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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Neigung des Fußes würde der Gummizug um die Knöchel noch mehr fördern, derselbe muß daher hier wegbleiben. Die Sohle darf nicht gerade sein, sondern nach innen schwach gekrümmt in der Richtung des Fußes. Die Absätze, die gewöhnlich von einem solchen Fuße schief nach außen abgetreten werden, müssen breit, nicht hoch, und nach außen etwas erhöht sein.

Genügt dies nicht, das Uebertreten des Fußes zu verhindern, so muß der äußere Rand durch einen untergeschobenen Lederstreifen erhöht werden. Das Leder selbst sei möglichst weich, da solche Füße sehr empfindlich und leicht verletzbar sind.

Die Ueberbeine, es sind gewöhnlich festgewordene Ausschwitzungen der Fußgelenke, die an solchen Füßen am häufigsten vorkommen, müssen durch besondere Ausbuchtungen am Stiefel geschützt werden.

Bei der Fußform Nr. 4, die gewöhnlich der wohlhabenderen Classe angehört, ist die Schonung des Fußes durch die Bekleidung um so leichter, als der Besitzer einen großen Stiefelvorrath für die verschiedenen Verrichtungen des Fußes halten kann, wie beispielsweise besondere Stiefeln – mit dem entsprechenden Stoff – für die Stadt und andere für das Land, und ebenso für die Jagd und den Tanz, die Promenade und den Marsch; eine Einrichtung, die, wenn auch nicht dem Geldbeutel, so doch der Fußpflege ebenso förderlich ist, wie der Handpflege die sorgfältige Benutzung der Handschuhe.

Wir müssen überhaupt für den Fuß dieselbe Sorgfalt, wie z. B. das häufige Waschen empfehlen, die wir der Hand so gern angedeihen lassen; denn beide Glieder haben von Natur denselben Bau und dieselbe Wichtigkeit, und erst beide zusammen drücken unsere körperliche Vollendung aus, wie wir auch sprachlich eine äußere Vollendung mit den Worten bezeichnen: das Ding hat Hand und Fuß. Wie wir ferner auf die Nägel der Finger sorgsam achten, so sollten wir auf die der Zehen aufmerksam sein, um die üblen Zufälle von gekrümmten und eingewachsenen Fußnägeln zu verhüten. Am besten wird das regelmäßige Wachsen der Fußnägel begünstigt, wenn der Stiefel eine nach der Natur abgezeichnete Sohle, keine zu große Zuspitzung nach vorn und einen niedrigen Absatz hat, wodurch wir einerseits verhüten, daß durch eine widernatürliche Zusammenpressung die Nägel in die Haut hineingetrieben, und andererseits, daß die ganze Arbeit des Fußes nach vorn verlegt würde, wie es bei den Hufthieren der Fall ist, mit denen wir jedoch nicht concurriren dürfen, ohne körperlichen Schaden zu nehmen.

Je schöner der Fuß, desto einfacher sei der Stiefel, und die Kunst des Schuhmachers besteht darin, daß er die größte Rechnung zu tragen weiß – nicht gerade seinen Kunden – sondern der Einzelnatur des Fußes; der verständige Schuhmacher zeigt auch bei seiner Fußarbeit, daß er Kopf hat.

Dr. J. Landsberg.


Kleine amerikanische Sittenbilder.

Nr. 5. Ein Paar Rasirmesser.

