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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

deren Contrast sehen, als den eines solchen Colonistendistricts mit dem zur Seite liegenden unheimlichen Hochmoore.

Eine schönere, erfreulichere und nützlichere Eroberung hat die Civilisation der Neuzeit wohl nirgends zu Stande gebracht, als in der Beseitigung der nordwestlichen deutschen Hochmoore und in ihrer zauberhaften Umwandlung von Wüsten zu lachenden Fluren. – Wie bei den vom Meere bedräuten Marschen die Deiche, so waren hierbei umgekehrt, wie gesagt, die Canäle die vornehmsten Zauberstäbe und die Seele des ganzen Unternehmens. Beide Erfindungen, die des Deiches wie die des Canales, sind von den Holländern ausgegangen und von ihnen oder von denen, welche ihnen nachahmten, durch die ganze Niederung zwischen Schelde und Elbe aus ausgebreitet worden.

Es ist bemerkenswerth, daß wir den Marschen-Deich und seine zauberischen Wirkungen in den Marschen zuerst gehabt, den Moorcanal aber erst viel später erhalten haben. Schon zur Römerzeit gab es Deiche in Batavien, und auch alle unsere deutschen Marschen waren längst eingedeicht und blühend, als in unsern Mooren, wegen der fehlenden Canäle, noch alles Leben schlummerte, stockte und faulte. Die Holländer begannen mit Entwässerung, Canalisirung und Bebauung ihrer Moore und mit Anlegung ihrer Fehncolonien erst im 16. Jahrhunderte. Im folgenden 17. Jahrhunderte rückte diese Cultur zuerst in den nordwestlichsten Zipfel von Deutschland, in Ostfriesland ein, und erst seit dem 18. Jahrhunderte fing man in Nachahmung der Ostfriesen und Holländer auch im „Teufelsmoore“ und in den anderen Morästen zwischen Weser und Elbe sich zu rühren an.

Zum Theil gingen die Impulse dazu von den Regierungen aus, – auch erwachte der Associationsgeist, und den Regierungen stellten sich Gesellschaften zur Seite, – aufopferungslustige und unermüdlich eifrige Männer traten als Reformatoren auf, wie der genannte Findorff im Teufelsmoor, – aber fast jedes Moorland hat so seinen Findorff erzeugt. Ohne die kräftig helfende Hand eminenter Geister und starker Vergesellschaftungen wäre die Sache nicht in Gang gekommen, und die Hüttenbewohner hätten, wie die Moose der Moore, in ihren elenden Zuständen noch Jahrhunderte lang, wie zu der Chaukenzeit, fortvegetirt.

Indem ich, wie gesagt, am folgenden Tage durch die Dörfer Huttenbusch, Neu St. Jürgen, Otterstein, Mooringen, Lünighausen, Westerwehe wandelte, kehrte ich zu Zeiten bei den guten Leuten ein und ließ mir von ihnen erzählen, wie ihr Vater oder Großvater als ein armer Hüttenbewohner mit einer Kuh oder mit ein paar Schafen ausgesetzt, wie weit er anfangs für diese Thiere das spärliche Gras und Heu zusammengesucht, wie mühselig er erst den Buchweizen, dann seine Kartoffeln und endlich ein kleines Getreidefeld cultivirt habe, – wie ihm dann der Canal zu Hülfe gekommen, und wie nun der Torf kräftig weggeschafft, ausgeräumt und verhandelt worden sei, wie dadurch die Capitalkräfte sich gemehrt und gestärkt hätten, und mit ihnen dann die Heerde, die Stallungen, das Wohnhaus und der Acker so erweitert und gewachsen wären, wie ich sie jetzt im Besitze des Enkels sähe.

Nach einer allgemeinen seit frühesten Zeiten hergebrachten Gewohnheit haben unsere niedersächsischen Bauern, wie in ihren alten westphälischen Dörfern, die Möser in seinen patriotischen Phantasien geschildert hat, auch in diesen neuen Colonien ihre Gehöfte in weiten und gemächlichen Abständen neben einander gelegt und haben sie mit frischen Gehölzen von Eichen und anderen Bäumen, unter denen die hellfarbigen Wohnungen hervorschimmern, umgeben. Hier im Teufelsmoore haben sie vielfach die Mode, das Balkenwerk der Häuser mit einer recht muntern blauen Farbe, und das Gemäuer dazwischen mit glühendem Roth zu überziehen, und dies giebt zwischen dem schattigen Grün der Bäume recht freundliche Contraste.

In den meisten dieser weitläufigen Gehöfte wohnen jetzt wohlhabende Bauern. Und Nothleidende, Dürftige findet man in solchen Moorcolonien – selbst in den kleineren Häusern kaum. – Das Getreide stand überall in schönster Fülle, und da, wo sonst kein Häschen hinreichende Nahrung für sich fand, waren jetzt die Halme so lang, daß, wie einer der Bauern sich ausdrückte, ein Mann sich aufrecht in’s Feld stellen und die Aehren sich über dem Kopfe zubinden könnte. – Die Wiesen, über die sonst die Irrlichter tanzten und anderer Spuk, denen das Teufelsmoor seinen Namen verdankt, sein Wesen trieb, waren jetzt mit völlig befriedigten und schmucken Wiederkäuern reichlich bedeckt.

