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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Rindertypus giebt es auch streng genommen nicht einmal, wohl aber drei besondere, streng von einander abgegrenzte und von den Viehzüchtern mit besonderer Vorliebe vor Vermischung geschützte Hauptracen. Die erste dieser Racen ist der prächtige, auf den auswärtigen Viehausstellungen so sehr bewunderte Simmenthaler Schlag, im Simmenthal, der Landschaft Saanen und in einem Theile des Kantons Freiburg hauptsächlich verbreitet. Doch treten auch in jeder der eben genannten Arten noch leicht bemerkbare, charakteristische

Meister Braun in einer Alpenviehheerde.
Nach einer Originalzeichnung von H. Jenny.

Nüancen hervor. Das Simmenthaler Vieh ist meist weiß und rothgelb gefleckt, während dasjenige aus dem Kanton Freiburg mehr eine schwarz und weiße Färbung aufweist. Der ganze Schlag aber zeichnet sich durch einen prachtvollen Wuchs aus, ist weit im Auslande berühmt, erreicht durchschnittlich ein Gewicht von 5–6 Ctr., und ein charakteristisches Merkmal dieser Race ist ein kurzer, dicker, ochsenartiger Kopf. An Milchergiebigkeit steht sie über allen andern Racen, und übertrifft darin namentlich die ebenfalls weithin berühmte dunkelbraune Schwyzerrace, deren Mastochsen oft ein fabelhaftes Gewicht erreichen, so daß zuweilen Bursche von 3000 Pfund geschlachtet worden sind. Aehnlichkeit mit diesem Schlage hat auch derjenige von Appenzell, denn die Färbung ist fast dieselbe, jedoch erreichen die Kühe dieser Gattung nicht die Größe der erstgenannten. Weitere unbedeutendere Racenunterschiede aufzuzählen, würde uns hier zu weit führen. Im Allgemeinen kann angenommen werden, daß da, wo das Vieh auf steilen oder gar über der Holzgrenze liegenden Alpen seine Existenz fristen muß, seine Größe abnimmt, während es dagegen an Intelligenz, Klettergewandtheit und Muth sichtlich gewinnt. Selbst auf diese anscheinend nicht sehr hoch stehende Thiernatur wirkt der Hauch der Gebirgsluft, die ewige Nähe der Gefahr ähnlich, wie auf das Wesen des verwegenen Geisbuben, der sich über schwindelnd tiefem Abgrunde auf den schwanken Aesten einer Legföhre schaukelte und dem später der Pfarrer darüber eine ernste Mahnung zugehen ließ, die mit den Worten schloß: „Schau, Seppi, hätte Dein Schutzengel Dich nicht behütet, so hättest Du leicht Deinen Uebermuth mit dem Leben büßen können.“ „Oha, Herr Pfarrer,“ gab der kecke Taugenichts dem Geistlichen zur Antwort, „so weit hinaus wie ich wagt sich der Schutzengel nicht!“

Die Alpenkühe, fast ganz auf sich selbst angewiesen und von den Besitzern nur wenig gepflegt, wissen gar trefflich Bescheid in den Gebirgslabyrinthen, die ihnen zum Aufenthalte angewiesen sind, jede Quelle, jedes Wassertümpelchen ist ihnen bekannt, wenn sie ihren Durst löschen wollen, und sie verfehlen nie um die regelmäßige Zeit des Melkens sich auf die Lockstimme der Hirten auf dem Melkplatze einzufinden. Freilich wissen sie auch, daß sie um diese Stunde vom Sennen eine Hand voll Salz zu lecken bekommen, was für sie ein besonderer Schmaus ist. Besonders fein ist die Witterung der Kühe bezüglich der nahenden Hochgewitter, sowie sie auch mit großer Vorsicht die gefährlichen Stellen meiden und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_373.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)