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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Philipp blickte halb ernst, halb spöttisch auf sein Gegenüber. „Sie haben mich also nie geliebt?“ flüsterte er, indem er mit den Mundwinkeln lächelte.

Die Gräfin zuckte ungeduldig mit den Achseln. „Du lieber Gott,“ seufzte sie spöttisch, „ich war ein kokettes Gänschen, und Sie waren zufällig der Erste, in den ich verliebt war. Ich konnte nicht leben ohne Sie, so lange Sie mir den Hof machten. Als ich den Grafen geheirathet hatte, war ich in acht Tagen von meiner Liebe geheilt!“

„Wie von einem Schnupfen!“ lachte Königsmark. Aber sein Lachen klang etwas gezwungen. „Gut, daß ich das jetzt erst erfahre – damals wäre ich an diesem naiven Geständniß gestorben! Es lebe die Wahrheit! Aber à propos,“ sagte er dann, nachdem er sein Glas geleert hatte, „dann lieben Sie ja auch den Prinzen Georg nicht?“

Die Gräfin sah ihn mit einem unaussprechlichen Ausdrucke von Ironie und Verachtung an. „Sie trauen mir also gar keinen Geschmack zu, Philipp?“ sagte sie.

Königsmark brach in ein lautes Gelächter aus. „Bravo!“ rief er. „Ich sehe, Sie sind wirklich aufrichtig!“

„Nicht wahr? ich gebe mich ganz in Ihre Hände –“

„Wahrhaftig! Aber dazu müssen Sie jedenfalls einen Grund haben. Denn unnütze Empfindungen traue ich Ihnen nicht zu.“

Die Gräfin machte eine leichte Verbeugung. „Sie sind zu galant. Der Grund dieser Offenherzigkeit ist übrigens ganz einfach und derselbe, welcher mich heute bewog, Sie allein zu empfangen – obwohl wir hier einander fremd sein müssen.“

„Und dieser Grund?“

„Errathen Sie ihn nicht?“

„Glauben Sie, Jedermann müßte so scharfsichtig sein wie Sie?“

„Danke. „Nun, ich will Ihrer Naivetät zu Hülfe kommen: ich will Sie zum Freunde haben.“

Philipp warf einen erstaunten Seitenblick auf die Gräfin. „Bah! Ich denke, wir sind es schon?“

„Verstehen wir uns. Wenn ich sage Freunde, so meine ich Bundesgenossen.“

Philipp warf seinen Kopf zurück. „Ah! ah!“ murmelte er für sich. „Es scheint, ich soll mich hier um jeden Preis amüsiren!“ Dann fügte er laut hinzu, indem er die Gräfin mit affectirter Einfalt anblickte: „Bundesgenossen, Gräfin? Zu was brauchen Sie einen Bundesgenossen, Sie, die Sie hier allmächtig sind?“

Die Gräfin blickte nachdenklich in die Flammen und zerzupfte eine prachtvolle rothe Blume, welche sie aus einer der Kaminvasen genommen hatte. „Meine Allmacht geht nicht so weit, als ich möchte.“

(Fortsetzung folgt.)




Das Denkmal eines deutschen Patrioten.
Von R. v. R.

Der 25. Mai dieses Jahres war ein Festtag für die Stadt Freiburg im Breisgau, ein Festtag für Baden, ein Tag von großer, für alle Gauen deutscher Erde hochwichtiger Bedeutung. An diesem Tage wurde nämlich das Denkmal des unsterblichen Geschichtsschreibers und unerschütterlich muthigen Volksvertreters Karl von Rotteck wieder aufgestellt in der Stadt, welche seine Wiege, welche Zeuge seiner großartigen Thätigkeit war. Ich sage „wieder aufgestellt“, denn, so unglaublich es vielleicht einst unsern Söhnen klingen wird, das schon im Jahre 1847 auf einem der öffentlichen Plätze Freiburgs errichtete Denkmal Rotteck’s wurde durch den damaligen Stadtdirector v. Uria im Juni 1851 nächtlicher Weile wider alles Recht im zelotischen Eifer blinder Reactionswuth heimlich abgebrochen, verstümmelt, zerstört! Daß dieses Denkmal heute in feierlicher Weise auf einem schöneren Platze wieder errichtet wurde, ist eine That der Sühne für jenen Act vandalischer Barbarei, es ist ein Sieg des Rechts über die Unterdrückung und liefert den erfreulichen Beweis, daß in Baden wenigstens die herrliche Saat von Rotteck’s Lehren aufgegangen ist und reiche beglückende Früchte trägt. In diesem Sinn und von diesem Standpunkt aus betrachtet, gewinnt die Feier, welche den Charakter einer reinen Volksdemonstration auch keinen Augenblick verleugnete, jene hohe, am Eingang erwähnte Bedeutung. Abgesehen aber davon, ist Karl von Rotteck selbst eine so bedeutende Erscheinung, daß ein sein Andenken feierndes Fest schon an und für sich alle Aufmerksamkeit verdient. Ich will es versuchen, den Lesern der Gartenlaube ein Bild des Schaffens und Wirkens dieses großen Bürgers in Kürze in’s Gedächtniß zurückzurufen, damit der badische Festtag seinen Wiederhall haben möge in weiten deutschen Kreisen.

