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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Die nordamerikanischen Trapper.

Es giebt wohl kaum ein Gewerbe, das reicher an Entbehrungen, Beschwerden und wirklichen Gefahren wäre, als das der Trapper, Fallensteller, Biberfänger, Pelzjäger, Tauschhändler, Voyageurs oder schlechtweg Rocky-Mountains-Männer, oder welcher Name ihnen nur immer im „Fernen Westen“ und in der civilisirten Welt beigelegt sein mag. Ja, reich an Entbehrungen und Gefahren, aber auch reich an mancherlei Genüssen; denn Genüsse muß die Natur dem einsamen Jäger der Urwildniß doch wohl, gleichsam als Entschädigung, bieten, oder es wäre kaum denkbar, daß er, wenn der Zufall ihn in den Bereich der Civilisation führt, sich immer wieder hinaussehnt nach dem freien ungebundenen Leben, welches er im Lauf der Jahre so lieb gewonnen und an dem er mit ganzer Seele hängt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nur die wenigsten dieser verwegenen Leute zu erklären wissen, warum sie ihr gefährliches Gewerbe nicht mit der glänzendsten und sorgenfreisten Existenz, umgeben von schimmerdem Luxus in dichtbevölkerten Städten vertauschen möchten, und ihren eigenthümlichen Neigungen diesen oder jenen nichtssagenden Grund unterschieben; daß aber das Grün der Steppe ihren Augen, die reine Gebirgsluft ihren Lungen fast so nothwendig geworden, wie der gefleckten Forelle das frische Quellwasser, daß ferner hin und wieder der Schneesturm ihre Schläfen umheulen, der schreckliche Prairiebrand sie tagelang hetzen muß, wenn Geist und Herz frisch und elastisch bleiben sollen, das ahnen sie nicht. Sie nehmen die Eindrücke der Alles beeinflussenden Natur in sich auf, ohne im Stande zu sein, sich Rechenschaft darüber abzulegen. Was den noch rüstigen Bewunderer und Verehrer einer jungfräulichen, unentweihten Natur und der sie belebenden Kraft fesselt, mit Sehnsucht erfüllt und von Neuem hinaus treibt in die Ferne; was die spätere Erinnerung mit anmuthigen Bildern durchwebt, den Greis sich so gerne, so wehmuthsvoll in die Vergegenwärtigung seines Wanderlebens versenken läßt und den Abend seiner Tage verschönt und erheitert, das schreibt der westliche Jäger allein dem unbesiegbaren Hange nach schrankenloser Freiheit, dem erhebenden Bewußtsein zu, „keinen Herrn über sich zu haben.“

Balduin Möllhausen als Trapper.[1]

O, es ist ein herrliches Leben, welches die Trapper führen, und wer es erst gekostet, vor einigen kleinen Abenteuern nicht zurückbebt und sich mit dem Gedanken an Hunger und Durst, an einen geschwungenen Tomahawk und an die furchtbar bewaffnete Branke des grauen Gebirgsbären oder, was oft nicht weniger gefährlich, an die Cameradschaft mit rauhen, sogar räuberähnlichen Gefährten vertraut gemacht hat, der räumt gewiß gern ein, daß es kein herrlicheres, kein romantischeres Dasein giebt: den größten Theil des Jahres, auch wohl einige Jahre hinter einander mit leeren Taschen im wildreichen Gebirge im beständigen Kampfe mit den Elementen und den widrigsten Verhältnissen; dann wieder auf Monate, wenn man nicht gerade durch freiwillig eingegangene Verpflichtungen auf einem Pelztauscherposten zurück gehalten wird, oder sich durch einige zärtliche schwarzäugige Squaws zu sehr hat umstricken lassen, in irgend einer Grenzstadt, um, unbekümmert um das Nasenrümpfen strenger Sittenrichter, ähnlich den von langer Fahrt heimkehrenden Seeleuten, den sauer erworbenen Verdienst zu verjubeln und demnächst wieder die Urwildniß und die rothhäutigen Jagdgefährten aufzusuchen. Was fragt der westliche Jäger darnach, ob das alte, von Rauch geschwärzte Lederhemde allmählich zerfällt, oder ob die Mocassins nicht länger zusammenhalten wollen und dafür ein Stück rohe Wildhaut den Fuß gegen Dornen und scharfe Steine schützt? Büchse, Messer, Beil und Pferd sind Alles, was er bedarf; sie bilden seinen Reichthum, und inmitten der unabsehbaren Steppe wie vom Gipfel hoch emporstrebender Berge schaut er mit dem Gefühl eines Herrschers auf seine Umgebung. Er ist frei wie der Sturm, der vom Nordpol bis hinab zum mexicanischen Golf über die endlosen Grasfluren fegt; frei wie der Vogel, der mit den Wolken um die Wette von Zone zu Zone eilt. Er ist Gebieter, wohin er auch immer seine Schritte lenkt, und aus welcher Quelle seine Begriffe von Moral und Religion auch entspringen mögen, in jedem Augenblick ist er bereit, die letzte Reise nach den glückseligen Jagdgefilden anzutreten.

Doch nicht Jedem ist es vergönnt, einen Blick in jene verlockenden Urwildnisse zu werfen oder gar dieselben zur Heimath zu wählen; denn wo vielleicht die Phantasie durch romantische Schilderungen aufgeregt wurde und in Folge dessen der feste Wille zur Verwirklichung von langgehegten Jugendträumen erwachte, da fehlt in vielen Fällen der Körper, der, ohne zu unterliegen, der tödtlichen Hitze des Hochsommers oder den erstarrenden Regen- und Schneestürmen eines unbarmherzigen Winters Trotz zu bieten vermöchte; und wo dann wieder die physischen Kräfte zum Kampf gegen das Klima ausreichen, da sind es andere Opfer, die den Neigungen und Gewohnheiten gebracht werden müssen.

Wem der Duft der Blumen nicht die künstlich erzeugten Wohlgerüche reichlich ersetzt; wem es schwer wird, üppiges Wohlleben mit der allereinfachsten, zuweilen sehr kärglichen Nahrung und einem harten Lager unter dem freien Himmel zu vertauschen; wer zu Zeiten der Noth reuig an die verweichlichenden Genüsse zurückdenkt, welche die Civilisation darbietet; wer sich sehnt nach glatten Worten und salbungsvollen Lehren von eifernden, unduldsamen Menschen, anstatt mit Andacht dem Chor der tausendfältigen Stimmen der Natur zu lauschen, der gehört nicht nach dem fernen Westen. Der Anblick der derben Canadier, die in äußerer Erscheinung und Benehmen den Eingeborenen an Wildheit, allerdings anderer Art, kaum etwas nachgeben, wird ihm Scheu einflößen, und


  1. Der Güte eines Freundes verdanken wir das obenstehende Portrait des bekannten Reisenden Möllhausen, dessen Fahrten und Abenteuer jetzt mit so viel Interesse gelesen werden. Möllhausen war eine Zeitlang selbst Trapper und hat sich in dieser Eigenschaft photographiren lassen.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_453.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)