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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Zu den merkwürdigsten Unternehmungen im Bereiche der Fischzucht gehören die neu angelegten Austernbänke an der französischen Seeküste und die Aalzüchtereien in den Lagunen von Comacchio. Die Lagunen von Comacchio liegen an der Küste des adriatischen Meeres, unterhalb der Mündung des Po, in der Provinz Ravenna, und bilden einen ungeheuern Sumpf, welcher durch einen kleinen Streifen Land vom Meere getrennt wird. Zwei Flüsse, der Reno und der Volano, geben dem Sumpflande die Form eines Delta, ähnlich dem der Camargue. Die Aalzucht in den Lagunen ist auf eine sorgfältige Beobachtung der Lebensweise und der Gewohnheiten des Fisches gegründet, welcher zur Laichzeit hinaus in’s Meer zu ziehen pflegt, während die junge Brut im Februar und März die Lagunen-Canäle und Flüsse aufsucht, um hier in der Stille zu wachsen, und sich zu mästen. In Comacchio erleichtert und regelt man dies Gehen und Kommen durch die kunstvolle Anlage einer Reihe von Canälen, Teichen und verschließbaren Schleußen, während man zugleich das Fettwerden der Fische durch reiche und passende Nahrung unterstützt.

Als hauptsächliches Nahrungsmittel dient für die enorme Menge von Aalen, welche in den Lagunen gemästet werden, ein kleiner Fisch, den man Aguadelle nennt. In welchen Massen derselbe verschlungen wird, geht aus der Thatsache hervor, daß auf ein Pfund der jungen Aalbrut beim Eintritt in die Lagunen 1800–2000 Stück gehen, und daß diese Zahl Fische nach Verlauf von einem Jahre gegen vier Tonnen wiegt und einen Werth von 250 bis 300 Thaler repräsentirt.

Auch die Seebarbe wird in Comacchio sorgfältig cultivirt und wächst mit einer Schnelligkeit, von welcher der Leser sich einen Begriff machen kann, wenn er hört, daß von diesem Fische im Stadium der Kindheit 6000 Stück auf das Pfund gehen, während nach Verlauf eines Jahres jeder Fisch bereits 1/4 Pfund wiegt. Nach dem Einzuge der Fische werden die Zugänge zu den Schleußen geschlossen.

Die bei der Fischerei in Comacchio beschäftigten Leute sind nach einer Art militärischer Disciplin organisirt. Sie erhalten, obgleich die Aalzucht der päpstlichen Regierung jährlich enorme Summen einbringt, nur kärglichen Lohn und leben meist von Fischen, die ihnen in gewisser Menge zugetheilt werden. Gelegentlich wird das einförmige Leben dieser in ihren Ansprüchen sehr bescheidnen Menschen durch eine Festlichkeit unterbrochen. Gelingt es z. B. in einer Nacht eine gewisse Menge Fische zu erbeuten, so wird ein Kanonenschuß abgefeuert, welcher das glückliche Ereigniß allen Betheiligten anzeigt, und der nächste Tag wird dann als Festtag gefeiert, bei welchem ein splendides Diner die Hauptrolle spielt. – Auch der Einzug der jungen Fischbrut in die Lagunen wird mit Feierlichkeiten begangen, die sich im Laufe der Saison mehrfach wiederholen, die aber mehr ernster und religiöser Art sind.

Eine ganz eigenthümliche Physiognomie erhält die Scene in den Lagunen von Comacchio aber durch den Umstand, daß der größte Theil der gefangenen Fische fertig zubereitet an Ort und Stelle verkauft wird. Diese Zubereitung geschieht in einer ungeheuern Küche, wo eine ganze Brigade weiblicher Köche die größern Fische und namentlich die Aale am Spieße, die kleinern in der Pfanne bratet. Die Ausdehnung dieses Geschäftes läßt sich aus dem Umstände ermessen, daß die Anlegung eines Canals nöthig war, um das Fett abzuleiten, welches beim Rösten der Aale heruntertropft. Die größern Aale sind, wenn sie in die Küche gebracht werden, soweit zubereitet, daß sie in passenden Stücken an den Spieß gesteckt werden können. Kopf und Schwanz werden für die Armen zurückgelegt. Die kleinern Fische werden gleich in der Küche oberflächlich gereinigt, dann lebendig am Spieße befestigt und gebraten. Die Plattfische röstet man in ungeheuern Pfannen und zwar im Fette der Aale. Ein Theil der in den Lagunen gefangenen Fische wird in gesalznem Zustande durch ganz Italien verschickt. Die Quantität der alljährlich in den Sümpfen von Comacchio gefangenen Fische beträgt nach Abzug der enormen Massen, welche von den dabei beschäftigten Beamten und Arbeitern verzehrt werden, ein bis zwei Millionen Pfund.

