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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

hinten nach dem Bergeskamme vor und schaute sich die Gesellschaft unten an. Die Weibchen schienen bedenklich zu sein, eben wegen der Hunde, die alten Herren versuchten sie zu beruhigen, schlugen aber doch wüthend mit der einen Hand auf den Felsen aus, gleichsam zum Warnungszeichen für die Hunde, denen sie wahrscheinlich andeuten wollten, was geschehen würde, wenn sie es wagen sollten, den Frieden der Gesellschaft zu stören. Diese Affen waren einiger Vorberge wegen außer aller Schußweite; als wir aber um die nächste Wendung des Thales herumbogen und den Berg, welchen wir jetzt von vorn betrachtet halten, nun auch von hinten zu sehen bekamen, bemerkten wir zu unserer nicht geringen Ueberraschung, daß die eigentliche Hauptmenge der Heerde hier sich niedergelassen habe. Der Bergzug fiel hier senkrecht in das Thal ab, und an dieser senkrechten Wand saß auf schmalem Gesimse eine ununterbrochene Reihe von mindestens noch 120 Pavianen. Die waren höchstens 400 Fuß hoch über uns und lockten denn doch gar zu sehr zur Jagd; wenigstens aus ihrer behäbigen Ruhe wollten wir sie aufstören. Die Büchsen wurden vorgenommen und nach der Stelle gerichtet, wo die meisten Affen zusammensaßen. Ich hatte mir ein altes Männchen auserwählt, bemerkte aber schon beim Zielen, daß ich es schwerlich treffen würde, eben weil die Entfernung für unsere Jagdbüchsen immer noch eine zu große war.

Der Schuß donnerte durch das Thal, und sein Echo wurde, wie überall in dieser Schlucht, von hundert Felsen wiedergegeben; aber der vielfache Knall wurde von einem tollen Lärmen, welcher sich im Augenblick des Schusses erhob, so vollständig übertäubt, daß wir ihn selbst kaum hörten und von dem Echo entschieden Nichts vernahmen. Alle Laute, welche nur aus einer Raubthier- oder Schweinekehle herauskommen können, hallten von den Felsen herunter. Dabei quiekten die jüngeren fürchterlich, und die besorgten Mütter kreischten voll Mitgefühl laut auf. Aber es blieb’ nicht beim Schreien, Grunzen, Brüllen, Brummen und Quieken allein; sondern die ganze schöne Affenguirlande, welche an dem Felsen hing, kam noch in andere Bewegung. Die Kugel mochte wohl recht nahe neben dem ausgesuchten Männchen an den Felsen geklascht sein und diesem doch eine gewisse Achtung vor den Fremdlingen da unten eingeflößt haben; kurz, die ganze Kette setzte sich in Bewegung. Sie trat eine Flucht an, welche mir zum ersten Male klar machte, was Gebirgsteigen besagen will. So klettert doch kein Wiederkäuer! Ich sah wenige Tage später den berühmten Klippspringer, hier „Sassa“ genannt, seine Gemsenkünste mir vormachen; allein das war ein Spiel gegen den ernsthaften Weg, welchen jetzt die Affen zurücklegten. Das Felsengesims war vielfach unterbrochen, und die Hamadryadenreihe mußte oft aufwärts und dann wieder abwärts klettern oder umgekehrt. Diese Schwierigkeiten des Weges überwanden die Thiere mit einer Geschicklichkeit, welche nur noch durch ihre Kühnheit übertroffen wurde. Sie sprangen ohne Besinnen 10 bis 15 Fuß von einem Absatze der senkrechten Felswand zum andern; sie ruschten an derselben hinab, indem sie sich aufstemmten und Hände und Füße gleiten ließen, bis sie wieder einen Anhaltspunkt hatten, dann griffen sie augenblicklich zu und hoben den Körper, welcher, wie ich bei mehreren sah, durch die Wucht des Sturzes förmlich herumgeschleudert wurde, ruhig und gelassen wieder empor, als ginge der Weg auf ebener, gebahnter Straße dahin. Ehe ich noch die ganze Reihe hatte übersehen können, fiel ein Schuß aus dem Rohre meines Freundes und Begleiters, des Holländers Van Arkel d’Ablang. Er brachte eine geradezu lächerliche Wirkung hervor. Jeder Affe erfaßte augenblicklich nach dem Knalle die Felsenwände, als fürchte er, durch die Erschütterung herabgeschleudert zu werden. Dann ging die Flucht mit erneuter Eile weiter, wenn auch selbstverständlich nicht mit der Schnelligkeit, mit welcher Affen sonst flüchten können. Ein so kluges Thier bedenkt sich wohl auf Wegen, wo jeder Fehltritt unvermeidlich den Tod zur Folge hat. Wir luden unsere Gewehre von Neuem und feuerten noch vier oder fünf Schüsse ab, wie es schien, sämmtlich ohne Erfolg. Die Angst der Affen steigerte sich zuletzt zu wahrem Entsetzen, und vergeblich bemühten sich die alten Stammeshäupter, Ruhe und Ordnung unter ihre Schutzbefohlenen oder besser Sklaven und Sclavinnen zu bringen. Endlich war auch der letzte Affe hinter den Bergen verschwunden, und nur noch von fern her hörten wir das Knurren und Brummen zu uns hertönen. Wir bestiegen unsere Maulthiere wieder und ritten weiter.

