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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

und Hieronymus von Prag für ihren Glauben den schrecklichsten Tod im Feuer fanden!

Aufmerksame Forschung setzte uns in den Stand, mit Zuverlässigkeit diesen merkwürdigen Ort in der Gemarkung unserer Stadt bestimmen zu können.

Der unterzeichnete Bürgermeister von Constanz und mehrere Bürger dieser Stadt, die, gestützt auf das höchste Gebot der Liebe und Versöhnung, in der katholischen Kirche, zu der sie ohne Ausnahme gehören, kein Hinderniß der Sache finden können, haben sich daher vereinigt, um in Deutschland und Frankreich, vornehmlich aber in England, wo Hussens Lehrer Wiklef lebte, und in Böhmen, dem Heimathslande des Huß und Hieronymus von Prag, mittelst einer Subscription Beiträge zur Errichtung eines großartigen Denkmals zu sammeln, welches die Stelle bezeichnen soll, wo beide in den Flammen starben.

Indem wir die Ehre haben, dieses vorläufig dem verehrlichen Magistrate im Geburtsorte des Johannes Huß anzuzeigen, bitten wir Wohldenselben um gefällige Erklärung der dortigen Ansicht über den wahrscheinlichen Erfolg, den dieses Unternehmen, welches kein locales, sondern ein allgemeines und eben deswegen nur großartiges ist und sein soll, in Hussens Geburtsorte und bei seinen Vaterlandsgenossen überhaupt haben werde, namentlich bitten wir ergebenst um Auskunft, ob gehofft werden darf, daß die Magistrate der Städte in Böhmen, an welche das hiesige Comité sich wenden wird, zu diesem Unternehmen hülfreiche Hand bieten werden.

Mit Hochachtung etc.“

Diese nach Böhmen an die genannten Magistrate zur Post gegebenen Rundschreiben scheinen die Orte ihrer wirklichen Bestimmung nie erreicht zu haben, wohl aber erfolgte darauf eine Vorladung des Bürgermeisters Hüetlin vor die badische Regierung des Seekreises, von welcher ihm ein auf die Errichtung eines Hussendenkmals bezügliches Rescript des großh. Ministeriums des Innern mit der ernstgemessenen Auflage bekannt gemacht wurde, bis auf nähere Verfügung mit allem Verfahren einzuhalten. Zugleich wurden ihm die vier folgenden Punkte mitgetheilt, über welche er sich zu verantworten hätte:

Ob der Gemeinderath zu Constanz über die Errichtung dieses Denkmals vernommen worden sei? Ob derselbe dazu seine Zustimmung gegeben habe? Wer ihn (Bürgermeister) zu den obgedachten Einladungen ermächtigt habe? Wie er sich habe unterstehen können, diese Einladungen, ohne hierzu die Erlaubniß der betreffenden k. k. österreichischen Behörde eingeholt zu haben, zu erlassen, zumal da ihm nicht unbekannt sein müsse, daß dergleichen Sammlungen schon nach den diesseitigen bestehenden Verordnungen verboten seien?

Darauf erwiderte der Bürgermeister in einer schriftlichen Zusendung:

„Zur Beantwortung dieser vier Fragen und zur Darstellung des eigentlichen Sachverhalts erlaube ich mir in Ehrerbietigkeit folgenden Vortrag:

Unstreitig sind die Glaubenshelden Johannes Huß und Hieronymus von Prag größer als alle spätern und heutigen Märtyrer ihres Glaubens; – denn sie lehrten, litten und starben zu einer Zeit der allgemeinen Geistesnacht, welche nur vorübergehend durch das Licht ihrer Scheiterhaufen erhellt wurde. Sie hatten nicht den Trost, daß unter den tausend und abertausend Menschen, welche sie zur Todesstelle begleiteten, so viele wären, daß ihre Lehre einer künftigen Stütze sich erfreuen könnte; – nicht die Hoffnung hatte sie zum Scheiterhaufen geleitet, daß ihr Tod eine fruchtbare Saat werde; sie mußten fürchten, daß mit ihnen auch ihre Lehre wieder unterginge, denn sie waren die Ersten, welche der Gewissensfreiheit Bahn brachen.

Ihre unbeugsame Seelenkraft, und das Bewußtsein der Reinheit und Wahrheit ihrer Lehre allein war es, was sie standhaft und stark erhielt selbst im schrecklichen Feuertode.

Als Hieronymus, nach Besag der Originalurkunden unserer Archive, entblößt, mit einigen elenden Fetzen, die man ihm auf den Leib geworfen, bis an den Mund in Stroh, Holz und Pech stand, und der Henker aus Mitleiden die Brandfackel in seinem Rücken in den Scheiterhaufen stoßen wollte, so rief er freudig: „gang herfür, und zünd vornen an! Hätt’ ich das fiur gefürchtet, warlich so stünde ich jezo nicht hie!

Huß und Hieronymus, welche die Kirche von ihren Schlacken reinigen wollten, wurden ohne vollständiges gerichtliches Gehör zum Tode verdammt. Das Concilium übergab sie dem Kaiser, der Kaiser dem Herzoge von Baiern, dieser dem Stadtvogte zu Constanz, welcher durch seine Rathsknechte die schreckliche That vollzog.

