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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

ist sie die erwählte Festburg aller die Freiheit preisendes Deutschen geworden.

Die Coburg tritt dagegen mit Luther erst in die deutsche Geschichte ein; ihre frühere Zeit gleicht einer langen Dämmerung, das Licht der Reformation wirft das erste weithin sichtbare Glühroth auf ihre Mauern. Und während die Wartburg schon schlief, stand sie mit ihrem Ehrenkranz der Reformation hohen Hauptes im dreißigjährigen Krieg. Dann legte auch sie sich nieder und verträumte fast zweihundert Jahre politischer Erbärmlichkeit der Deutschen. Sie erhob zuerst das Haupt wieder im Befreiungskriege, als ihr Herzog sie mit französischen eroberten Kanonen schmückte, erfreut sich aber ihres neuen deutschen Ansehens erst, seitdem das Volks-Jubiläum des westphälischen Friedens, das Auferstehungsjahr 1848, die Deutschen erweckte. Seitdem ist sie, die in neuer Pracht strahlende „fränkische Krone“, wie sie sich gern nennen hört, ein von Jahr zu Jahr mehr bevorzugter Liebling der Deutschen unter den Burgen der Berge geworden und ringt nun als Festburg aller nationalstolzen Geister in Deutschland mit der thüringischen Schwester um den Preis.

Die Veste Coburg.
Nach einer Originalzeichnung von Max Brückner in Coburg.

Steigen wir hinauf, weil sie doch so reizend vor uns liegt! Wir stehen am südlichen Abhang ihres Berges, der sich nur 524 Fuß über den Spiegel der Itz, Coburgs Hauptfluß, und etwa 1430 Fuß über den Meeresspiegel erhebt. Die Entfernung vom Residenzschloß Ehrenburg mit seiner reizenden Umgebung bis zum Thore der Veste beträgt nicht viel über ein gutes Viertelstündchen und läßt uns nicht aus dem heitern Grün geschmackvoller Parkanlagen herauskommen. Unterwegs erzähle ich Euch so Manches aus der Vergangenheit der alten Coburg, das sie für Euer Auge mit Leben erfüllt, ehe Euer Fuß sie betritt.

So wie sie hier vor uns steht, hat die Veste ihr Bild nicht schon Luther’s Augen gezeigt. Die Basteien, die wir von unserm Standpunkt aus sämmtlich sehen und durch welche die Burg erst zur Veste umgewandelt wurde, entstanden kurz vor dem dreißigjährigen Krieg, als hätte eine Ahnung des schrecklichen Sturms ihren Bau beschleunigt. Auch durch das Thor, durch das wir heute gehen, ist Luther nicht gegangen. Sein Weg führte ihn damals da, wo wir zur Linken die ausgebreitete Bastei (Bärenbastei) unter dem hohen (dem sogenannten blauen) Thurm hervorragen sehen, durch ein Thor, dessen Spuren die Restauration wohl, wie so Vieles an der äußern historischen Erscheinung der Veste, verwischt hat, in das Innere.

Wer hat aber den ersten Stein auf diese Höhe gewälzt? Darüber schweigt die Geschichte und überläßt der Sage und der Vermuthung die Antwort. Da wir aber aus der Geschichte und aus vielen noch bis heute erhaltenen Ortsnamen wissen, daß die Herrschaft der Slaven sich im Norden Deutschlands bis an die Elbe und in Mitteldeutschland bis zur Saale und bis an die Itz erstreckte, so liegt die Annahme am nächsten, daß die Coburg zu der Reihe von festen Bergschlössern gehörte, welche die deutschen Kaiser gegen diesen Feind des Reichs anlegten. Am liebsten läßt man dies durch Karl den Großen geschehen und blickt dann vom Berge stolz auf eine tausendjährige Geschichte zurück.

Urkunden haben als älteste Jahrzahl verbürgter Begebenheiten 1057 erhalten. In diesem Jahre vermachte Richza, die Tochter eines Pfalzgrafen des Kaisers Otto III., die Reichsdomänen Saalfeld und Coburg, die sie von ihrem Vater ererbt, dem Erzbischof Anno von Köln. Somit beginnt die helle Geschichte Coburgs gleich mit einem frommen Streich. Der spätere vielfache Besitzerwandel hängt meist mit dem Wechsel des Gaugrafenamtes zusammen und steht unserer Theilnahme zu fern. Zu einigem Ansehen gelangte die Burg wohl erst, als die Grafen von Henneberg ihre Herren wurden. Diese Dynasten standen gerade damals, unter Poppo VII. und seinem Sohn und Nachfolger Hermann, in der Blüthe ihrer Macht. Ihr Besitzthum umfaßte über 36 Quadratmeilen mit mehr als 100,000 Einwohnern. Die späteren Herzogthümer Coburg, Hildburghausen und Meiningen (Unterland) bildeten, als der jüngst erworbene Theil ihres Gebiets, ihre sogenannte „neue Herrschaft“. Poppo war mit einer Schaar von Reisigen, den Söhnen dieser Thäler,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_469.jpg&oldid=- (Version vom 22.7.2020)