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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

schon im Innern und haben noch nicht unser Entree bezahlt und noch den edlen Damen nicht unsere Aufwartung gemacht, die das Amt der Cassirerinnen und Billeteurinnen verwalten. An dem in einen Blumengarten umgewandelten Eingange empfängt uns eine blasse Dame in Trauer, die mit einem verbindlichen Lächeln das Entreegeld in Empfang nimmt. Es ist die Urheberin des Bazars, die Gräfin Batthhány, die seit dem im Jahre 1849 erfolgten Tod ihres Gemahls, des Patrioten Ludwig Batthyány, die Trauer noch nicht abgelegt hat. Neben ihr sitzt eine andere gefeierte Wittwe des Landes, die ihren Gemahl, den General Damjanich, in demselben verhängnißvollen Jahre verlor. Sie ist die Präsidentin des obenerwähnten „Vereins der ungarischen Hausfrauen“; sie giebt uns die Entreekarte, die uns vor dem Eintritt in den Bazar von zwei Ausschußfrauen desselben Vereins abgenommen wird. Und nun treten wir in die Halle, die mit ihrer schönen momentanen Bestimmung, mit den ebenso reizenden als vornehmen Ladenjungfern, mit den fabelhaften Preisen, die hier gelten und gegeben werden, des Interessanten und Rührenden so viel bietet, und den Eindruck eines ganz wunderlichen Mummenschanzes macht.

Wie werden sich diese Ladenjungfern, die alle in glänzenden Equipagen mit reichgalonnirten Dienern zu und von ihrem Markt fahren und deren Namen zu den vornehmsten und klangvollsten des Landes zählen, benehmen; werden sie stolz oder wohl gar herablassend sein? Werden sie bei der so völlig ungewohnten Hantirung ein paar unbrauchbare Sächelchen wie Nippes ausbreiten und stumm warten, bis sich ein Käufer findet? Nichts von alle dem. Jede dieser Buden ist voll von den gewöhnlichsten und brauchbarsten Gegenständen; wir finden hier Herren- und Modewaaren, Parfümerie-Gegenstände, Spielzeug, Papier, Federn, Cigarren, Glas und Porzellan, Conditoreiwaaren, und schließlich, oder besser in der ersten Verkaufsloge rechts, Bier, Wein und kalte Küche. Jede der Verkäuferinnen hat ihre Artikel mit Geschmack geordnet, in verlockender Auswahl zusammengestellt und ausgekramt, und sie rufen die Käufer und bieten ihre Waaren an mit einem Eifer und einer Virtuosität, als ob ihr Leben von ihrem heutigen Erlös abhinge. Da ist nichts von Stolz oder abstoßender Herablassung zu sehen, – das sind echte, rechte, fleißige Kaufmannsfrauen, die Niemanden vorübergehen lassen, Jedermann anrufen und unermüdlich sind im Auswählen und Anpreisen der Gegenstände, und das Alles mit einer Natürlichkeit, als ob dieser Bazar kein momentanes Spiel der erfinderischen Wohlthätigkeit, sondern eine uralte Einrichtung wäre. In der eleganten Trink- und Speisecantine rechts sind die beiden jungen Damen, deren eine eine Fürstin Odesealchi, unermüdlich im Ausschenken von Wein und Bier und im Darreichen von Wurst, Pasteten etc., und sie verwalten ihr Amt mit einer Gewandtheit, als ob sie von der Pike auf als Schenkmädchen gedient hätten. So geht hier Alles natürlich zu, und eben diese unerwartete Natürlichkeit ist neu und rührend und reizend der Eifer, mit welchem diese Priesterinnen der Wohlthätigkeit sich wegen des heiligen Zweckes so schnell und so sicher in ihr Amt fanden. Wohl nicht ihrem Aussehen nach, aber wegen ihres Ursprungs neu sind nur die Schnitzwaaren, die der berühmte ungarische Patriot Franz Deák mit eigener Hand fabricirt und einigen Damen geschenkt hat. Es sind zumeist aus Holz gedrechselte Fruchtstücke auf Briefbeschwerer geheftet, die um hohe Preise abgesetzt werden. Neu sind übrigens auch die Preise, um welche alle übrigen Gegenstände hier gekauft werden, wie auch die Art, wie hier gefeilscht wird, nicht zu den alltäglichen gehört. – „Was kostet dieses Cigarrenrohr?“ – „Fünf Gulden.“ – „Hier sind zehn.“ – Da wurde keine Cigarre abgesetzt, für die nicht mehrere Gulden gegeben worden wären, – und kein Glas Bier getrunken, das nicht wenigstens einen Gulden gekostet hätte.