Da man in den Mooren meistens nicht Alles ganz bis auf den tief liegenden Untergrund herabgraben darf, vielmehr noch ein wenig von dem ursprünglichen Moore liegen lassen muß, um das Land über dem Niveau der Flüsse und ihrer Ueberschwemmungen zu erhalten, so blickt überall, wo er nackt gelassen wurde, jener alte braune Untergrund noch zwischen dem auf diesen Canevas eingesticken Teppiche der Aecker, Gärten und Gehölze hervor. Das ganze heitere Bild schwimmt noch gewissermaßen in dem alten braunen Rahmen, der überall auf den Wegen, an den Gräben, in der Ackerkrume, im Staube des Landes sich zu erkennen giebt. Auch stehen noch überall neben den freundlichen Häusern, wie Trümmer oder Ruinen eines noch nicht völlig niedergerissenen Gebäudes, dicke hohe Blöcke des alten Hochmoores selbst, die zuweilen ein paar Morgen im Umfang haben.

Diese schwarzen, auf den Seiten regelrecht abgeschnittenen Torfbänke nehmen sich recht wunderlich und fremdartig in der so heiter umgestalteten Umgebung aus, zu der sie nicht mehr passen wollen. Es sind die Brennstoffmagazine der Bauern, die nun ganz sparsam damit umgehen, und sie vorsichtig beschneiden und benutzen, wie ein Stück Rindenrest, von dem man das Brod bereits verbrauchte.

Die Oberfläche dieser Bänke ist mit sorgfältig getretenen und sauber zerschnittenen Torfkuchen, wie ich sie oben beschrieb, bedeckt. Und zu den Seiten der grade abgestochenen Mauern sind, wie eine Raritätensammlung, die alten Wurzelstöcke und Baumäste, die man als Ueberreste untergegangener Wälder in den unteren Schichten des Moores fand, in Reihe und Glied aufgestellt. Die Leute ziehen sie aus dem Moorgrunde hervor, putzen sie aus, lassen sie mit ihren Torfkuchen trocknen und verbrauchen sie als Brennholz.

Alle hiesigen Bauern, die ich über dies merkwürdige Fossil sprach, waren mit dem Umstande bekannt, daß man viele der alten Stämme aus der Tiefe herauszöge, die vom Feuer angebrannt und verkohlt seien, und erwähnten mir desselben als eines Beweises, daß einst lange vor ihnen und auch noch vor der Bildung ihrer Torfmoore ein untergegangenes Geschlecht von Menschen auf dem Untergrunde existirt, gehaust, geheizt, gebraten und gekocht haben müsse. Ich brauche nicht zu sagen, daß es sehr bekannt ist, daß unsere Moräste auch noch sonst die Sammelplätze vieler anderer Antiquitäten sind, die auch auf solche alte Urbewohner hindeuten.

Im Ganzen, kann man sagen, hat der Mensch auf dreierlei Weise und in drei großen Perioden in diesen Moorgegenden gewohnt. Zuerst, ehe es Moore gab, in unvordenklichen Zeiten als Jäger in dichten Wäldern auf dem niedrigen trocknen Grunde, – darauf schon zu Zeiten der Römer, nachdem die Wälder in dem aufgestauten Wasser verschlungen und die Sumpfpflanzen vermodert und aufgeschichtet waren, auf den Hochmooren, in den „Huttens“ als armseliger Torfbauer und Haidschnuckenschäfer, – dann wieder seit 100 Jahren nach Wegräumung der Moore auf dem geputzten, gedüngten und von Neuem bewaldeten Untergrunde als wohlhäbiger Ackerbauer zwischen Kornfeldern und künstlich bewässerten Wiesen.




Zum Nationalturnfest in Leipzig.


Die Tage, da sich Deutschlands turnende Jugend auf den ewig denkwürdigen Fluren der Leipziger Völkerschlacht festlich versammeln wird, rücken immer näher heran, und das ganze Vaterland nimmt Theil an einer Feier, wie so groß und mächtig lange keine begangen worden ist von Menschenkindern. In der That, das dritte allgemeine Fest der deutschen Turner gewinnt eine Ausdehnung, die selbst die hochfahrendsten Erwartungen weit übertrifft; das gute Leipzig, das in seinen geschichtlichen Erinnerungen wohl manchen Zusammenstoß gewaltiger Kriegerschaaren aufzuzählen hat, wird diesmal wahrhaft überflutet werden von einer friedlichen Volksmenge, zu Tausenden und Abertausenden werden die deutschen Stammesgenossen einziehen in die festliche Stadt, um auf dem Schauplatze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_475.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2018)