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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

entschiedenen Haltung bebte er zurück, und sein Gelächter brach schrill ab. „Zu verlangen, Madame!“

„Ja, ich verlange!“ wiederholte Sophie mit einer gebieterischen Bewegung. „Du mußt mich hören, Georg – zum ersten und zum letzten Male. Ich habe Dich nie geliebt.“

„Ah!“

„Ja – in dieser Stunde wäre jede Heuchelei eine Feigheit – ich habe Dich nie geliebt! Du weißt wohl, daß wir Beide gezwungen und mit Widerwillen an den Altar traten. Erinnerst Du Dich noch der ersten Nacht unserer Ehe? Wo ich mit meinem kostbaren Spitzengewande weinend im Parke umherirrte, weil ich Dich verabscheute – und wo Du beim Scheine unserer Hochzeitsfackel an Deine Geliebte schriebst, daß Du mich hassest? – O, was habe ich seit jener Nacht geweint! Wie viele Thränen der Verzweiflung habe ich seit jener Nacht vergossen! Aber ich bin Dir immer ein treues Weib, eine gehorsame Gefährtin gewesen, Georg. Oft, wenn mein armes, vernachlässigtes Herz aufjammerte und aufschrie in seiner Verlassenheit und nach ein wenig Liebe lechzte – denn auch ich bedarf der Liebe, Georg! – da habe ich es gepreßt und gedrückt, als wolle ich es ersticken, und neigte das Haupt in meiner Resignation und in meiner stillen Verzweiflung. Denn vor der Welt wenigstens warst Du mein ergebener Gatte. Als Du aber dann Deine skandalösen Liaisons offen zur Schau trugst, als Du mich zwangst, Deine Maitressen neben mir zu dulden, und mich dadurch zum Gespötte des ganzen Hofes machtest: da bäumte sich mein Stolz wie ein scheugewordenes Roß – und ich wagte es, mich zu beklagen. Und seitdem quälst und erniedrigst Du mich, wo Du es nur vermagst – Du behandelst mich nicht wie Deine Gattin, sondern wie Deine Feindin. Ich bin nicht mehr die Erste dieses Landes, ich bin elender als die letzte Bettlerin, denn ich bin nicht einmal frei. Von meinen Kindern hast Du mich getrennt und sie fremden Weibern anvertraut, die mir ihre Herzen und ihre Seelen entfremden, meine Freunde werden vom Hofe entfernt, Dein Vater haßt und verfolgt mich mit tausend kleinlichen Quälereien, Du meidest mich und verleugnest mich vor aller Welt.“

„Sophie!“

„Ach! Ich bin noch nicht zu Ende, Georg. Wenn Du wüßtest, was ich in dieser fürchterlichen Einsamkeit des Lebens gelitten habe, Georg, ich glaube, auch Du müßtest Mitleid mit mir haben. Ich bin Deinem Vater zu Füßen gefallen und habe ihn mit heißen, blutigen Thränen angefleht, er solle in unsere Scheidung willigen, ich könne es nicht länger hier aushalten, ich müsse wahnsinnig werden oder sterben! Da hat er die Achseln gezuckt und mir begreiflich gemacht, eine Scheidung könne nie ein freundschaftliches Uebereinkommen sein, sondern nur ein Urtheil, welches einen Schuldigen treffe. Ich habe das nicht verstanden, ich begriff nur, daß man mich hier festhalte, wo man mich haßt, daß ich eine Gefangene sei, und daß ich nur bei Dir noch Rettung hoffen könne! Und hier bin ich, um Dich anzuflehen, Georg – laß mich zu meiner Mutter nach Celle zurückkehren, trenne Dich von mir, laß mich fort, fort, fort!“ Und schluchzend faßte sie die Hände ihres Gemahls und sah ihm flehend in’s Antlitz.

Georg blickte sie finster und drohend an. „Sind Sie toll, Madame?“ rief er. „Sie wissen also nicht, daß dies unmöglich ist? daß wir umringt sind von den Spähern der Engländerin, welche unsere geringsten Handlungen interpretirt und kritisirt? Sehen Sie denn nicht, daß eine Scheidung unmöglich ist? Ah, bei Gott! Wenn Sie ein ungetreues Weib wären, dann könnte ich Sie verstoßen – aber ich kann mich nie von Ihnen scheiden lassen!“

Sophie fuhr auf. „Ich soll also hier bleiben, Georg, umgeben von feindseligen Verwandten und kaltherzigen Dienern, erröthend unter dem Blicke Deiner schamlosen Maitressen, gemartert von Deiner Kälte und von Deiner Geringschätzung, verspottet von Deinen Freunden und Schmeichlern? Georg, Georg, nimm’ Dich in Acht, daß nicht zu viel von mir verlangt wird!“

Georg richtete sich hohnlächelnd auf. „Schön, jetzt kommen die Drohungen!“

„O!“ murmelte Sophie, indem sie zurückwich und mit ihren Fäusten die Spitzen ihrer Robe zerknitterte. „O, Du bist ein Feigling! Denn Du läßt mich weinen und Du verspottest mich!“

In diesem Augenblicke fiel ihr Blick auf die Portière des Nebenzimmers und sie sah den Grafen von Königsmark, welcher dieselbe hoch emporhielt, den Kopf vorgeneigt, mit keuchender Brust, die funkelnden Augen fest auf sie gerichtet.

