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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Almenrausch und Edelweiß.
Aus dem bairischen Hochgebirge.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Die Gesellschaft folgte schweigend Evi’s Einladung und aß schweigend. Der Jäger saß neben dem Maler, denn die Sennerin hatte die Kriegslist gebraucht, den Bauernburschen in die Ecke des Heerdes zu postiren, so daß sie eine Art Feuermauer zwischen den grollenden Gegnern bildete.

„Nichts für ungut,“ unterbrach Gaberl nach einiger Zeit das unheimliche Schweigen, indem er sich entschädigend gegen Reinthaler wendete. „Sie glauben nit, was wir Jäger auszustehen haben! Es muß in der ganzen Welt kein solches Wildschützen-Nest geben, wie die ganze Ramsau. Keine Stunde ist unser Einer seines Lebens sicher … es ist kein Wunder, wenn es Einem dabei heiß aufsteigt!“

„Es ist freilich schlimm,“ entgegnete der Maler, „wenn der Sinn der Ungesetzlichkeit so sehr überhand genommen hat, aber begreiflich und entschuldbar bleibt es bei alledem, wenn die Bewohner einer so wildreichen und einsamen Gegend den Lockungen der Jagd nicht widersteh’n! Seh’n ihnen doch die Hirsche beinahe zu den Fenstern hinein! Es wird schwer halten, sie davon abzubringen, und mit der bisherigen Strenge wird es wohl am wenigsten gelingen!“

„Womit sonst?“ erwiderte der Jäger. „Man soll die Bauern wohl noch obendrein recht schön bitten, sie möchten doch so gut sein und das Wildern bleiben lassen?“

„Das nicht – aber man muß ihnen durch Belehrung das Unrechtmäßige, das Gesetzwidrige ihrer Handlungsweise begreiflich machen und die Strafen mindern. Bei einem Vergnügen, wie das Wildern, ist die strenge Strafe keine Abschreckung: sie ist eine Gefahr und darum noch ein Reiz mehr!“

„Warum nit gar! Für einen Wilddieb kann gar keine Strafe zu streng sein!“ grollte der Jäger. „Wenn’s mir nachginge, ich ließ sie heut’ noch auf Hirsche schmieden und todthetzen!“

„Eben deswegen,“ entgegnete Reinthaler ernst, „ist es gut, daß nicht, wie in frühern Zeiten, uns’re großen Herren bloße Jäger sind und daß daher nicht mehr die Jäger allein die Jagdgesetze machen! – Wie jetzt die Sachen steh’n, ist der Unglückliche, der sich zum Wildschießen hat verleiten lassen, wenn er dem berechtigten Jäger begegnet, in einer Art von Verzweiflungs-Zustand. Er hat nur die Wahl zwischen einer entehrenden langjährigen Strafe, die ihn und seine Angehörigen ruinirt, und zwischen einem noch größern Verbrechen, das ihm vielleicht Sicherheit und Straflosigkeit verschafft. Daher dieser immerwährende Krieg zwischen Jäger und Wildschütz, dieser stete Kampf auf Tod und Leben … Eine geringe Strafe würde der Mann ruhig über sich nehmen und das Handwerk zuletzt mit der Gefährlichkeit seinen Reiz verlieren!“

„Bilden Sie sich so was nicht ein,“ erwiderte der Jäger gereizt. „Da kenn’ ich die Bauern besser! Leben muß man unter ihnen, Herr Reinthaler, leben wie Unsereiner … Sie seh’n dieselben nur wie im Feiertaggewand! Aber es ist gut, daß es mit den geringen Strafen noch seine guten Wege hat!“

„Hoffentlich nicht mehr lange,“ war des Malers Antwort. „Die Zeit ist nicht mehr fern, in welcher man einen Menschen höher anschlagen wird, als einen Hasen! Dann wird man sich mit dem nöthigen Schutze des Wildes begnügen, und Bauer und Jäger werden sich vertragen!“

„Das sind ja recht schöne Grundsätz’!“ sagte Gaberl noch giftiger. „Da ist es kein Wunder, daß die Bauern stützig werden, wenn die Stadtleut’ so daher reden! Hoffentlich bin ich nimmer auf der Welt, wenn das geschieht!“

Der Jäger hatte seinen kurzen Pfeifenstummel angebrannt und qualmte seinen Zorn in mächtigen Rauchwolken aus; Mentel, der zuerst nicht übel Lust gehabt hatte, sich in’s Gespräch zu mischen und dem Jäger nach seiner Weise heimzugeben, unterließ es jetzt und sah mit Behagen auf Reinthaler; sein halb eifersüchtiger Unmuth gegen den Maler begann zu weichen, weil er für Bauern und Wildschützen so warm das Wort genommen. Jedes von den Anwesenden war eine Weile mit seinen eig’nen Gedanken beschäftigt, und ein minutenlanges Schweigen ruhte auf der Gesellschaft, daß man den Wasserquell hereinplätschern hörte, der draußen im Mondenschein in den Brunnentrog niederströmte.

Niemand ward Kordel gewahr, die schon einige Augenblicke an der Thüre stand und die gekreuzten Arme auf das Halbgitter der Thür stützend die Hütte überblickte. Sie hatte jetzt das Kopftuch abgenommen und sah so noch schöner, wenn auch noch blässer aus. Ein Streifen des Feuers reichte bis an ihr Gesicht und das rothe Busentuch ihres Mieders; die Umrisse ihrer Gestalt waren dunkel und hoben sich kräftig von dem grünlich-klaren Mondhimmel ab, der durch den unverdeckten Theil des Thürraumes sichtbar war.

„Hat Eins die Füß’ über’s Kreuz,“ rief sie endlich lachend, „daß Ihr Alle da sitzt, als wenn Ihr auf’s Maul gefallen wär’t? Das muß ich sagen, wegen der Lustigkeit ist es schon der Müh’ werth, daß man auf den Scharten-Kaser in’ Heimgarten geht!“

„Nur geschwind herein, Du lustige Gesellin!“ rief der Maler aufspringend. „Du kommst eben recht, um uns auf and’re Gedanken

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_177.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)