Wir übergehen Rotteck’s Jugendjahre als bekannt mit Stillschweigen. Mit dem Jahre 1818, wo er zum Lehrer der Weltgeschichte an der Universität Freiburg ernannt wurde, beginnt seine literarische Thätigkeit. In jener verhängnißvollen großen Zeit, wo Deutschlands Völker sich vom Joche der Fremdherrschaft befreiten, und die Morgenröthe einer glücklicheren Zukunft am politischen Horizont emporstieg, erschien bei Herder in Freiburg seine Weltgeschichte; ein Werk, das im edelsten Sinne geschrieben, von reiner Freiheits- und Wahrheitsliebe durchdrungen ist und allein schon hinreicht, ihm einen bleibenden Ruhm als Schriftsteller zu sichern.

Mit einem tiefen Ernst, mit einer reinen Begeisterung für das Recht verfaßt, ist dieses Werk eines der bessern in der deutschen Literatur. Von mächtiger Wirkung sind namentlich seine Parallelen zwischen der antiken Welt und der Neuzeit, und wenn er mit dem mächtigen Zorne des durch jede Rechtsverletzung empörten Gemüthes die großen Eroberer des Alterthums brandmarkt, so sind diese Blitze dem modernen Imperator in’s Antlitz geschleudert, und seine begeisterte Apotheose der großen Republikaner der alten Welt sind eben so viel Lobgesänge für die edlen Märtyrer der Freiheit in unsern Tagen.

Er ehrte die Geschichte nach seinen eigenen Worten „nur als treue Rathgeberin in den ewig heiligen Angelegenheiten der Menschen, und vor Allem als Pflegerin politischer Weisheit und Tugend und als die unbestechliche Richterin, deren hehre Aussprüche die letzte Hoffnung sind für das der trotzigen Gewalt sonst preisgegebene Recht.“ Und so verminderte sich von Tag zu Tag seine Liebe zum Studium des positiven Rechtes, auch das römische nicht ausgenommen. Zuletzt hatte unter den Disciplinen der Rechtswissenschaft nur noch die Rechtsphilosophie Interesse für ihn; nur die Frage, was nach der ewigen Vernunft überall Recht sein sollte, hielt er für hochwichtig und ganz besonders in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse. Er selbst beantwortete diese Frage in seinem zweiten berühmten Werke über das Vernunftrecht. Mit aller Kraft eines philosophisch durchgebildeten Verstandes begann er den Kampf mit dem historischen Rechte, indem er dessen Nichtberechtigung nachwies. Die „ewig unveräußerlichen Menschenrechte“ sind es, auf die alles Recht gegründet sein muß, jede Bevorzugung Einzelner oder ganzer Classen constituirt ein Unrecht, gegen welches er zu Felde zog. – Ausgerüstet mit der Kenntniß der Geschichte als Rathgeberin für die Zukunft, die gründliche Forschung des Rechtes als Leitstern, beginnt im Jahre 1819 Rotteck den wichtigsten Abschnitt seines Lebens, seine Laufbahn als Volksvertreter.

Sein Wirken in der badischen Kammer, in dem er von seinem getreuen Freunde Welcker so standhaft unterstützt wurde, hat Herr Hofrath Professor Woringen in der am 25. Mai gehalten Festrede trefflich charakterisirt, indem er sprach: „Das Vernunftrecht war sein Schwert, das historische Recht sein Feind.“ Mit unerschütterlicher Consequenz, mit einer nie sich verleugnenden Kraft und Energie kämpfte er fort und fort für Recht und Freiheit. Keine Niederlage vermochte ihn niederzubeugen, und immer erhob er sich auf’s Neue zum Kampfe gerüstet. Er und Welcker, die Freiheits-Dioskuren Badens, und mit ihnen Männer wie Itzstein, Wessenberg und Andere haben unendlich viel geleistet in der badischen Kammer, und wenn heute Baden allen deutschen Stämmen voranleuchtet auf der Bahn constitutioneller Entwicklung, so gebührt ein großer Antheil an diesem Ruhme jenen Männern, die den Keim dazu legten im Herzen des Volkes.

In den ersten Jahren seiner parlamentarischen Wirksamkeit war Rotteck als Abgeordneter der Universität Freiburg Mitglied der ersten Kammer, bis er 1831, in fünf Wahlbezirken gewählt,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_564.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)