Seite:Die Gartenlaube (1863) 821.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Albert Traeger.




„Es darf Niemand hier eintreten,“ sagte der Officier. „Alle Zimmer sind besetzt, und Jeder, der sich in einem Zimmer befindet, bleibt darin als Gefangener, bis Ihr sie befreit, indem Ihr bekennt, oder bis nach der Execution.“

„So bleiben meine Kinder Gefangene,“ rief Mayer Anselm ruhig, „und Du, Gudula, bleibst bei mir bis zur Execution!“

„Ich will beten, beten!“ flüsterte Gudula und sie sank wieder auf ihre Kniee nieder.

Nun ward Alles still in dem Gemach. An der Thüre standen Soldaten mit geschultertem Gewehr, die Officiere hatten sich in die Fensternische zurückgezogen.

Nach einiger Zeit trat eine Ordonnanz in das Zimmer, um zu melden, daß sie den obern Bodenraum des Hauses durchsucht und nirgends Geld oder Geldeswerth gefunden hätten.

„Sie verharren bei Ihrem Leugnen?“ fragte der Officier.

„Ich verharre dabei,“ erwiderte Mayer Anselm ruhig.

„Auch wenn ich Ihnen sage, daß wir durch unsere Spione und Agenten es mit Bestimmtheit wissen, daß der Kurfürst bei Ihnen war, daß er Ihnen seine Schätze anvertraut hat?“

„Auch dann noch!“

„Auch dann noch, wenn ich Ihnen sage, daß Sie nicht blos sich durch Ihr Schweigen zum Tode verurtheilen, sondern alle Ihre Glaubensgenossen gefährden? Denn wenn Sie uns die Millionen nicht ausliefern, so werden Sie erschossen, und dann erlaube ich den Soldaten die Plünderung der Judenstadt.“

„Mayer Anselm, sei barmherzig,“ schrie Gudula „errette unsere armen Glaubensgenossen. Unterwirf Dich der Gewalt!“

„Ich unterwerfe mich ihr, darum bin ich bereit, mein Leben hinzugeben,“ sagte Mayer Anselm feierlich.

„Und das Leben vieler Ihrer Glaubensgenossen zu gefährden, denn Sie wissen es wohl, wenn die Plünderung der Judenhäuser begonnen hat, so wird der Fanatismus aus der Plünderung einen Vernichtungskampf, eine Glaubenssache machen.“

„Mayer Anselm,“ jammerte Gudula, „gedenke Deines Vaters und Deiner Mutter, die keine Ruhe werden haben im Grabe, wenn ihr Sohn es ist, der sein geknechtetes Volk in neues Unglück stürzt; gedenke des Elends und der Noth, das auf den unsern lastet, und wolle nicht den Jammer noch vergrößern. Wehre ab neues Unheil, wenn Du es vermagst, erbarme Dich der Schwachen und Kranken, errette Dein Volk.“

Mayer Anselm stand da, unbeweglich, mit todtenbleichem Angesicht, mit festgeschlossenen Lippen, die Augen mit einem traurigen fragenden Blicke aufwärts gewandt.

Wieder trat jetzt eine Ordonnanz ein, um zu melden, daß man auch die untere Etage des Hauses durchsucht habe, ohne irgend etwas zu finden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_821.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)