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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Theile, zwischen Hüfte und Brustkasten. Jedenfalls muß sich der Brustkasten im zugeschnürten Leibchen so weit als nur möglich durch tiefes Einathmen ausdehnen können.

Bei der Wiederkehr der Schmerzen sind warme Breiumschläge auf die Lebergegend zu appliciren. Blutegel, Schröpfen, Senfteige und spanische Fliegen sind unnütze Quackeleien.

Noch muß bemerkt werden, daß durch diese von fest geschnürten Schnürleibchen und von den Unterrocksbändern veranlaßte Verkrüppelung der Leber auch die Thätigkeit dieses gallebereitenden Organs gestört wird, also die Reinigung des Blutes von unbrauchbaren Stoffen, die Verjüngung des Blutes und die Verdauung benachtheiligt wird. Die beistehenden Abbildungen zeigen den Unterschied zwischen einer gesunden Mannsleber und einer verkrüppelten Frauenleber.

Bock.



Der verbannte Häuptling.
Eine Reise-Erinnerung.

„Da ist Pembina,“ rief unser stattlicher Führer aus und parirte seinen Rappen, daß das Thier fast kerzengrade auf den Hinterfüßen stand; „noch einen scharfen Ritt von einer Stunde, und wir sind da!“ Ein willkommener Ruf für unsere kleine Cavalcade, denn wir hatten die letzten 200 Meilen durch ein unwegsames, menschenleeres Land in weniger als vier Tagen zurückgelegt, ohne länger als einige Stunden des Nachts zu halten. Athemlos standen unsere Thiere am Rande des hohen Prairieplateau’s, und es bedurfte der Sporen, um das im schönsten Sonnenschein daliegende Ziel unserer Reise in der gegebenen Frist zu erreichen. Pembina! liebliche Idylle des Nordwestens! gewiß haben wenige deutsche im alten Vaterlande deinen wohlklingenden Namen gehört, und doch wird es nicht lange dauern, bis das Pfeifen der Locomotive und das Schnauben der Dampfer dir die Freuden und Leiden der Civilisation einimpfen wird. Ursprünglich ein Fort der weitherrschenden Hudsonbay-Compagnie, hat der Platz vermöge seiner überaus schönen und günstigen Lage am Nord-Redriver und dicht an der Grenze von Minnesota, Dacota und dem britischen Gebiete jetzt schon eine commercielle Bedeutung erlangt, da die zahlreichen Pelzhändler, welche die weiten Strecken bis zum Eismeer durchziehen, hier ein großes Depot angelegt haben und von den Kaufleuten des Ortes viele ihrer Bedürfnisse beziehen.

Trotz der Grenzstreitigkeiten zwischen der britischen Regierung und den Verein. Staaten haben die Ansiedler beider Parteien sich hier immer gut vertragen und nach echt angelsächsischer Weise ein Selfgovernment gestiftet, dessen Gesetze von dem Volke um so williger befolgt werden, als sie gerade aus dieser Urquelle aller gesetzgebenden Gewalt stammen. Die Umgegend ist paradiesisch schön, und trotz der nördlichen Lage (49 Grad nördl. Br.), gedeihen hier fast alle Feldfrüchte Minnesota’s und Wisconsins, und der goldene Weizen giebt Ernten, die einen preußischen Landesökonomiecommissär in Erstaunen setzen würden. Einen noch viel bedeutenderen Aufschwung wird Pempina nehmen, wenn erst die neuen Goldminen, welche am Saskatchawanflusse weiter westlich entdeckt wurden, mehr ausgebeutet werden, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die nördliche Hälfte der Felsengebirge an ihrer Ostseite unendlich reich an diesem edlen Metalle ist.

Nichts konnte die freundliche Aufnahme übertreffen, welche uns in diesem entfernten Winkel der Erde zu Theil wurde; Jedermann bemühte sich, uns gefällig zu sein, und für alle Gastfreundlichkeit verlangte man Nichts als die letzten Neuigkeiten aus den Staaten; war doch seit drei Wochen keine Post angekommen! Man riß sich um die paar veralteten Zeitungen, welche wir von St. Paul mitgebracht hatten, und der Bericht über die Schlacht von Solferino (es war gerade zur Zeit des italienischen Kriegs) wurde gierig verschlungen. Unter dem Haufen, welcher sich dicht vor der Niederlage der großen Pelzcompagnie versammelt hatten, wo wir unser Absteigequartier genommen hatten, zeichnete sich ein kurzer dicker Mann dadurch aus, daß er, heftig gesticulirend, den Hinterwäldlern die Ursache und den Zweck des Krieges in schlechtem Englisch zu erklären suchte. Ich erkannte ihn sofort für einen Deutschen und gab mich als Landsmann zu erkennen, worüber er eine große Freude äußerte, da er seine Muttersprache Jahre lang nicht gehört hatte. Er nahm mein Pferd am Zügel, indem er mich bat, sein Gast zu sein, und führte mich zu seinem Blockhause, in welchem er eine Masse verschiedener Waaren und Getränke feil bot. Bei näherer Erkundigung erfuhr ich, daß mein Wirth, aus Frankfurt a. M. gebürtig, bei dem Aufstande 1849 betheiligt gewesen war und in Folge davon hatte flüchten müssen. Auf welche Weise ihn nun die hochgehenden Wellen der Revolution nach Pembina an die Grenze der Civilisation verschlagen hatten, wäre zu weitläufig zu erzählen.

