderer war kein Anderer als eine Gans, welche, wenn die kleine Heerde vom Felde heimkehrte, den Tönen folgte und mit bewunderungswürdiger Klugheit sich Eingang in den ringsum verschlossenen Garten zu verschaffen wußte, ohne diesen Eingang lange Zeit hindurch irgendwem zu verrathen. Nur der aufmerksamsten Beobachtung gelang es, eine kleine, wahrscheinlich vom Hunde gemachte Unterhöhlung der Einzäunung, welche dichtes Fliedergesträuch deckte, zu erspähen, durch welche sie, nicht ohne Anstrengung, ihren regelmäßigen Gang nahm. Ebenso auffällig war das in jeder Hinsicht anständige und bescheidene Verhalten dieser seltsamen Zuhörerin. – Wenn sie durch längere Pausen sich zum stillen Rückzüge bewogen sah, kehrte sie doch gleich wieder um, sobald die Musik auf’s Neue begann. Die musikalische Gans wurde von Allen respectirt, selbst von dem kleinen Stubenkläffer, welcher sonst jedem Eindringling sehr feindlich gesinnt war.




Kleiner Briefkasten.



A. L. in Berlin. Wir können Ihnen nur die in Chemnitz erscheinende „Deutsche Industrie-Zeitung“, redigirt von Rob. Binder, empfehlen. Sie entspricht allen Anforderungen, welche man an ein solches Blatt stellen kann, und hat sich rasch einen großen Leserkreis erworben, der sich noch mit jeder Woche erweitert.

M. A. in B. Lassen Sie sich durch nichts irre machen, die Redaction der Gartenlaube ruht noch in den Händen desselben Mannes, der die erste Nummer des Unternehmens zusammenstellte und seit 10 Jahren die Zeitschrift allein geleitet hat.

F. L. H. in B. Ganz nach Wunsch dem Papierkorb einverleibt.

F. L. B. in Breslau. Nicht zu brauchen. Bitte über das Manuscript zu disponiren.

L. K. in Pottenbrunn. Wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen an die Redaction des „Arbeitgebers“ in Frankfurt a. M.

D. A. U. in Leipzig. Ihr Manuscript „El. u. Leb.“ steht zur Verfügung.

I. K. in Miltenberg a. M. Wir werden über den beregten Gegenstand (die Bücherrollen von Herculanum; aus Pompeji besitzt man keine) später einen besondern Artikel bringen.





In der unterzeichneten Verlagshandlung ist so eben erschienen:

Supplement-Band
zu allen Ausgaben von
Bock’s Buch vom gesunden und kranken Menschen.

Derselbe erscheint in drei, in monatlichen Zwischenräumen auf einander folgenden Lieferungen. Der Subscriptionspreis jeder Lieferung von etwa 5 Bogen ist nur 7 1/2 Rgr. Die 1. Lieferung ist bereits erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen.

Leipzig, im Februar 1862.

Ernst Keil.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_096.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)