Zu unserer nicht geringen Ueberraschung begegneten wir der Heerde zum zweiten Male und diesmal unter ungleich günstigeren Bedingungen als früher. In Folge der allgemeinen Aufregung wegen des vielen Schießens war im hohen Rathe der Alten beschlossen worden, die linke Thalwand mit der rechten zu vertauschen, und wir fanden die ganze Bande eben beschäftigt, den Uebergang zu bewerkstelligen. Ein guter Theil war schon drüben und brummte und grunzte im Gebüsch; die Hauptmasse jedoch war noch zurück. Jetzt war der rechte Augenblick für unsere Hunde gekommen; sie konnten ihren Muth zeigen. Augenscheinlich überrascht, betrachteten sie die fremdartigen Wesen; sie glaubten offenbar, es mit Geschwisterkindern irgend einer Hyäne oder eines sonstigen nächtlichen Schleichers zu thun zu haben, welcher mit unerhörter Frechheit bei hellem lichten Tage zu zeigen sich erkühne. Nur einen Augenblick stutzten sie; dann sprangen sie mit freudigem Bellen los und mitten unter die Herde. Aber sie wären eben so schnell zurückgekehrt, als sie hineilten, wenn – dies nur gegangen wäre. Zornfunkelnden Auges und unter wüthendem Brüllen hatten die Affen sie empfangen, und augenblicklich war ein Kreis um die Angreifer geschlossen. Noch schien man auf beiden Seiten ungewiß, was zu thun. Der Muth der Hunde war sehr abgekühlt worden. Sie sahen die fürchterlichen Gebisse in nächster Nähe und mochten doch wohl bedenken, daß ihre Zähne gegen jene Hauer nichts ausrichten könnten. Die Affen waren entschieden zu ungleiche Gegner, und ich begann schon für unsere Hunde zu fürchten, als diese mit einem Paar von jenen Sätzen, wie sie nur ein Windspiel zu machen im Stande ist, über einen ihrer Angreifer wegsprangen und, ohne von der ihnen schnell nachfolgenden Hand des nunmehr übermüthigen Feindes ergriffen zu sein, glücklich aus dem Kampfgewühl entrannen. Sie kehrten ziemlich kleinlaut zurück und ernteten von uns auch noch Schelt- und Schimpfworte wegen ihrer Feigheit.

Anfänglich versuchten wir vergebens, sie wieder auf die Affen zu hetzen; allein die Umstände änderten sich, und unsere Hunde schöpften neuen Muth. Sogleich nach zurückgeschlagenem Angriff nämlich waren die Hauptführer der Heerde vollends über das Thal weggegangen und außer einigen Schwachen und den anderen Starken, welche noch auf der linken Thalwand saßen, kein Streiter zu bemerken. Da wagte sich ein wahrscheinlich erst vor Kurzem der Beaufsichtigung der Mutter entwachsener Affenjüngling in das Thal hernieder, jedenfalls in der Absicht, den Vorausgegangenen nachzufolgen. Augenblicklich stürzten sich die Hunde auf ihn, und er hatte eben nur noch Zeit, einen herabgerollten hohen Block zu erklimmen, als seine Feinde bei ihm anlangten. Sie stellten ihn so vortrefflich, daß wir uns schon der Hoffnung schmeichelten, ihn in unsere Gewalt zu bringen, und uns soviel als möglich beeilten, auf dem Kriegsschauplätze nunmehr selbsthandelnd aufzutreten. Der doppelt geängstigte junge Affe schrie Zeter, gerade als ob er schon die Zähne der Hunde in seinem Balge verspüre. Wir kamen näher und näher. Unsere Hoffnung wuchs, und – dennoch wurde sie nicht erfüllt.

Stolz und würdevoll, ohne sich im Geringsten zu beeilen oder sich um uns zu kümmern, trat aus dem gegenüberliegenden Dickicht des rechten Ufers ein gewaltiger männlicher Hamadryas hervor. Langsam ging er über das Thal hinweg, ruhig an den Hunden vorüber, mit einem Satze war er oben beim andern. Dieser sprang voll Freude auf seinen Rücken, wurde aber durch eine sofort ihm gereichte Ohrfeige bedeutet, daß der alte Herr nicht gesonnen sei, ihn auch noch zu schleppen, und schmiegte sich nun nur noch ängstlich an seinen Beschützer an. Wir hätten diesen bequem erlegen können; aber für ein so muthvolles Thier hatten wir keine Kugel in unserer Büchse. Unsere Spannung war viel zu groß, als daß Jagdgedanken hätten aufkommen können. Wir mußten sehen, was der Affe beginnen würde; denn die Hunde standen noch immer unten am Felsblock. Unser Held handelte viel einfacher und verständiger, als wir gedacht hatten. Er stieg ruhig vom Felsblock herunter und ging wutschnaubend auf einen der Hunde los. Der prallte zurück; sein Schützling benutzte diesen günstigen Augenblick, war im Nu unten bei ihm, und nunmehr zogen beide ruhig, der Alte im Bewußtsein seiner gewaltigen Stärke, der Junge im Gefühl des ihm gewordenen Schutzes, über das Thal hinweg, und die Hunde standen verblüfft und hatten das Nachsehen.

Wir drangen nun zwar in das Dickicht ein und feuerten noch einige Schüsse nach dem einen und dem anderen, welcher sich sehen ließ; aber die Heerde war mittlerweile schon so weit an dem Berge hinaufgegangen, daß wir sehr bald von der Jagd abstanden.

Am zweitnächsten Tage kamen wir mit einer anderen Heerde

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_639.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2022)