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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„Und wenn es früher auch gefallen wäre,“ erwiderte er, augenscheinlich unsicher, wie ihr Verhalten gegen ihn zu deuten, „sind denn während dem nicht alle Bedingungen dafür zerstört worden?“

Sie blickte ihn einen Moment in ruhigem Ernste an. „Sie haben Recht, und ich habe es oft aufrichtig bedauert,“ versetzte sie, „dennoch möchte ich Ihnen meine Frage gern vorlegen.“

„Sagen Sie nur offen, Fräulein Marie, und ich werde Ihnen glauben,“ entgegnete er nach einer kurzen Pause, in welcher er einen forschenden Blick in das Gesicht des Mädchens geworfen, „gedenken Sie ernst mit mir zu reden, oder mich in gewöhnlicher Weise als bequemen Gegenstand für Ihre Satire zu betrachten?“

Sie schüttelte mit einem unwillkürlichen Lächeln den Kopf. „Sie sind nie ein Gegenstand meiner Satire gewesen,“ versetzte sie, „nur vielleicht Ihre gelegentlichen Worte und Handlungen, von denen ich doch einigermaßen beurtheilen konnte, wie wenig sie in Ihrem eigentlichen Wesen wurzelten – oder soll ich annehmen, Herr Meßner,“ fuhr sie plötzlich ernst werdend fort, „Ihre frühere Weise, sich zu geben, sei die unwahre gewesen?“

Er rückte unter ihrem Blicke unbehaglich auf seinem Stuhle. „Sie beginnen Ihre eigenthümlichen Räthsel wieder, Fräulein,“ sagte er, „und so dürften wir wohl kaum zu Ihrer Frage gelangen.“

„Gut, Herr Director, hier ist sie,“ erwiderte sie rasch, „und nun zeigen Sie mir, wo ich die Wahrheit bei Ihnen suchen soll! – Lieben Sie denn meine Schwester wirklich,“ fuhr sie halblaut, aber mit voller Betonung der einzelnen Worte fort, „daß Sie trotz aller Umstände, die Sie kennen müssen, auf einer Verbindung mit ihr bestehen? Helene ist in vieler Beziehung noch ein halbes Kind, das Ihnen doch geistig kaum genügen kann; dazu werden Sie wissen, daß sie durch eine andere Neigung gefesselt wird und daß, wenn der Vater durch einen Zwang Ihren Wünschen nachkäme, sie Ihnen nichts als eine zerbrochene Jugend und ein feindseliges Herz zubringen könnte!“

Meßner hatte bei den ersten Worten der Frage wie in einer plötzlichen peinlichen Empfindung den Kopf gehoben, auf seinen Lippen zuckte die Absicht zu einem raschen Unterbrechen der Sprecherin, aber der große, offene Blick des Mädchens schien ihn in der Ausführung zu lahmen.

„Lassen Sie mich Ihnen noch zwei Worte sagen und dann reden Sie so ohne Rückhalt, wie ich,“ fuhr sie fort, seine Antwort mit einer ernsten Neigung ihres Kopfes zurückbannend. „Sie suchen eine Frau, durch deren Familien Verbindungen Sie die nöthige Unterstützung zu einer raschen Carriere erhalten; Sie haben gesehen, daß der Einfluß unseres Vaters bereits seine Wirkung für Sie erprobt hat, und so wollen Sie Ihre Beziehung zu ihm festknüpfen. Warum denn nun aber deshalb den Frieden eines jungen Mädchens zerstören und damit vielleicht eine Vergeltung in Ihrem häuslichen Leben heraufbeschwören, die jeden erreichten äußerlichen Vortheil überwiegt? Giebt es denn nicht andere Persönlichkeiten, die Ihnen schon jetzt aufrichtig ergeben sind und Ihren Zwecken, welche Sie jetzt durch eine Heirath fördern wollen, völlig genügen würden?“

Es war ein wunderbar eindringlicher Blick, der jetzt auf dem Schulmanne ruhte. Dieser hatte mit leicht zusammengepreßten Lippen, als ergebe er sich in das Unvermeidliche, die Worte hingenommen. Bei der letzten Frage aber hob er in sichtlicher Verwunderung langsam den Kopf, und als er Marie’s hellem Auge begegnete, ging es wie eine plötzlich aufsteigende Vermuthung durch seine Züge, die auf’s Neue ein leichtes Roth in seine Wangen trieb. „Und wollten Sie mir eine solche Persönlichkeit nennen, die mir so aufrichtig ergeben ist, daß sie an Helene’s Stelle treten würde?“ fragte er langsam, während sein Blick sich in eigenthümlicher Spannung aus ihr Gesicht heftete; fast schien aber der Ausdruck seines Auges, sowie die hörbare Bedeutung, welche der Sprechende in seine Frage legte, das Mädchen zu befremden.

