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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Die Leiche des Ministers Schwarzenberg.
Historische Episode von Georg Hiltl.

Anno 1641 den 4. Monat ist weiland der hochwürdige, hochwohlgeborne Herr, Herr Adam Graf zu Schwarzenberg, des ritterlichen St. Johanniterordens in der Mark, Sachsen, Pommern und Wenden Meister, des königlichen Ordens St. Michaelis in Frankreich Ordensritter, Herr zu Hohenlandsberg und Gimborn, Churfürstlich Brandenburgischer Statthalter in der Chur-Mark, Geheimter Rath und Oberkammerherr auf der Vestung Spandow, in Gott seelig entschlafen und hier in dieser Kirche beigesetzet.

R. I. P.

So lautet die Inschrift eines Epitaphiums, welches man in der St. Nicolaikirche zu Spandau bei Berlin in dem Gange vor der sogenannten Ribbeckischen Gruft gewahrt. Unter diesem Steine ruhte ein Mann, der in wilder Zeit ein sorgenvolles Leben geführt, einen Staat gelenkt, einen Fürsten beherrscht hatte; dessen Name verlästert und verwünscht, mit Flüchen vereint genannt wurde, dem es nicht vergönnt war, die Ruhe des Grabes zu genießen, denn selbst den Stein, der den Eingang seiner Ruhestätte bildete und verdeckte, hat man hinweggerissen; die Leiche ist unter den Quadern zu Staub geworden, welche der kothige Fuß der Kirchenbesucher tritt, und heut weiß Niemand recht mehr zu sagen, wo Schwarzenberg, der mächtige Minister, hinabgesenkt ward, selbst die Votivtafel ist an fremder Stelle eingemauert. Ohne sie wüßte man vielleicht gar nicht, daß der Entschlafene hier seine ewige Stätte gefunden.

Schwarzenberg ist ein verhängnißvoller Name für die Geschichte Preußens. – In der Brüderstraße (Nr. 1.) zu Berlin steht noch heute ein stattliches Gebäude, welches dereinst dem gefürchteten Minister zu eigen war. Von hier aus gingen seine Machtsprüche. Der Graf Schwarzenberg hatte mehr Feinde, als wohl jemals ein Staatsbeamter aufweisen konnte. Es gab keine Art von Schändlichkeit, deren man ihn nicht für fähig gehalten hätte. Vieles ist ihm angedichtet worden, Vieles übertrieben. Wer so unumschränkt in der Macht dagestanden, hatte nothwendigerweise die furchtbarsten Verantwortungen übernommen, und nach seinem Tode haben bis auf die neueste Zeit geistvolle Schriftsteller ihn verdammt, sorgsame Durchsucher der Archive dagegen allerlei aus dem Staube der Acten hervorgebracht, was zur Rechtfertigung für ihn dienen sollte und konnte.

Ist nun auch den Freunden greller Malerei so manches Motiv für die Darstellung eines verhaßten Ministers genommen, es bleibt genug übrig, um Schwarzenberg’s Charakter in einem sehr zweideutigen, ungünstigen Lichte erscheinen zu lassen.

Freilich war die Zeit, in welcher sein Wirken stattfand, eine furchtbare. Der dreißigjährige Krieg fand in Brandenburg einen schwachen Fürsten, Georg Wilhelm. Freie Hand behielt der Minister, dessen Schritte der Fürst stets billigte und guthieß. Nur feige und halbe Maßregeln bezeichneten die Laufbahn Schwarzenberg’s. Im Jahre 1640 sahen die Bürger Berlins ihre Vorstädte in Flammen auflodern, weil der Oberste Stahlhans mit einer Abtheilung schwedischer Truppen sich näherte. Ohne Widerspruch betrieb sogar der Minister die Brandschatzungen der kaiserlichen Besatzungen, welche dem Berliner und Teltower Kreise in sechzehn Monaten 300,000 Thaler kosteten.

Minister eines protestantischen Fürsten, war Schwarzenberg in der Zeit des Glaubensstreites katholisch geblieben, ein Freund und Rathgeber des Kaisers, also Gustav Adolph’s Todfeind, der dem Grafen alles Unheil zuschrieb, welches über Brandenburg gekommen. „Dieser Niger (Schwarze),“ sagte der König, „bringt alles Elend über seinen Herrn. Die Brandenburger sollten den Grafen fenestriren oder ihm den Hals entzwei schlagen.“ – So sprach Gustav zu den Abgesandten im Jahre 1627.

Steuern, welche sich in der Folge nicht rechtfertigen ließen, schrieb der Minister aus. Durch die Straßen Berlins rollte der „Pfandwagen“, wie man ihn nannte, der den Bürgern das Hab und Gut wegnahm, um es zum Verkaufe zu fahren. Begleitet wurde dieses traurige Fuhrwerk von einer Schaar händeringender Weiber und jammernder Kinder, welchen man ihr Bestes genommen, um die Contributionen zu zahlen, und die laute Verwünschungen gegen den Minister ausstießen.

