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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

steht das anfangs auf dem Schloßplatze aufgestellte Denkmal Lessing’s aus blauem Blankenburger Marmor, mit Lessing’s Büste daran und den Inschriften:

G. E. Lessing, Weiser, Dichter, Deutschlands Stolz –

einst der Musen und seiner Freunde Liebling.

Ihm errichteten dieses Denkmal einige seiner dankbaren Zeitgenossen.

MDCCLXXXXV.

Es war dieses lange Zeit das einzige äußerliche Zeichen dankbarer Erinnerung an den größesten Mann, den Braunschweig auszuweisen hat, bis ihm 1853 das „deutsche Vaterland“ durch Aufstellung der herrlichen Bronzestatue von Rietschel auf dem neu getauften Lessingsplatze in Braunschweig ein würdigeres Denkmal errichtete. Unter den auf der Bibliothek aufbewahrten Autographen Lessing’s befindet sich auch das saubere Manuscript des von ihm bearbeiteten, aber ungedruckten alten Heldengedichtes „der Renner“, dabei verschiedene Bücher aus seiner Handbibliothek, mit fleißig an den Rand geschriebenen Bemerkungen; ein eigenhändiger Brief von ihm hängt eingerahmt neben einem gleichen Luther’s an den Kurfürsten von Sachsen in einem Cabinete. – Neben der Bibliothek, mit einem grünen Rasenplatze und einigen schönen, alten Linden vor der Thür, steht Lessing’s ehemalige Wohnung. Das Gebäude ist einstöckig, aber ziemlich geräumig und hat zwei nach dem Platze auslaufende Flügel, der dazwischen liegende gepflasterte Hof ist nach der Straße zu durch ein hölzernes Gitter mit einer Thür abgeschlossen. Das Haus hat, bis auf die Neutapezierung einiger Zimmer, seit des großen Mannes Tode gar keine Veränderung erlitten; anfangs bewohnte er das rechts vom Eingange gelegene freundliche Zimmer mit einem Cabinet dahinter und mit der Aussicht auf den Schloßplatz, nach dem Tode seiner Frau aber bezog er das einsame Stübchen nach dem Garten hinaus, worin diese gestorben war; hier schrieb er den „Nathan“ – wobei ihm ein freundlich an ihn attachirtes Hauskätzchen, das schnurrend auf dem Schreibtische lag, Gesellschaft zu leisten pflegte. – Der im Mittelgebäude befindliche Gartensaal ist noch ganz im Geschmack jener Tage decorirt, einige steinerne Stufen führen von dort in ein hinter dem Hause liegendes und auch das Bibliothekgebäude mit einschließendes Gärtchen, das noch einige alte Bäume hat, in deren Schatten Lessing einst mit Gleim, Jacobi, Klopstock und andern von Zeit zu Zeit bei ihm einkehrenden Freunden wandelte.

Lessing starb, wie bekannt, nicht in diesem Hause, welches immer noch Dienstwohnung des herzoglichen Bibliothekars ist, sondern in seinem gewöhnlichen Absteigequartier im ersten Stock des Angott’schen Hauses am Egidien-Markt zu Braunschweig. Auf dem St. Magni-Kirchhofe unter düstern Tannen ist sein seit einigen Jahren reich mit Blumen bepflanzes Grab, um das sich Joachim Heinrich Campe[WS 1], der Verfasser des „Robinson“, dadurch, daß er es mit einem einfachen Steine bezeichnete, das Verdienst erwarb, auch diese geweihete Stätte der Nachwelt erhalten zu haben.

C. S.




Der Letzte seines Stammes.
Novelle von Fanny Lewald.
(Fortsetzung)

Die Papiere, welche sich in meinen Händen befanden, enthielten, wie gesagt, keine fortlaufende Briefsammlung. Es scheinen gelegentlich große Zwischenräume in der Correspondenz eingetreten zu sein. Graf Rottenbuel und seine Frau wohnten der Freifrau von Thuris so nahe, daß man sich häufig sehen und deshalb des Briefwechsels entrathen konnte, und die späteren Vorgänge machen es wahrscheinlich, daß Conradine die Briefe ihres Sohnes aus jener Zeit nicht aufzubewahren für gut befand. Der erste Brief, welcher sich nach dem Schreiben Ulrich’s wieder vorfindet, ist der Brief der Gräfin an die Freifrau, aus dem Sommer 1790, welcher hier folgt.

Die Gräfin von Rottenbuel an die Freifrau von Thuris.