„Ah!“ schrie sie, außer sich durch diese letzte Demüthigung, welche ihr Gemahl ihr anthat, indem er ihre Klagen und ihren Jammer einem eiskalten Freunde preisgab. „Was ist das? – Herr von Königsmark? – O, das ist infam! Also selbst bis in Ihre Gemächer wollen Sie mich zum Gespötte Ihrer Diener machen, Georg? O wie infam – wie elend!“

„Madame!“ schrie Georg wüthend, während Königsmark einen Schritt zurücktrat.

„Ah, bleiben Sie nur,“ fuhr Sophie in immer wilderer Aufregung fort, „bleiben Sie nur, Herr von Königsmark, denn ich will meinem Gatten nicht länger lästig fallen! Nicht wahr, Sie haben sich soeben köstlich amüsirt, und werden die Geschichte dieses Auftrittes in einer Orgie ausschreien, unter Leuten Ihres Gleichen und schamlosen Dirnen? Es ist also nicht genug, daß Sie meinen Gemahl von einer Ausschweifung zur andern treiben durch Ihren Rath und durch Ihr Beispiel, – es ist nicht genug, daß Sie bei seinen Liaisons den gefälligen Freund machen, Sie spielen auch noch den Horcher?! Ah! Sie beschimpfen Ihren Namen und beflecken Ihr Wappen, mein Herr Graf von Königsmark – Sie sind kein Edelmann, Sie sind nur ein Lakai! Et maintenant, je veux passer – rangez-vous!

Und mit einer wahrhaft königlichen Gebehrde die Beiden abwehrend, und sie mit ihrem stolzen Blicke beherrschend, schritt sie zur Thüre hinaus.

Georg ballte wüthend seine Fäuste und machte einen Schritt, um ihr zu folgen, während Königsmark wie betäubt auf einen Stuhl sank.

„Wie schön sie ist!“ murmelte er. „Wie schön sie ist! – Andere Frauen haben nur Blicke, sie aber hat Blitze. – Sie haßt mich! – O! der Haß eines Weibes ist eine unbekannte Wollust für mich, und ich will sie genießen. – Wie schön sie ist! Wie reizend!“

„Philipp!“ rief Georg, indem er halb zornig, halb lachend auf ihn zutrat. „Mein armer Freund, Du bist schön angekommen! Nun, was sagst Du?“

„Ich sage,“ entgegnete Königsmark, indem er sich erhob und aus der Vase, welche auf der Toilette des Prinzen stand, eine halbverwelkte Rose nahm, „ich sage, daß es schon spät ist und daß wir eilen müssen, wenn wir beim Souper noch zurecht kommen wollen. Prinz, Sie werden wohl heute nach dem Goûter noch das Glück haben, die Frau Gräfin von Platen zu sehen?“

„Natürlich! Aber wie kommst Du zu der Frage, Philipp?“

„In diesem Falle würde ich Sie ersuchen, Monseigneur,“ fuhr Philipp fort, indem er dem Prinzen mit einem lustigen Lächeln die Rose reichte, „der Gräfin diese Rose in meinem Namen zu übergeben.“

„Bah!“

„Ja. Es gilt eine Wette, Prinz.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Leipziger Großhandels-Haus.

Wenn der nordamerikanische Trapper seine im fernen Westen erbeuteten Felle verhandelt, der sibirische Zobel- und Hermelinfänger die Frucht seiner mühseligen Arbeit abliefert, der Seehund- und Seeottern-Jäger aus den Süd- und Nordpol-Regionen den Ertrag seiner Expedition heimführt und der Mischling in Chili der Chinchilla auflauert: da ahnt Keiner von Allen, daß sie in einem fernen Mittelpunkte Deutschlands, den die Meisten von ihnen kaum dem Namen nach kennen, sich durch ihre Erzeugnisse gegenseitig die Hände reichen werden. Und die elegante Welt in Petersburg und Paris, Turin und New-York, welche im Glanze ihrer theuern Pelze aus allen Theilen der Erde prunkt, weiß ebensowenig, daß es vor Allen dieselbe deutsche Stadt ist, die den größten Theil der civilisirten Welt mit diesem gediegensten und ersehntesten Schmucke aller Fashionablen versorgt, und durch den eigenen Geschmack in der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_580.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)