Gegen diese Maßnahmen galt kein Einspruch. Schwarzenberg – oder der Kurfürst – es war Eine handelnde Person. Ein Nicken des Kopfes, und der mächtige Graf hatte entschieden. – Sein Gehalt betrug nur 2300 Thaler, aber er erwarb ungeheuere Besitzthümer. Wie? Schwarzenberg machte wucherische Geschäfte. Er benutzte die Geldverlegenheiten des Kurfürsten, der Beamten, ja selbst der Städte und lieh Summen gegen Verpfändung von liegenden Gründen. Damit keine Art der Verdächtigung ihm erspart würde, ging im Volke das dumpfe, im Auslande laut nacherzählte Gerücht umher: Schwarzenberg sei ein Giftmischer; er habe dem jungen Kurprinzen zwei Mal nach dem Leben durch Gift getrachtet; es sei ein Meuchelmörder gedungen, um die Hoffnung des Landes, den Prinzen Friedrich Wilhelm, aus dem Hinterhalte hervor, auf der Jagd zu erschießen. Als dies Alles vereitelt, sei es endlich der Minister gewesen, der versucht habe, den Prinzen in schlechte Gesellschaft zu bringen, damit er durch Ausschweifung untauglich für die schweren Geschäfte der Regierung werde. – Alle diese letztgenannten Beschuldigungen sind erwiesen unrichtig und von dem Kurprinzen, nachmals Friedrich Wilhelm dem großen Kurfürsten, selbst für Erdichtungen erklärt, wobei freilich nicht erwiesen werden kann, wie viel auf Rechnung der Großmuth des edlen Fürsten zu setzen ist, der auch seinen Feinden leicht verzeihen konnte. – Beladen mit dem Hasse des Volkes, verdächtig dem Kurprinzen, ohne Freunde, nur bezahlte Subjecte um sich, so stand Graf Schwarzenberg da, als am 21. November 1640 sein Beschützer, der Kurfürst Georg Wilhelm, die Augen auf immer schloß.

Aus dem Spandauer Thore zu Berlin rollte eine schwerfällige, dicht verschlossene Kutsche. Sie war aus dem Hause Nr. 1 der Brüderstraße gekommen. Auf dem Bocke saß mit verdrießlicher Miene der ärmlich gekleidete Kutscher. Er hatte noch vor kurzem in glänzender Livree die brausenden Pferde gelenkt. Er mußte die gestickten Kleider ablegen, Mietspferde vor einen ganz schäbigen Reisewagen spannen und bei einbrechender Nacht aus den Thoren zu kommen suchen, denn er führte den verhaßten Minister in der Kutsche, und man fürchtete die Volksjustiz, wenn der Wagen und sein Inhalt erkannt würden.

Der Graf Schwarzenberg hatte nach Spandau zu fahren befohlen. In Berlin hielt er sich nicht sicher. Es trieb ihn nur das böse Gewissen – mögen seine Vertheidiger sagen was sie wollen – denn der junge Kurfürst zeigte gar keine Neigung, die üblen Gerüchte, welche den Minister verfolgten, näher zu prüfen. In Spandau glaubte sich der Graf sicher. Dort befand sich als Commandant der Obrist Moritz von Rochow[WS 1], der auf Schwarzenberg’s Veranlassung mit der ganzen Besatzung dem Kaiser einen Eid der Treue geleistet hatte.

Schwarzenberg hatte es vielfach ähnlich zu drehen gewußt und die Besatzungen sämmtlicher märkischen Festungen den Eid leisten lassen, der Majestät des Kaisers zu gehorsamen. Unter solchen Vasallen hielt der Graf seine Person für ungefährdet.

Sei es nun, daß die großartigen Unternehmungen, welche ihn beschäftigten, oder ein Zartgefühl, den Diener seines verstorbenen Vaters nicht sogleich zur schweren Rechenschaft zu ziehen, den Kurfürsten bewogen, die Ruhe des Geflüchteten nicht zu stören – genug, Schwarzenberg blieb vorläufig unangetastet. Ja, einige Male zog der junge Herrscher ihn sogar zu Rathe, als es sich um Auskunft über gewisse Finanz-Angelegenheiten der vorigen Regierung handelte.

Aber eine mächtigere Hand griff nach ihm. Fast ein Jahr lang hatte er unter Furcht und Hoffnung zugebracht. Seine Gesundheit war zerrüttet.

Man fürchtete ihn nicht mehr. Eine Rotte Soldaten drang in sein Haus und forderte einen rückständigen Sold. Es waren Fußknechte des Rochow’schen Regiments. Der Minister hatte sie geworben, er war ihnen noch Geld schuldig. Gegen Rochow durfte er sich nicht beschweren, denn dieser Mann war nach seiner Ansicht der Hauptbeschützer. Der kränkliche Minister zahlte mit zitternden Händen 300 Thaler als Abschlagsumme. – Zwei Jahre früher hätten die Soldaten die Galgen der Berliner und Spandauer Hochgerichte geziert.

Droh- und Spottbriefe trafen täglich ein. Wenn er ausfuhr, spieen die Vorübergehenden seine Kutsche an, und Abends erschallten Schelmenlieder aus der Gasse vor seinem Hause.

Ende Februar des Jahres 1641 erhielt der Exminister einen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Moritz von Rechow
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_537.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)