„Sie thun mir wirklich Unrecht, meine theuere Schwester, meine geliebte mütterliche Freundin, wenn Sie mich einer schwachen Nachgiebigkeit gegen meines Mannes Wünsche anklagen; und weil ich Ihnen dies gern auseinander setzen möchte, beste Conradine, so benutze ich die Abwesenheit Joseph’s, der nach Chur hinunter gefahren ist, um Ihnen in aller Ruhe zu erklären, was mir selbst die von meinem Manne beabsichtigte Rückkehr nach Frankreich wünschenswerth) und als etwas Zweckmäßiges erscheinen läßt.

Sie selbst, theuere Schwester, haben mich, ebenso wie mein lieber verstorbener Vater, dazu angehalten, mich bei den Ereignissen nicht zu beunruhigen, sondern ihren Ursachen nachzuforschen.

Das habe ich denn auch in unserm Falle gethan, und ich finde es seitdem sehr natürlich, daß mein Mann sich in ein bewegteres Leben, in eine angeregte Geselligkeit und in den Wirkungskreis zurücksehnt, in welchem er sich bis zu seiner Heimkehr in die Schweiz stets wohl befunden hat.

Sehen Sie, liebe Conradine! Joseph ist als Militair erzogen, ist in Paris in der glänzenden Gesellschaft des Hofes aufgewachsen, und Sie wissen das ja selbst, er hat niemals aus freiem Antriebe daran gedacht, das Dasein eines Landedelmannes zu führen.

Es waren Ihre Vorstellungen – und auch nicht einmal diese – es war das Duell und die Herzzerrissenheit, die ihn zu uns nach Graubünden brachten, und ich segne für mein Theil die Stunde, in welcher sein Fuß unser Land betrat, von ganzem Herzen und an jedem Tage.

Meines Mannes Seele ist aber jetzt längst genesen von seinem Zweifel an den Frauen, seine Liebe ist mir ein heiliger, unverlierbarer Besitz. Indeß unsere Ehe ist kinderlos, wir sind allein, und der Graf, an die Pariser Geselligkeit gewöhnt, findet keinen Geschmack, keine Befriedigung an dem ausschließlichen Umgang mit unsern Nachbarn und Verwandten. Die Landwirthschaft, die Jagd, der Gelderwerb, ja selbst der verhältnißmäßige Einfluß und die Macht, welche unser Besitz ihm gewährt, haben keinen Reiz für ihn, haben denselben auch nie für ihn gehabt. Er hat ja von Anfang an nicht daran gedacht, sich dauernd bei uns niederzulassen, und deshalb seinen Abschied nicht gefordert, sondern bisher nur von dem ihm bewilligten Urlaub Gebrauch gemacht.

Hätte ich, wie der Graf, meine Jugend in der großen Welt zugebracht, so würde er sich vielleicht mit mir zusammen leichter an diese Zurückgezogenheit gewöhnen. Gemeinschaftliche Erinnerungen würden den Stoff unserer Unterhaltungen vermehren, ich selbst würde besser im Stande sein, zu beurtheilen und zu ersetzen, was mein Mann entbehrt, und ist für uns in der Zukunft ein dauernder Aufenthalt in Bünden möglich, so wird er das nur dann sein, wenn wir eine Weile in Frankreich gelebt haben, und der Graf Gelegenheit gefunden haben wird, sich zu überzeugen, ob Paris und die Pariser Gesellschaft ihm jetzt noch so reizend erscheinen, als vor unserer Verheirathung, als in den Tagen, in welchen die herzlose Gesellschaft einer eiteln Frau ihn in beständiger Aufregung erhielt.

Gewiß, meine theure Conradine! Sie machen sich unnöthige Sorge um mich, um uns, und könnten mit dieser vielleicht grade dasjenige hervorrufen, was Sie zu vermeiden wünschen; Sie könnten Joseph und mich an der Liebe zweifeln machen, die uns zu unserm Glücke verbindet.

Sehe ich aber ganz von mir und ihm, von unserer Liebe und unseren häuslichen und ehelichen Verhältnissen ab, so muß ich meinem Manne darin beipflichten, daß es, wie die Lage der Dinge sich in Frankreich gestaltet, jetzt für ihn eine Ehrensache ist, seinen Dienst wieder anzutreten und auf seinen Posten zurückzukehren. Die Angelegenheiten werden in Paris immer verwickelter, der König hat sicherlich die Nähe seiner Treuen nöthig; wenn ich daher vielleicht auch wünschen könnte, daß Joseph niemals unter den Schweizern gedient hätte, so vermag ich jetzt doch nicht, ihn von der Erfüllung einer doppelten Ehrenpflicht zurückzuhalten, und es freut ihn, daß wir auch in diesem Punkte uns so ganz in Uebereinstimmung befinden.

Kurz, meine theure Freundin, Sie sehen, ich bin entschlossen, und Sie werden sich hoffentlich in nicht zu ferner Zeit überzeugen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johann
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_110.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)