„Ich meine die Großmutter,“ sagte sie, „die sicher in irgend einer Weise für Ihr Interesse wirken würde –“

„Die Großmutter –!“ wiederholte er, wie einen Augenblick völlig verblüfft; dann aber blitzte sein Auge in tiefem Unmuth auf, und er erhob sich rasch. „Ich wußte es ja, daß Alles nur auf eine neue Verhöhnung ausgehen würde!“

Marie schien einen Augenblick über die Wirkung ihrer Worte betroffen, dann aber brach sie plötzlich, wie zu einem Verständniß kommend, in ein klingendes Lachen aus. „Halt, Herr Director!“ rief sie, gleichfalls ihren Sitz verlassend, „das ist ein Mißverständniß; zur Frau habe ich Ihnen wahrlich die Großmutter nicht empfehlen wollen – und,“ fuhr sie fort, während sie unwillkürlich, wie um sein Gehen zu hindern, die Hand auf seinen Arm legte, „ich bitte Sie, mein aufrichtiges Wort zu nehmen, daß ich nicht daran gedacht, Sie in irgend einer Weise zu beleidigen.“

Er kehrte sich nur halb nach ihr. „Sie haben mich nicht beleidigen wollen,“ sagte er finster; „wer war es denn aber, die mir systematisch das Haus Ihres Herrn Vaters zu verleiden suchte, die für jedes meiner Worte einen Stachel und für jede meiner Handlungen eine höhnische Auslegung hatte? – Ja wohl,“ fuhr er erregter fort, sich voll nach ihr wendend, „es gab eine kurze Zeit, Fräulein, wo das Wort Vertrauen zwischen uns fiel, wo ich in Ihrer Seele zu lesen glaubte, wo sich Gedanken in mir bildeten, die sich in Ihnen selbst wiederzuspiegeln schienen – was hat Ihnen denn jetzt das Recht gegeben, einen Mann, der einem Weibe gegenüber keine Waffe hat, zum Spielzeug Ihrer Laune, zum Opfer Ihrer Zunge zu machen, sich als eine Feindin mir gegenüber zu stellen, der ich niemals etwas zu Leid gethan?“


(Fortsetzung folgt.)



Ein Pirschgang auf Elephanten in den östlichen Hängen des Felsengebirges von Abyssinien.

Bruchstück aus einem Briefe Sr. Hoheit des Herzogs Ernst von Coburg an einen Bekannten.


Wenn der Jagd- und Naturfreund die Ueberschrift sieht, so schüttelt er wohl erstaunt mit dem Kopfe und kann vielleicht den Ausruf nicht unterdrücken: Wie kommen Elephanten in die Felsengebirge? – und trotzdem sind sie da. Es ist eine Eigenthümlichkeit jenes großen Gebirgsstocks, der sich gen Osten bis beinahe dicht an das rothe Meer zieht, nach Norden von den großen Wüstenstrecken der Habab begrenzt wird, nach Westen in die Niederungen der Barka ausläuft und nur nach Süden mit den Gebirgsländern von Hamassen zusammenhängt, daß er in einem regelmäßigen Turnus von Elephantenheerden besucht wird. Diese bevölkern aber nicht, wie es wahrscheinlicher wäre, die Thäler und Hochebenen, sondern nehmen hauptsächlich an den höchsten und rauhesten Gebirgsabhängen ihren temporären Aufenthalt.

Drei bis vier Mal im Jahre wechseln sie ihre Stände und stehen sehr wahrscheinlich mit der großen Menge jener Thiere in Verbindung, welche in den niedern Gegenden Central-Afrika’s ähnlich herumwandern und sich, nach den Berichten Vogel’s und der wenigen mit ihm in jene Länder vorgedrungenen Europäer, zu Herren derselben gemacht haben.

Die Gebirge, von denen die Rede ist, bestehen zum großen Theil aus grobkörnigem Granit und Glimmerschiefer und erheben sich bis zu einer Höhe von ungefähr 9000 Fuß. Eine dichte Vegetation bedeckt sie, welche nach der Höhe des Standpunktes fortwährend wechselt und an den obersten Spitzen sogar europäische Sträucher und Pflanzen hervorbringt. Die Tropenvegetation, von der hier die Rede ist, ist jedoch nicht zu verwechseln mit der von Amerika und Asien, denn sie trägt einen ganz anderen Charakter. Dem äußern Anschein nach könnte dieses Gebirge mit einem Theil von Oberösterreich und vielleicht mit den bairischen Alpen verglichen werden. Bis auf den Gefrierpunkt soll der Thermometer nie herabsinken, und sogar auf den höchsten Höhen empfindet man die Strahlen der glühendsten Sonne jener Zone. Zwei Sommer und zwei Winter bringt jedes Jahr, und Gewitter erfrischen das ganze Jahr hindurch die Luft.

Schon als wir den zweiten Tagemarsch, das enge Mensathal verfolgend, die Samhara im Rücken hatten, wurden zum allgemeinen Erstaunen die ersten Spuren eines Elephanten gefunden und zwar dessen Losung. Die Augen der eifrigen Nimrods leuchteten, und so groß auch die Freude war, so stieg doch in einem Jeden von uns der Zweifel auf, ob wir nicht einer Täuschung unterlägen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_500.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)