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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

schloß also ganz richtig, daß die im Hinterhalt liegenden Verschworenen keinen Widerstand finden würden. Es ward nun ein nächtlicher Hauptangriff der Oesterreicher gegen die preußische Front verabredet, zu gleicher Zeit sollten die im Stadtwalde auf der Lauer liegenden Verschworenen durch das Fenster von hinten, durch keine Wache, die auf der andern Seite des Hauses stand, gehemmt, einbrechen. Mit ihnen sollte ein starkes, feindliches Commando das Haus umzingeln, die Wachen niedermachen und das Dorf anzünden. In der Verwirrung war es dann gewiß sehr leicht, sich der Person des Königs zu bemächtigen und die ihres Heldenhauptes beraubte Armee später zu vernichten. Mißlang der Streich, so setzte sich die österreichische Armee keiner großen Gefahr aus, denn sie konnte leicht in die Gebirge sich zurückziehen, ebenso war es den Verschworenen ein Leichtes, durch die Gründe und Hohlwege zu entkommen und das Dörfchen Pagarth zu erreichen.[1].

Der sehr gut angelegte Plan sollte am 30. November Nachts zur Ausführung kommen. Am 29. hatte der König noch den Baron von sämmtlichen Lieferungen befreit und ihn Mittags zur Tafel gezogen. Der Jäger Kappel mußte am 28. einen Ritt zu den österreichischen Vorposten thun und einen Brief direct an den Hauptmann Wallis abgeben; man hatte ihm gesagt, der Hauptmann wolle dem Baron eine neue Sendung ungarischen Weins zukommen lassen. Jetzt wurde Kappel äußerst unruhig. Wem aber sollte er sich entdecken? Alle Beweise fehlten ihm. Unter solchen Sorgen kam der 29. November, ein Sonntag, heran. Der Baron ritt schon früh mit Kappel nach Strehlen, dinirte beim Könige, spielte nach der Tafel mit den Officieren und machte einen Spazierritt in die Umgegend, in Gesellschaft des Markgrafen Karl und des Herrn von Krusemark. Später verkehrte er mit verschiedenen Officieren in sehr eifrigem Gespräche und blieb bis zwölf Uhr Nachts in Strehlen.[2] Kappel wartete mit den Pferden vor dem Hause des Königs. Er zitterte vor Kälte. Es war ihm aber anbefohlen, jedes Geräusch zu vermeiden. Der Mond schien hell und zeichnete die Schatten der vorüberziehenden Patrouillen scharf auf den Erdboden. Endlich erschien der Baron und rief nach den Pferden. Er war so lange bei dem Rath Eichel gewesen. Warkotsch und Kappel ritten dicht hinter des Königs Quartier weg; sie bemerkten Licht im Schlafzimmer des Monarchen.

(Schluß folgt.)


Blätter und Blüthen.

Zur Beachtung. Wir lernen nie aus, und je mehr wir uns in der Welt umsehen, desto mehr Erfahrungen sammeln wir und finden – überall auf dem Erdball zerstreut – eine ganze Menge von Dingen, die wir theils selbst benutzen, oder an denen wir uns doch ein Beispiel nehmen können. In unserer Zeit besonders sollte aber Alles dankbar beachtet werden, was dazu dienen könnte, dem Staate – unabhängig von den widerhaarigen Kammern – eine neue und reiche Einnahme zu sichern, und ich möchte hier deshalb eine lange noch nicht genug bekannte Thatsache aus dem brasilianischen Staatsleben mittheilen.

