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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

No. 39.   1862.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Sophie Dorothea.

eine Hofgeschichte.

(Schluß.)



8. Eine Effectscene.

Eine lichte Sommernacht lagerte über den Häusern der Stadt und über den Bäumen des Parkes wie der durchsichtige Schleier über der Wiege eines schlafenden Kindes.

An der entlegensten Pforte des Parkes hielt ein gedeckter Wagen, mit zwei kräftigen Rappen bespannt. Durch die Heckengänge schritt ein schlanker, hochgewachsener Mann, welcher sich raschen Schrittes jener Pforte näherte. Manchmal warf er einen besorgten Blick auf die hellerleuchteten Fenster des nördlichen Flügels, wo sich die Appartements des Kurfürsten befanden und wo zahlreiche Schattenumrisse hin- und hergehender Personen anzeigten, daß das kleine Spiel Ernst August’s an diesem Tage besuchter sei als je.

Und obwohl Königsmark – denn er war es – oft stehen blieb und nach rückwärts blickend lauschte, so bemerkte er doch nicht, daß ihm drei Männer folgten, welche stillstanden, sobald er stillstand, und weiterschritten, sobald er sich wieder in Gang setzte.

„Teufel!“ flüsterte Prinz Georg seinen Gefährten zu. „Es scheint, daß Philipp heute kein Schäferstündchen bei Frau von Nassau hält; wo zum Teufel mag er dort hinschleichen? Es war ein guter Gedanke von uns, ihm zu folgen, als er so plötzlich vom Spiele verschwand. Jedenfalls haben wir ein herrliches Abenteuer zu erwarten. Still! hält dort nicht ein Wagen?“

„Ja,“ flüsterte der schöne Hurtig leise lachend. „Ein Reisewagen.“

„Eine Entführung in optima, forma!“ kicherte Illisch. „Ich hätte nie gedacht, daß Frau von Nassau noch eine so ernste Leidenschaft einflößen könne –!“

„Nein, nein!“ rief Georg, indem er mit Mühe ein lautes Gelächter unterdrückte. „Das müssen wir verhindern! Wir müssen den armen Philipp aus den Zauberbanden dieser Madame Tartüffe retten! Ich begreife ihn nicht! Die Nassau entführen!“

Jetzt kehrte Philipp um und kam zurück.

„Rasch in’s Gebüsch!“ rief Illisch, und die drei Cavaliere zogen sich rasch hinter eine dichte Hecke zurück, um den Grafen von Königsmark – welcher, nachdem er sich von dem Vorhandensein des Wagens überzeugt hatte, nach dem Schlosse zurückschnitt – passiren zu lassen.

„Jetzt holt er gewiß die Liebste!“ lachte Georg, als der Graf vorbei war. „Nun schnell zum Wagen, ich habe einen charmanten Plan!“

Die Drei eilten durch die Gitterthüre, und Georg faßte den erschreckten Kutscher, welcher neben seinen Pferden stand, am Kragen.

„Was willst Du hier mit Deinen Pferden, Schuft?“ rief er mit gedämpfter Stimme. „Was bedeutet diese heimliche Auffahrt?“

„Gnade, Durchlaucht!“ flehte der Kutscher, welcher mit Entsetzen an der Stimme des Sprechenden den schlimmen Prinzen Georg erkannte. „Gnade! Ich bin unschuldig!“

„Das will ich Deinem dummen Gesichte wohl glauben!“ sagte Georg. „Nichtsdestoweniger sollst Du windelweich geprügelt werden, wenn Du uns nicht offen gestehst, wen Du erwartest und wohin Du fahren sollst. Im Falle Du ein aufrichtiges und vor Allem rasches Geständnis; ablegst, sollst Du diesen vollen Beutel da erhalten.“

„Ich weiß wahrhaftig nicht, wen ich fahren soll,“ ächzte der Diener, indem er die Börse mit seinen jammervollen Blicken liebkoste. „Mein Herr …“

„Der Graf von Königsmark, nicht wahr?“

„Ja. Mein Herr also sagte mir, es würden um die zehnte Stunde zwei Damen in den Wagen steigen, welche ich bis zur Villa Walden führen solle. Dort wolle er uns erwarten und mir neue Befehle geben.“

Georg berieth sich lachend mit seinen Cavalieren.

„Das geht prächtig!“ rief er endlich, indem er sich wieder an den Kutscher wandte. „Höre, Bursche, Du verräthst vor Allem kein Wort von dem, was hier vorgefallen ist, sondern läßt die Damen, sobald sie ankommen, ganz ruhig einsteigen. Statt sie aber nach der Villa Walden zu führen, führst Du sie im raschesten Galopp nach dem Hotel der Frau von Platen. Verstanden?“

Der Kutscher nickte und streckte seine Hand nach dem Beutel aus.

„Gut. Du, Illisch, bleibst hier und siehst zu, daß Alles geschieht, wie ich es angeordnet habe. Mir däucht, ich sehe dort unten im Laubgange zwei weibliche Gestalten. Schnell fort, Hurtig, zur Platen, um sie auf den improvisirten Besuch der Frau von Nassau vorzubereiten! Haha! Ich bin ihr diese Revanche wohl schuldig, der armen Gräfin, die von dieser vermeintlichen Tugendheldin stets verächtlich behandelt wurde. Das giebt einen herrlichen Spaß – allons, aber still!“


Ein so fröhliches Gelächter hatten die Wände des Boudoirs der Frau von Platen schon lange nicht wiederhallt. Selbst die Alabasterlampe auf dem Tische schien mitzulachen. Die Gräfin saß lachend und in die Hände klatschend in ihrem Fauteuil und umarmte von Zeit zu Zeit den Prinzen, welcher eben im Begriffe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_609.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)