Zu den interessantesten Versuchen, die man mit der künstlichen Fischzucht gemacht hat, gehört unstreitig die schon erwähnte Anlage neuer Austernbetten an den französischen Küsten, sowie die neue Besämung alter, gänzlich erschöpfter Bänke. Das ganze System beruht, wie die Züchterei der Süßwasserfische, auf den Beobachtungen Remy’s. Außer in dem schonungslosen Betriebe der Küstenfischerei lag der Grund zu der schnellen Verminderung der Austern hauptsächlich in der Zerstörung vieler Millionen Eier, die wegen Mangel an geschützten Laichstellen ihren Untergang fanden. Es kam demnach vor Allem darauf an, die nöthigen, sichern Brutplätze zu schaffen, und dies geschah auf die einfachste Weise. Man senkte große Massen von alten Ziegeln, zerbrochnen thönernen Gefäßen und dergleichen an geeigneten Stellen in’s Meer, umgab diese Grundlage mit einer Reihe starker Pfähle, durchflocht und füllte diese mit Zweigen, Aesten und Reisigbündeln, zwischen denen Austern und Laich eine geschützte Lage finden konnten, und besämte dann diese neu angelegten Bänke mit einigen Tausenden von Thieren, welche ihre völlige Reife bereits erreicht hatten.

Schon jetzt, nach Verlauf von vier Jahren, liefern die neuen Austernbänke zu Auray im Departement Morbihan (Bretagne) den Beweis für die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Verfahrens. Man fischte dort während der letzten Saison in einer Stunde 350.000 Austern, und am Abende war die Stadt zur Feier des Ereignisses, dessen Wichtigkeit die meist aus Fischern und Fischhändlern bestehende Bevölkerung vollständig begriff, glänzend erleuchtet.

Das gigantische Aquarium, welches sich im Garten für Acclimatisation im Bois de Boulogne zu Paris befindet, enthält das Modell eines solchen künstlichen Austernbettes.

Die nächste und wichtigste Frage wäre nun, ob die künstliche Fischzucht sich zu einem wirklich einträglichen Unternehmen gestaltet. Die Frage läßt sich ohne Weiteres bejahen. In Stormontfield z. B. stellen sich die täglichen Kosten der sehr umfänglichen Lachszüchterei, nachdem die erste Anlage bestritten ist, sehr gering. Sie beschränken sich fast ausschließlich auf den Gehalt des Mannes, welcher die jungen Fische füttert und pflegt, und das zum Bau der Reservoirs und Canäle verwendete Capital verzinst sich zu zehn Procent. Noch günstiger gestaltet sich die Rentabilität der Austernbänke, deren Kosten sehr gering sind. Als Beispiel nennen wir die Bänke zu St. Brieux in der Bretagne. Nach officiellen Berichten enthielt jedes Reisigbündel, das man kürzlich von einer im Jahre 1850 angelegten Austernbank versuchsweise heraufholte, gegen 20.000 Austern. Wenn jede der damals versenkten 300 Faschinen dieselbe Zahl lieferte, so würde dies 6,000,000 Austern geben, welche, das Tausend nur zu 20 Fr. berechnet, enorme Revenüen gewähren müssen. Die Anlage des Bettes kostete nicht mehr als 250 Fr. Als schlagendsten Beweis für die Zweckmäßigkeit der künstlichen Zucht des Süßwasserfisches, welche die französische Regierung in liberalster und großartigster Weise zur Ausführung bringen läßt, mag die Thatsache gelten, daß gegenwärtig die in den schiffbaren Flüssen, Teichen und Canälen des Kaiserreichs gefangenen Fische einen Werth von über vier Millionen Thaler repräsentiren, während noch vor zwanzig Jahren die ganze Süßwasserfisches nicht mehr eintrug, als der Lachsfang in einem einzigen schottischen Flusse.

S. Augustin.




Jungmann und der Sieg in Eckernförde.

Von Bernhard Endrulat.
(Schluß.)

Im weiteren Verlaufe des Gefechts gerieth zunächst die Fregatte „Gefion“ in eine sehr ungünstige Lage. In Folge der starken Beschädigung, die sie erlitten, hatte ihre Manövrirfähigkeit bedeutend abgenommen, und als sie nun durch den heftigen Wind so gedreht wurde, daß sie nur eine ihrer Breitseiten gebrauchen konnte, vermochte sie sich allein nicht wieder zu helfen. Sie signalisirte daher, um sich in eine bessere Lage bringen zu lassen, einen der Dampfer heran. Von diesen war aber nur „Geyser“ noch


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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_518.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)