Die brasilianische Regierung verfügt, wie bekannt, über eine große Anzahl von Decorationen der verschiedensten Art, von denen sich einige besonders durch Pracht und Umfang auszeichnen. Haben sie doch selbst schon glückliche und stolze Träger in Deutschland gefunden, das sonst auch nicht arm an diesem Schmuck genannt werden kann. Aber es scheint, daß in Brasilien die Verleihung eines Ordens nicht, wie in Deutschland, nur an den strengen Maßstab des wirklichen Verdienstes gebunden ist – denn wer hätte in Deutschland wohl schon einen Orden bekommen, und nicht auch verdient ihn zu tragen? – sondern die Orden und Decorationen werden dort als eine Quelle der Staatseinnahmen betrachtet, und nur die Verwendung dieser Gelder ist höchst eigenthümlicher Art. Wie mir das Nachstehende überall in Brasilien selber bestätigt wurde, so sagt Dr. Mello Moraes in seiner vierhändigen Corographia do Imperio do Brasil Band II. in Note 2) zu Seite 499, welches in der Uebersetzung ungefähr so lautet: „Es ist allgemein bekannt, daß in dem Secretariat der Santa Casa da Misericordia eine Tabelle existirt, nach der Ehrentitel und Orden des Kaiserreichs Brasilien an Alle verkauft werden, die sie kaufen wollen. Sie kosten: Barontitel 10–15 Contos,[3] mit Grandeza 30, Commandant da Rosa 4–6 Contos – de Christo 4; Officiers 3 Contos – einfacher Adel 1 Conto zum Besten des Hospiciums für Wahnsinnige, genannt Pedro II.

Die Sache ist nun außerordentlich einfach. Die bestehende Liste sagt, daß Titel und Orden zu einem gewissen, ziemlich hohen Preis abgelassen werden, bei dem der Freiherrntitel mit „grandeza“ sogar bis dreißig Contos, also 15,000 Dollars angegeben steht. – Bei meinem Aufenthalt in Rio wurden mir übrigens billigere Preise genannt, die auch möglicher Weise in letzter Zeit können ermäßigt sein (obgleich das Buch des Dr. Moraes die Jahreszahl 1859 trägt). – Der gewöhnliche Adelstitel sollte dem Bericht nach 1 Conto, der Officiersrang 4 und der Comthurorden 10 Contos kosten. Das aber bleibt sich gleich, und wir kommen hier zu der erfreulichen Thatsache, daß die Verwendung dieser Gelder zum Besten des Irrenhauses Pedro II. an der wundervollen Bai von Rio – bestimmt ist.

Welche Betrachtungen lassen sich nicht daran knüpfen, und als ich es zuerst hörte, fiel mir unwillkürlich die Schillerstiftung ein, bei der sich junge Schriftsteller betheiligen, um im Alter eine Versorgung zu haben. Jene ganze großartige Anstalt soll von den derartig eingegangenen Geldern erbaut sein und auch noch jetzt erhalten werden. Könnten wir daraus nun für Deutschland nicht auch etwas profitiren? Die Orden bringen unsern deutschen Fürsten allerdings auch schon jetzt, wenn auch nur indirect, einen gewissen Nutzen, indem diese durch eine Kleinigkeit eine Menge von goldenen Dosen, Diamantnadeln, Ringen, Medaillons etc. ersparen. Durch Aufstellung einer festen Tabelle mit Preisangabe ließe sich das aber ja noch viel besser und sicherer reguliren, und was die Verwendung der eingehenden Gelder betrifft, so könnten ja auch wir – aber ich möchte mit meiner Ansicht nicht aufdringlich erscheinen, und es wird besser sein, das den betreffenden Oberstellen selbst zu überlassen. Jedenfalls hielt ich diesen kleinen ethnographischen Beitrag zur Charakteristik Brasiliens für interessant genug, um dafür in der Gartenlaube einen Raum zu erbitten.

Fr. Gerstäcker.


Kleiner Briefkasten.

C. Sch. in B. Bewahren Sie sich Ihre „Liebe zum deutschen Vaterlande und Verehrung für alle Verfechter deutscher Freiheit, Tugend und Ehre“, aber muß denn der Ausdruck Ihrer Verehrung mit aller Gewalt in Versen geschehen? Und Kinkel, der Vielbeschäftigte, dem jede Minute des Tages zugemessen ist, soll das Alles lesen? So hart straft man Niemanden, dem man Dank bezeigen will.

Die in Nr. 29 abgedruckte physiognomische Aufgabe ist von den Meisten richtig als das Bild einer süddeutschen Majestät errathen worden. – Die übrigen Auflösungen, die in dem Bilde den König Johann – Major Serre – Saphir – Lamartine – Gesanglehrer Michler – wiederfanden, sind also falsch.


  1. Aus den Verhörsacten des Jägers Kappel, Bl. 131. Fol. 72
  2. Verhörsacten des Jägers Kappel. Fol. 170.
  3. Ein Conto de Reis = 500 Dollars.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_800.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)