Wir waren noch nicht lange erst im gelobten Lande Amerika angekommen; glücklicherweise aber hatten wir in einem deutschen Arzte, welcher bereits alle Stadien der Acclimatisation, körperlich wie geistig, längst durchgemacht, einen theilnehmenden Rathgeber gefunden und verbrachten die Abende meist in seiner Gesellschaft, mit offenen Ohren und Herzen seinen Schilderungen über die Eigenthümlichkeit des neuen Vaterlandes horchend. Es war an einem Abende, an welchem mehrere mit anwesende Amerikaner unsern Freund über seinen vollen, wilden Bart geneckt, der damals in den Vereinigten Staaten noch etwas ganz Ungewöhnliches war, und als wir uns endlich zu unserm gewöhnlichen kleinen Kreise, Jeder hinter ein Seidel ausgezeichnetes Lagerbier, zusammensetzten, schüttelte unser Landsmann mit einem ganz eigenthümlichen Lächeln den Kopf. „Das wäre eine Geschichte für Sie – ich meine, die mit meinem Barte zusammenhängt,“ sagte er; „sie hat mich zu gleicher Zeit zum alten Junggesellen gemacht!“ und als er unsere aufleuchtenden Gesichter – denn was er auch erzählte, war wunderbar anregend – wahrnehmen mochte, trank er langsam sein Glas halb leer und ließ dann, wie nachdenklich, das Licht in dem goldhellen Glanze des Bieres spielen. „Ich kann Ihnen sagen,“ begann er, „daß das deutsche Lagerbier ein wahrer Heiland für die Amerikaner geworden ist. Erst seit sie ihm Geschmack abgewonnen haben, beginnt die Branntweinpest, gegen die sich alle Mäßigkeitsvereine umsonst abgemüht haben, zu weichen. In den heißen Sommern wird das Eiswasser, wie es hier, wo es nur Wasserleitungen, aber keine Brunnen giebt, getrunken werden muß, zu Gift für den Körper, und so wurde es stets mit Whiskey oder Cognac versetzt; erzeugte dadurch aber auch eine Gewöhnung an starke Spirituosen, die das Delirium tremens oder den Säuferwahnsinn als etwas ganz Gewöhnliches erscheinen ließen. – So hatte ich unter den Familien, bei welchen ich Hausarzt geworden war, einen ältlichen, reichen Gentleman, Mr. Davis mit Namen, zum Patienten, bei welchem sich ein leichter Anfall dieser Dyskrasie regelmäßig alle sechs bis acht Wochen wiederholte, von welchem er indessen, Dank seiner kräftigen Constitution, unter sorgfältiger Pflege und Diät immer in zwei bis drei Tagen wieder genas. Er wohnte mit einer Nichte und einem Neffen zusammen in einem hiesigen Hotel, wie dies kleine amerikanische Familien, welche kein Haus machen wollen, oft thun, und meine Krankenbesuche hatten mich der Nichte, einem liebenswürdigen Mädchen, so weit genähert, daß ohne besondere Erklärung ein Verständniß sich zwischen uns entwickelt hatte, welches jedenfalls in einer formellen Verlobung geendet haben würde, wenn nicht die Ereignisse einer merkwürdigen Nacht dazwischen getreten wären.

Es war eines Abends, schon spät, als ich von der genannten Dame die Botschaft erhielt, daß der Onkel einmal wieder „seine böse Zeit“ habe, daß seine Freunde im Hotel nicht mit ihm fertig werden könnten und ich mich doch baldigst einstellen möge. Ich säumte natürlich nicht und fand sie in dem allgemeinen Parlor ängstlich meiner wartend; ihr Bruder, erzählte sie, sei verreist und der Kranke unter lauter oberflächlichen Bekannten, die ihn zu beruhigen strebten, in seinem Zimmer. Dorthin, im dritten Stocke, wandte ich mich also und fand außer dem Geschäftsführer des Hauses verschiedene andere Personen, die sich bemühten, ein nicht enden wollendes Gelächter des Kranken, wozu Leute in diesem Zustande oft geneigt sind, zu dämpfen und ihn selbst auf einem Stuhle niederzuhalten – freilich mit keinem andern Erfolge, als daß die Aufregung des Patienten sich mit jeder Minute nur mehr steigerte.

Meine erste Sorge war, das Zimmer von allen Anwesenden, bis auf den Geschäftsführer des Hotels, welcher mir in derartigen Fällen schon hülfreich zur Seite gestanden, zu säubern und dann, obgleich mir der Zustand des Mannes aufgeregter als jemals zuvor erschien, meine gewöhnliche Behandlungsweise anzuwenden. Als er mich erkannte und meine ruhige Stimme hörte, begann sich bereits sein krampfhaftes Lachen zu legen, und bald bequemte er sich auf mein Zureden auch, sich in seinen Kleidern, wie ich ihn gefunden, auf das Bett niederzulegen. Ich setzte mich an seine Seite und suchte ein kaltes, vernünftiges Gespräch mit ihm anzuknüpfen, ein Mittel, das ihn früher immer am schnellsten beruhigt hatte. Ich will hier sogleich erwähnen, daß die einzige Thür des Zimmers, welche nach dem Haupt-Corridor führte, sich neben dem Kopfende des Bettes befand.

Viel schneller, als ich gehofft, schien sein Irresein und seine rastlose Aufregung sich zu verlieren, und ehe eine halbe Stunde vorüber war, lag er so ruhig mit geschlossenen Augen auf seinem Rücken und athmete so regelmäßig, daß ich schon glaubte, mich über die Heftigkeit seines Anfalles getäuscht zu haben, und diese nur den vorhergegangenen unglücklichen Beruhigungsversuchen zuschrieb. Ich bat also auch den Geschäftsführer, sich hier nicht länger unnöthig aufzuhalten; wir verabredeten indessen, daß ich vor meinem Weggange in seinem Zimmer vorsprechen sollte, damit er, wenn nöthig, während des Restes der Nacht meinen Platz am Krankenbette einnehme. Zugleich trug ich ihm auf, Miß Davis über den Zustand ihres Onkels zu beruhigen.

Eine halbe Stunde noch mochte ich den Patienten, der im ruhigsten Schlafe zu liegen schien, beobachtet haben, dann erhob ich mich, um zu gehen. Mein Hut lag auf einem Stuhle am Fenster; kaum hatte ich aber den ersten Schritt danach gethan und dem Daliegenden den Rücken gekehrt, als ich ein Krachen der Bettstelle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_073.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)