Die Geschichte hat längst über Huß und Hieronymus, aber sie hat auch über das Concilium von Constanz und seinen Urtheilsspruch und über Sigismund und sein gebrochenes Geleit gerichtet.

Aber zunächst auf der alten, sonst so ehrwürdigen Stadt Constanz ruht noch eine nichtgetilgte Schmach, denn in ihren Mauern ging die Schreckenshandlung vor sich, und sie selbst lieferte die Henker dazu.

Alle denkenden Reisenden, welche die hiesige Stadt berühren, erkundigen sich nach dem Verbrennungsplatze des Huß und Hieronymus; mit vorzüglichem Eifer haben dieses aber bisher immer die Engländer und Böhmen gethan. Namentlich die unablässigen Nachfragen der Fremden, welche den Conclave-Saal besuchen, mochten den Wärter desselben zu seiner Bitte an den Gemeinderath veranlaßt haben, den Platz, wo Huß und Hieronymus verbrannt wurden, mit einem Denksteine zu bezeichnen. Die Bitte wurde abschlägig beschieden, indem man den Weg der Subscription als den hier allein zweckmäßigen ansah. Diese zufällige Anregung erweckte sofort in dem in Ehrerbietung Unterzeichneten die früher schon gedachte Idee, diesen so merkwürdigen Ort durch ein Denkmal aus freiwilligen Beiträgen zu bezeichnen und auf diese Weise die alte Schuld der Stadt Constanz zu sühnen. Er glaubte dies als Bürgermeister und Bürger seiner Vaterstadt, als Mensch der Menschheit schuldig zu sein. Jedoch sollte nach Maßgabe des obigen Gemeinderathsbeschlusses, zu welchem er selbst wesentlich mitgewirkt hatte, seine Wirksamkeit nur als die eines Bürgers, nicht aber des Bürgermeisters eintreten.

Um diese Sache nicht zu übereilen und möglichst sicher vorzuschreiten, beschloß das errichtete Comité, vorläufig bei den Magistraten jener böhmischen Städte, von welchen wegen historischer Erinnerungen das meiste Interesse zu gewärtigen war, nach der dortigen Ansicht und dem wahrscheinlichen Erfolge dieses Unternehmens sich zu erkundigen. Es waren dies Hussinecz, der Geburtsort Hussens; – Prag, der Geburtsort des Hieronymus, und Tabor, das Feldlager des gewaltigen Hussitenführers Ziska. Jedenfalls glaubte der Unterzeichnete diesen Städten von unserm Vorhaben vorläufige Anzeige machen zu müssen, weil sie gleichsam eine geschichtliche Befugniß besitzen, dieses ansprechen zu dürfen.

Deshalb erließen wir im Anbeginn dieses Jahres an die Magistrate dieser drei Orte mutatis mutandis das obige gleichlautende Schreiben. Vergebens wartet der ehrerbietigst Unterzeichnete bis heute auf ein Antwortschreiben. Statt dessen aber kam ihm die Eingangs bezeichnete Eröffnung des hohen Ministerial-Erlasses mit der Aufforderung zur Verantwortung zu.

Außer der Ausfertigung oben erwähnter drei Briefe nach Prag, Tabor und Hussinecz ist zur Erreichung des vorgesetzten Zweckes zur Stunde noch lediglich nichts geschehen.

Dieses ist der Stand der Sache.

Ueber die Befugniß zu diesem Unternehmen erlaube ich mir zur Zeit keine Ausführung, da sie anticipirt wäre – bemerke blos, daß die Mächte, welche Ehrendenkmale für Luther, Melanchthon und Zwingli gestatteten und selbst dem hingerichteten Sandwirth Hofer in Tirol heute eine ehrende Urne bauen – auch dulden werden, daß man mit Achtung der größten Glaubenshelden des 15. Jahrhunderts gedenke, daß man auch dem edlen Johannes Huß und Hieronymus von Prag einen Denkstein setze.

(Nachdem Hüetlin die obigen vier Fragen gründlich beantwortet und die Einmischung der österreichischen Behörden gehörig beleuchtet, schließt er sein Vertheidigungsschreiben mit „der getrosten Zuversicht, daß die aufgeklärte hohe Landesregierung diesem rein menschlichen Unternehmen ferner nicht hemmend entgegentreten werde.“)

Constanz, am 6. Mai 1834.

Carl Hüetlin.“

Auf diese Darlegung hin kam folgender Beschluß des großh. bad. Ministeriums des Innern: „Bürgermeister Hüetlin in Constanz wird angewiesen, vor der Hand Alles zu unterlassen, was auf diesen Gegenstand Bezug hat.“

So wurde also durch ein kurzes Verbot, welches sicherlich seine Entstehung einer Weisung von einer deutschen Großmacht verdankte, das edle Unternehmen schon in seinen ersten Anfängen unterdrückt, und die ehrenwerthen Bürger von Constanz, an ihrer Spitze der hochachtbare Hüetlin, hatten nur das befriedigende Bewußtsein,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 654. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_654.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)