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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


etwa des Schaltanzes, ungraziös werden alle orientalischen Tänze auch von den Europäern gehalten werden müssen. Während derselben angebrachte Kunststücke, Verdrehungen des Körpers, Purzelbäume u. s. w. können das Interesse daran nicht erhöhen. Seiltanzen ist den Persern ebenfalls gänzlich unbekannt. Ueber schmale Stege passiren aber Sumpf- und Bergbewohner leicht und sicher. Was das Schwimmen anlangt, so sind, bei dem Mangel größerer Flüsse, die Perser darin sehr schlecht beschlagen. Die wenigen Gilaner, welche sich über dem Wasser zu halten vermögen, schwimmen nicht, sondern pudeln eine kurze Strecke entlang, aber nie in grundlosem oder in sehr bewegtem Wasser. Auf dem Rücken sah ich keinen Perser schwimmen. Wassertreten kennen sie auch nicht. Die in Afrika geborenen Schwarzen schwimmen meist auf dortige Manier, indem sie Wasser tretend mit den Armen abwechselnd weit ausgreifen, was, wenn auch rascher, als unser gewöhnliches (preußisches Frosch-) Schwimmen, nicht lange aushält. Bei uns pflegt man dieses Schwimmen mit der Bezeichnung „griechisches“ zu belegen. Im Rudern, Steuern und Segeln haben es die Perser nicht weiter gebracht, als ihre Vorfahren, und sie sind hierin mit den Tataren und Turkmanen, besonders aber mit den sehr gewandten Kalmücken, gar nicht zu vergleichen. Auch führen sie noch die schwerfälligen Schiffchen und die herzförmigen Ruder der classischen Zeiten. Die Perser besitzen wohl erbliche Admirale, aber keine Flotte, und für sie im Allgemeinen mehr, als für Andere, hat das Wasser keine Balken. – Schlittschuhlaufen ist bei Eismangel gänzlich unbekannt, ebenso Schlittenfahren. Wagen- und Kanonenfahren wird sehr wenig geübt. Ihr Reiten halten die Perser zwar für das beste in der Welt, allein es taugt nur etwas hinsichtlich der Ueberwindung bedeutender Terrainhindernisse und der Ausdauer, worin sie jedoch von ihren vortrefflichen Pferden noch übertroffen werden. Wie erbärmlich sie als Soldaten sind, ist den europäischen Exercirmeistern bekannt. Reihe und Glied sind ihrer Natur zuwider. Schießen können sie wohl, treffen aber nur, wenn sie einen festen Stützpunkt haben; dann aber zielen sie sehr sicher. Fechten wird nicht geübt. Mit ihrem geraden Kame stechen sie besser, als sie hauen, mit den krummen Säbeln aber können sie es mit keinem europäischen halbwegs guten Cavaleristen aufnehmen. Die persische Artillerie kann, wie die türkische, nur hinter festen Verschanzungen gefährlich werden.

Meines Wissens findet sich bis jetzt noch in keinem europäischen Reisewerke über Persien eine Beschreibung des persischen Turnens, und es dürfte geradezu auffällig erscheinen, daß selbst der bekannte Chevalier Chardin, der in seinem bändereichen Reisewerke die persischen Verhältnisse bis in’s Kleinste verfolgt hat, die Gymnastik der Perser als solche gänzlich übersehen zu haben scheint, wenn man nicht einen Grund dafür darin vermuthen könnte, daß doch erst die neuere Zeit dem Turnen überhaupt die Beachtung hat zu Theil werden lassen, die es verdient.


Aesthetische Briefe für’s Haus.
1. Die Welt des Schönen.


