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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Hermann Marggraff.

Wir folgen der jubelnden Schaar auf dem Fuße nach. Es ist nicht schwer, das Haus zu erkennen, dem der Mann zueilt. Da hüpft es mit lautem „Papa! Papa kommt!“ aus der Thür ihm entgegen, wiederum lauter blonde Lockenköpfchen, und oben aus den Fenstern drängen sich noch ein Paar Gesichtchen hervor, ganz so fröhlich und lieblich, wie die den Vater unten umjubelnden, und so tritt er endlich in den vollen Kreis, wo ihm das Jüngste, von der Mutter geführt, entgegenzappelt und mit lallendem „Papa“ die Händchen entgegenstreckt. – So feiert unser Mann jeden Abend ein Freudenfest des Wiedersehens, und wenn in seinem Auge ein so ganz besonderer Strahl der Liebe glänzt, so ist das nicht blos der natürliche Ausfluß eines warmen Dichterherzens, sondern ebenso das Werk der Kinder, die mit ihren Augen in die des Vaters die Immer-frische der Jugend hineinzaubern.

Nun wird der Tisch gedeckt, denn erst jetzt, wo der Vater daheim, ist’s Mittag im Hause geworden; und nun zählt es sich auch leichter, als vorher im Gewimmel, jetzt sehen wir, daß zehn liebe, prächtige, gesunde Kinder, ein Knabe und neun Mädchen, um Vater und Mutter am Tisch versammelt sind.

Ein Abend im Familienkreise Hermann Marggraff’s war für Jeden, der ein Herz für Kinder hat, so anmuthend, wie er für den, welcher mit Marggraff’s Charakter und seiner Stellung in der Literatur vertraut war, belehrend sein konnte. Sämmtliche Kinder zeigten ein ebenso vielgetheiltes Spiegelbild des Vaters. In jedem Einzelbildchen konnte man, je nach der Entwickelung des Kindes mehr oder weniger hervortretend, irgend eine Besonderheit angedeutet finden, die sich am Original in voller Ausgeprägtheit zeigte. Hier ein vorherrschender Hang zum ernsten Denken, dort zum dramatischen Gestalten, hier zu lyrischen Ergüssen, dort wieder der neckende Humor, die Liebe zur bildlichen Darstellung, die Lust am Fabuliren, und Allen gemein die Herzensgüte, die der Vater so vielfach durch die That bewährt hat, die bei den Kindern unter sich durch wahrhaft rührende Geschwisterliebe, und gegen Andere durch die reizendste „Zuthulichkeit“ sich äußerte. – Wir dürfen jedoch nicht zu lange bei ihnen verweilen, wir schicken sie zur Ruhe. Da kommt Eines um das Andere, gute Nacht zu sagen, in der Schlafstube wird’s um so munterer, bis durch die Bemühung der Größeren die Kleineren nach und nach beschwichtigt werden, und dazu hilft jeden Abend am besten ein Gesang. Heute hören wir das „Hobellied“ erschallen, erst von allen Stimmen, dann immer einzelner, bis endlich das kleine Volk schon süß schlummert, wenn die Großen den Schlußvers singen:

„Dann klopf ich meinen Hobel aus
Und sag’ der Welt ade!“

Es ist Ruhe ringsum. Auch die Mutter hat sich zu den Kindern begeben. Nun beginnt in der stillen Nacht des sorgenvollen Vaters und des gewissenhaften Schriftstellers schweres Tagewerk.

Wir folgen ihm in seine Arbeitsstube. Sie ist so einfach ausgestattet, so verlassen von allem Luxus, ja selbst von den wohlthätigen Erfindungen des Comfort, daß wir uns in frühere Zeiten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)