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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Rümelin, Baden durch Soiron, die beiden Hessen durch Cnyrim und Reh, Oldenburg durch Nüder, Thüringen durch Briegleb, Nassau durch Schepp, die Mecklenburg durch Sprengel, Schleswig-Holstein und Lauenburg durch Beseler aus Greifswald, Dahlmann und Riesser (der Letztere, als Berichterstatter in der Oberhauptsfrage, auch persönlich gewissermaßen gebornes Mitglied der Deputation), Luxemburg-Limburg durch Scherpenzeel, Braunschweig durch Hollandt, die Anhaltinischen Länder durch Pannier, endlich die freien Städte durch den Hamburger Merck. Zwei Mitglieder, Mittermaier und Schoder, konnten wegen nothwendiger Anwesenheit in der Heimath nicht Theil nehmen.

Man hatte absichtlich von den zwei Reiserouten nach der preußischen Hauptstadt die längere über Köln gewählt. Man rechnete darauf, daß der Wiederhall, den der Beschluß der Nationalversammlung, wie man zuversichtlich erwartete, von Tag zu Tag in immer weiteren Kreisen finden würde, eines starken Eindrucks auch in den maßgebenden Regionen Berlins nicht verfehlen könnte. Aus demselben Grunde sollte die Deputation nur in kleinen Tagereisen sich ihrem Ziele nähern und erst am vierten Tage in Berlin eintreffen.

So fuhren wir denn auf festlich beflaggtem Dampfschiff am 30. März den Rhein hinunter. Es war ein schöner, klarer Morgen, die Märzsonne schien so rein und warm, wie ein Jahr zuvor, da wir uns zum Vorparlament in der alten Krönungsstadt Frankfurt versammelten. Der königliche Rhein wälzte seine grünen Wogen so gewaltig dahin, als trage er auf seinem Rücken wirklich die Majestät des deutschen Volkes, das seine Ufer so oft siegreich fremden Eindringlingen abgekämpft und mit seinem Blute ihn recht eigentlich zu einem deutschen Strome getauft hat. Aber trotz all der Pracht, womit Himmel und Erde prangten, und trotz all der stolzen Erinnerungen, die mit der Welle des Stromes an uns vorüber rauschten, waren doch die Männer im Schiffe sehr ernst. Nicht, wie jene Siebener-Deputation, welche im Sommer des Jahres 1848 die Donau hinabzog, um einen Reichsverweser zu holen für das nach Einheit und einer obersten Führung dürstende Deutschland, fühlten wir uns getragen und gehoben von der Woge jugendlicher Begeisterung, welche damals die ganze Nation ergriffen hatte. – Dieser erste Rausch war längst verflogen; in strenger Arbeit, unter harten Kämpfen hatten wir uns fast ein Jahr lang gemüht, die Form zu finden und festzustellen, in welcher das Bedürfniß der Nation dauernde Abhülfe, der schöne Traum deutscher Einheit und Größe seine Verwirklichung finden sollte. Wir glaubten eine solche Form gefunden zu haben; der Mehrheitsbeschluß der freigewählten Nationalvertretung hatte dem Werke den Stempel der Gesetzlichkeit aufgedrückt; die Nothwendigkeit, die Verfassung endgültig zu Stande zu bringen, den schwankenden Zuständen wieder Festigkeit, dem erschütterten Vertrauen wieder eine sichere Grundlage zu verschaffen, die Unmöglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, wenn dazu erst noch die ausdrückliche Zustimmung von einigen dreißig Regierungen und Ständeversammlungen eingeholt werden müßte – alles dies ließ wohl hoffen, daß die Berufung der Nationalversammlung an die Hochherzigkeit der Fürsten und den Patriotismus der Volksstämme Deutschlands keine vergebliche sein werde. Aber doch zagten wir, diese Hoffnung könne täuschen; zu heftig hatten die Gegensätze der politischen Parteien und der Stämme schon in der Paulskirche selbst sich geregt, hatten das Zustandekommen der Verfassung selbst beinahe unmöglich gemacht; zu entschieden hatten manche der deutschen Regierungen sich bereits gegen die von uns gewählte Form der Einheit erklärt, als daß wir nicht auf mannigfachsten Widerstand bei Ausführung unsrer Beschlüsse hätten gefaßt sein sollen. Wir wußten, daß eine entschlossene und in vielen Gegenden Deutschlands durch zahlreichen Anhang im Volke starke Partei, die demokratische, über diesen Ausgang der Verfassungsverhandlung bitter grollte und daß nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil derselben seine Abneigung gegen die erblich monarchische Spitze höheren Rücksichten des Patriotismus zum Opfer gebracht hatte; daß eine andere, ebenfalls sehr einflußreiche Partei, die Ultramontanen, selber durch solche Rücksichten ihre starre Opposition gegen die Führerschaft des protestantischen Preußens nicht hatte erweichen lassen. Wir selber konnten nicht ohne Wehmuth an jene Zeit der ersten Bewegung des Jahres 1848 zurückdenken, wo Alles, soweit nur die deutsche Zunge klang, wahrhaft Ein Herz und Eine Seele zu sein schien, an jene feierliche Verbrüderung mit den Oesterreichern im Römer und in der reformirten Kirche zu Frankfurt, während des Fünfziger-Ausschusses, wo beide Theile im guten Glauben die Schranke für immer niedergerissen wähnten, welche so lange die deutschen Brüder jenseits des Böhmer Waldes von denen diesseits getrennt hatte, und dann wieder an die neue Trennung von eben denselben Oesterreichern, zu der wir uns, zwar mit schwerem Herzen, aber nach gewissenhafter Ueberzeugung und nach dem strengen Gebot der Verhältnisse hatten entschließen müssen.