Wenn uns das Leben müde macht mit seiner vielgestaltigen Arbeit und Sorge – den Mann durch die Anstrengungen des Berufs, die Frau durch die tausend kleinen Mühen und Pflichten, welche sie der Ordnung und dem Behagen des Hauses schuldet –: so sehnen wir uns nach dem Frieden einer reineren, höheren Welt, die uns Erquickung bietet und Stärkung zu neuen Anstrengungen. Denn das Leben ist ein Kampf, der unablässig an uns nagt und zehrt, der uns hinabzuziehen droht in die Trostlosigkeit des Kleinen und Gemeinen, wenn uns eine zeitweise Flucht nicht rettet in jenes ideale Reich, das über der Wirklichkeit liegt und ihrem verwirrenden Getöse, – in das Reich des Schönen. Dort kommen wir wieder zur Sammlung und Ruhe, dort kehren mit den zerstreuten Lebensgeistern Muth und Vertrauen zurück. Wie ein Wanderer sich der kühlen, grünen Waldnacht freut, zu welcher er sich stundenweit durch den Staub und Sonnenbrand geräuschvoller Straßen hindurcharbeiten mußte, so fühlt sich die ermüdete Seele erquickt in der stillen Einsamkeit der idealen Welt. Diese Zuflucht ist Niemandem verwehrt, der sie aufsuchen will; sie ist kein Phantom, kein Wahn und Traum, wie Manche wähnen mögen, sondern klare, sonnglänzende Wirklichkeit. Freilich ist jene Welt ein „Wunderland“, wie die Schönheit selbst ein Wunder und Geheimniß ist; aber an ihrer Existenz kann nur zweifeln, wer das falsche Ideal einer flüchtigen, phantastischen Begeisterung mit dem wahren, aus tiefer, reifer Weisheit des Dichters entsprungenen verwechselt, das jeden Augenblick im Fleisch erscheinen und leben und athmen könnte, wie ein sterbliches Geschöpf. Was die erhabensten Geister aller Zeiten Großes und Herrliches hervorgebracht, was die Poesie geschaffen und die Künste gebildet haben, das wandelt und lebt in jener reichen Welt: es sind die in schönen Schein gekleideten ewigen Ideen – wahrer und lebensvoller, als die dem Wechsel und der Unvollkommenst unterworfenen irdischen Dinge. Den Griechen lag die Welt des Schönen nah und erschlossen vor Augen; sie gehörte mit zu ihrer sichtbaren Welt, und sie selber fühlten sich mitten darin; uns aber, die wir älter und verständiger geworden, ist sie fern gerückt. Der Ernst des Gedankens, der Zweifel, der Kampf mit dem Irdischen hat uns geschieden von jener heitern, vollkommen glücklichen Welt. Aber es giebt einen Weg dorthin, und diesen Weg wollen wir suchen.

Da die Brücke von hier dort hinüber in uns selbst Anfang und Befestigung findet, so können wir nicht von dort, wir müssen von hier, von uns selber ausgehen. Die Kunst zu leben verlangt viel Aufmerksamkeit, viel Geduld, Beharrlichkeit und Selbstverleugnung. Wenn man aber jeweilig sieht, daß man gegen die Beschränktheit, den bösen Willen oder die Gewöhnlichkeit vergeblich kämpft, und fühlt, wie man da und dort die Fehler, die man an Andern tadelt, selber gemacht und in der Uebereilung oder Leidenschaft verkehrt und thöricht gehandelt: so wird man verstimmt und verdrossen und hält in solchen Augenblicken das Leben für eine Last und das irdische Dasein für eine Kette von Ungemach. Zu Andern Zeiten dagegen ist unsere Stimmung freier, unser Geist heiterer und elastischer: das Schwere wird uns leicht und das Trübe und Verworrene klar. Was vordem für unser Verständniß keinen Zusammenhang hatte, gewinnt auf einmal Form und Gestalt vor unsern Augen; mit der helleren Einsicht wird auch unser Urtheil über die Menschen milder und gerechter. Gewiß erinnerst Du Dich auch solcher Sonnenblicke am Lebenshorizont – einzelner Tage und Stunden, welche Dich in der Arbeit rascher förderten, als sonst Wochen und Monate. Was solche glückliche Stimmungen herbeiführt, ist nicht bekannt; es mögen theils innere, theils äußere Verhältnisse, sowohl bürgerliche als geistige Veränderungen als Ursachen zu Grunde liegen. Oft ist es eine heitere Gesellschaft am vorhergehenden Abend, oft auch die Consequenz des ernsten Fleißes, so daß das Wort Goethe’s: „Tages Arbeit, Abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste“ allerdings aus der Erfahrung stammt. Wenn wir aber in solchen Momenten eines gesteigerten Gemüths- und Geisteslebens schärfer sehen, wärmer empfinden und uns im ganzen Besitz all unserer Anschauungen und innern Erfahrungen fühlen, so schwinden die Nebel, welche jene höhere Welt uns verhüllten und in die Ferne rückten, und das Reich des Schönen tritt um so näher an uns heran, je empfänglicher wir für den Lichtstrahl geworden, der von dort zu uns herüber dringt. Es giebt noch einen andern Weg, die Brücke hinüber zu bauen, welcher ebenfalls von diesseits beginnt: die lebhafte Empfindung für das Naturschöne – von dem wir später umfänglicher zu reden haben. Ein kurzer Gang in’s Freie, oft nur ein Blick, der uns ein wenig Himmel, ein wenig Grün und ein Stückchen Ferne gestattet, reichen schon hin, die gestörte Harmonie der Seele herzustellen, alle Differenzen aufzulösen und das Gemüth wieder rein zu stimmen. Dann aber hören wir die „Harmonien“, die aus dem „Wunderland“ herüber klingen, und in den Saiten unserer Seele klingen sie leise nach.

Im Reiche der Schönheit begegnen wir jenen wunderbaren Gebilden, welche, von der Hand der Meister, der Poeten und Künstler, geschaffen, in unwandelbarer Jugend prangend, der Sterblichen Auge und Ohr entzücken und ihre Seele erheben über die Dürftigkeit dieser unvollkommenen Welt. Es sind die verkörperten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_030.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2016)