Mein guter Frankfurter, der trotz des Bundestages noch immer für seine Vaterstadt schwärmte, stellte mir sogleich seine beiden Kinder vor, einen schwarzäugigen Knaben und dito Mädchen von zimmtfarbigem Teint, die die Indianische Mutter nicht verleugnen konnten. Er hatte sie nach heimischer Sitte „Schampetist“ (Jean Baptiste) und „Babettchen“ taufen lassen, und diese beiden Namen, welche in der schönen Mainstadt so populär sind, machten in der That hier am Nord-Redriver einen fast possirlichen Eindruck. Nach beendigtem Mahl führte mich mein Wirth in den kleinen Garten hinter dem Hause und zeigte mir mit Stolz eine Anzahl junger Apfelbäume, welche er mit eigener Hand gepflanzt hatte. „Nächstes Jahr,“ rief er aus, „werden sie tragen, daß es eine Lust ist, und dann will ich einen Aepfelwein machen, wie ihn kein Bockenheimer Wirth besser schenkt, und wenn der Schampetist die Bäumchen wieder plündern will, soll sein brauner Rücken dafür zahlen.“ Nun sage Einer, daß die Welt nicht fortschreitet, wenn man in Pempina, mitten zwischen den Trappern und Indianern, an einem heißen Sommertage seinen Durst mit kühlem Cider löschen kann.

Schon längst hatte ich gewünscht, einmal das Missionswesen unter den Indianern kennen zu lernen, und hier bot sich eine ausgezeichnete Gelegenheit dazu dar, denn weiter abwärts am Fluß, im englischen Gebiete, hatte ein katholischer Priester mit großer Selbstaufopferung eine Anstalt der Art angelegt, die sich eines ungewöhnlichen Gedeihens erfreuen sollte. Ich miethete deshalb ein Canoe und engagirte einen tüchtigen Halbblutindianer, der mit der Fahrt auf dem Flusse vertraut war. Da die Strömung außerordentlich reißend ist, so legten wir die 40 Meilen rasch zurück, fast zu rasch, weil die Gegend wunderbar schön ist.

Bei unserer Ankunft fanden wir die ganze Bevölkerung der Mission auf der Prairie versammelt, welche sich von der Höhe des Bluffs, wo die Kirche steht, nach dem Strome herunter zieht. Vater B. aus Mecheln, der liebenswürdige Vorstand der Station, empfing mich herzlich inmitten seiner rothen Kinder und lud mich ein, den festlichen Spielen der Indianer beizuwohnen. Es war gerade erster Pfingsttag, und der kluge Missionär, nachdem er Morgens Gottesdienst und Schule abgehalten, beaufsichtigte nun die athletischen Spiele seiner Pflegebefohlenen, weil, wie er sagte, diese ohne seine Gegenwart häufig einen gar zu wilden Charakter annehmen würden.

„Den abscheulichen Scalptanz abzuschaffen, ist mir gelungen, dafür begünstige ich das Drachenspiel, was ich früher auf der Hochebene von Quito, als ich dort stationirt war, kennen lernte und hier eingeführt habe. Es ist so ein echtes Spiel für Leute, die Indianeraugen haben. Schauen Sie nur.“ Aus der Menge traten jetzt zwei junge Männer hervor, so daß sie freien Spielraum hatten, und ließen jeder einen großen, nach chinesischer Weise geformten Drachen steigen. Die Zuschauer machten bereitwillig Platz, und die beiden Indianer manövrirten nun mit einer immer wachsenden Schnelligkeit über die Wiese, um sich den Wind abzugewinnen, während die beiden Drachen zu einer Höhe stiegen, wo ein europäisches Auge die Bewegungen kaum verfolgen konnte. Mehrere Male kreuzten sich hoch oben die Schnüre, und die beiden Spieler entfernten sich rückwärts schreitend von einander, stets darauf bedacht, mit ihrem Bindfaden einen Druck und Zug auf den des Gegners auszuüben, bis die scharfe Klinge eines Federmessers, welche ungefähr 20 Fuß unterhalb des Drachens an der Schnur befestigt ist, mit der der andern Partei in Berührung kommt und dieselbe durchschneidet, so daß das papierne Ungeheuer mit einem Saltomortale zu Boden schießt, während die Freunde des Siegers ein lautes Triumphgeschrei ausstoßen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_217.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)