Und wie stand es dort, wo allein die Kraft lag, unserm Bau den Schlußstein einzufügen, ohne welchen derselbe unvollendet bleiben und haltlos in sich zerfallen mußte? Wir hatten Alles auf einen Wurf gesetzt – wie, wenn dieser uns abschlug, wenn der Monarch Preußens aus legitimen Bedenken, aus Abneigung gegen eine Krone aus Volkes Hand, oder gegen eine Verfassung, welche ja freilich seinen Willen nach innen ebensosehr beschränkte, wie sie seine Macht nach außen verstärkte, oder aus sonst welchen Rücksichten das Anerbieten, welches wir ihm zu machen kamen, ausschlug? Was dann? Die Zaghafteren unter den Deputationsmitgliedern erinnerten an jenen Ausbruch schlecht verhehlter Bitterkeit, womit König Friedrich Wilhelm IV. einer andern Deputation der Nationalversammlung, beim Dombaufeste zu Köln im August 1848, als sie ihn begrüßte, die Worte zugerufen hatte: „die Versammlung möge nicht vergessen, daß es in Deutschland noch Fürsten gebe, und daß er darunter einer der Ersten sei!“ Die Hoffnungsreicheren beriefen sich dagegen auf die officielle Erklärung der preußischen Regierung nach der ersten Lesung der Reichsverfassung – eine Erklärung, die wenigstens in der Hauptsache eine Uebereinstimmung derselben mit der Mehrheit zu Frankfurt annehmen ließ; Einzelne, angeblich Eingeweihte, wollten auch wohl theils aus eigenem Wissen, theils aus Mittheilungen Gagern’s, der einige Zeit vorher ausdrücklich zu dem Zwecke nach Berlin gereist war, um die dortige Stimmung zu erkunden, sichere Erwartungen eines günstigen Erfolges schöpfen. Ein mit der Eigenthümlichkeit des Königs aus eigener Erfahrung wohlvertrauter Diplomat, Heinrich von Arnim (derselbe, der durch die Märzbewegung zum preußischen Minister des Auswärtigen erhoben worden war und, wie man sagt, den König zu jenem vielberufenen Umritt durch die Stadt, mit der deutschen Fahne in der Hand, vermocht hatte) – Heinrich von Arnim, der ein Stück Weges mit uns fuhr, aber in Neuwied unser Schiff verließ, empfahl uns beim Abschied Geduld, wenn es mit unserer Sendung in Berlin, wie er fürchte, nicht so bald zum Ziel kommen sollte.

Die nächsten Eindrücke waren einer hoffnungsreicheren Auffassung unserer Sendung wenig günstig. Im Sommer vorher, als wir, die feierliche Deputation der Nationalversammlung zum Domfest, gleichfalls hier zu Thale fuhren, hatte uns allenthalben lauter Jubel und herzliche Verehrung begrüßt. Ganze Ortschaften waren uns von den Dörfern und den kleinen Städten aus längs dem Ufer hin, festlich geputzt, mit wehenden Fahnen, meist einen Priester an der Spitze, entgegen gewallt. In Coblenz hatte die Bürgerwehr paradirt. Von Köln aus war man weit den Strom herauf zu unsrer Einholung gekommen.

Von alledem fand jetzt nichts, oder das gerade Gegentheil statt. Wie verödet, lagen zu beiden Seiten die Ufer des Rhein, und wenn sich ja hier und da neugierige Gruppen sehen ließen, so warfen sie mehr mißtrauische oder übelwollende, als theilnehmende Blicke zu uns herüber. Diese Erscheinung war zwar nicht erfreulich, aber wohl erklärlich: die Bevölkerung längs des Rhein war überwiegend entweder streng katholisch, oder demokratisch, mancher Orten auch wohl beides zugleich; weder der einen noch der andern dieser Richtungen aber konnte unsere Sendung – zur Einholung eines monarchischen und protestantischen Reichsoberhauptes – sympathisch sein. In Köln, wo wir das erste Nachtquartier machten, wurden wir zwar von einer Deputation eines constitutionell-nationalen Vereins mit feierlicher Anrede empfangen, dafür brachte uns aber ein lärmender Haufe eine Katzenmusik in bester Form, und die löbliche Polizei ließ denselben ziemlich lange ungestört gewähren.

Damit war indeß der schlimmere Theil unserer Reise überstanden. Die folgenden Tage führten uns durch Landstriche, wo die öffentliche Stimmung sich ungleich günstiger erwies, zuerst durch protestantische Theile des Rheinlandes, wie Düsseldorf, dann durch das althohenzollernsche Besitzthum, die Grafschaft Mark. Selbst Dahlmanns schwer bewölkte Stirn heiterte sich hier auf, und um seine schmerzlich verzogenen Lippen begann es zu lächeln, als von Station

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_570.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)