Was können die „Herren der Schöpfung“ für die Damen, welche die Rolle des Kaufmanns mit so viel Aufopferung und Selbstverleugnung spielen, während ihnen, den Herren, das bequeme Amt des Zusehens bleibt, weniger thun, als so viel als nur möglich den Erlös der ersteren mehren? Bald begnügt sich die Ritterlichkeit nicht mehr damit, sondern sie strengt den Witz an, um auf diesem idealen Markt auch ideale Waaren zu schaffen. So kaufte denn einer der Edlen des Landes von einer der edelsten dieser Frauen einen Kuß um Tausend Gulden. Ein Schriftsteller fragte eine der Verkäuferinnen: „Was kostet ein Händedruck?“ – In Anbetracht seiner bescheidenen Stellung in der Finanzwelt, begehrt sie für den verlangten Artikel nur den bescheidenen Preis von fünf Gulden. – „Geben Sie mir beide Hände!“ – Ein Dritter kauft einer Dame das seidne Tüchelchen, das einige Augenblicke ihren weißen Hals umschlungen, um hundert Gulden ab; ein Vierter macht ihm dies nach; ein Fünfter geht mit seinem Notizbuch von einer Verkaufsloge zur anderen, bittet jede der darin sitzenden Damen ihren Namen einzuschreiben, und legt sich so eine Autographensammlung des Bazars um den bescheidenen Preis von einigen hundert Gulden an, und so fort! –

In eine ganz neue Phase trat der Bazar, der am 11. Februar eröffnet wurde, Sonntag den 19., an welchem er beschlossen wurde. Da strömten große Mengen von Landleuten und Handwerkern hinein, ein naives Publicum, welches das Bewußtsein, von vornehmen hochgeborenen Damen bedient zu werden, noch in vollen Zügen genoß, dabei aber es nicht unterließ, mit den noblen Verkäuferinnen wacker drauf los zu feilschen, wie auf einem wirklichen Markt. Nur eine alte Bäuerin weiß in ihrer Herzenseinfalt noch den Werth einer idealen Waare zu schätzen und kauft von einer Gräfin für einen Gulden, den sie erst aus vielerlei Hüllen sorgsam herausschält, – einen Händedruck, und noch lange wird in ihrem Dorfe davon die Rede sein, wie die Gräfin einer Bäuerin einmal vor Zeiten die Hand drückte. – Doch wir würden nicht fertig werden, wollten wir alle kleinen charakteristischen Züge dieser reizenden Feerie, Bazar genannt, aufzählen; wir schließen mit der die Hauptsache in sich fassenden Notiz, daß dieser viertägige Dienst des Vereins ungarischer Hausfrauen auf dem Markte der Wohlthätigkeit für die Nothleidenden einen Reingewinn von nahe an vierzigtausend Gulden eingebracht hat.

A. D. 




Das in Pesth gegebene Beispiel hat inzwischen bereits in Wien seine Nachahmung gefunden. Dort ist ebenfalls aus den Reihen des hohen ungarischen Adels eine Anzahl von Frauen zu einem Ausschusse zusammengetreten, um, zwar nicht durch einen Verkaufsbazar, wie den eben geschilderten, sondern durch eine Ausstellung von Kunstwerken für die Noth in Ungarn eine Hülfssumme zusammenzubringen.

Diese am 15. April in den Localitäten des österreichischen Kunstvereins eröffnete Ausstellung wird indeß nicht allein durch den Zweck, welchem sie dienen soll, auf eine überaus große Theilnahme rechnen können, auch die ausgestellten Gegenstände selbst, die nur Stücke von wirklicher künstlerischer oder geschichtlicher Bedeutung sein dürfen, namentlich aber eine Menge merkwürdiger Familienreliquien aus ihrer Exclusivität in den Häusern der ältesten ungarischen Aristokratie an das Licht der Oeffentlichkeit bringen werden, haben berechtigten Anspruch auf das allgemeinste Interesse.

Auch ein weitbekannter Wiener Kunstfreund, der reiche Bankier Mayer, Chef des Bankhauses J. H. Stametz u. Co., hat dem Comité seine prachtvolle Bildergallerie zur Verfügung gestellt, in welcher die neue belgische und französische Schule durch mehrere ihrer ausgezeichnetsten Gemälde vertreten ist.

So steht nicht zu bezweifeln, daß das verdienstliche Unternehmen von einem kaum minder erfreulichen Erfolge gekrönt sein werde, als sein Pesther Vorläufer. Zudem wird die Aussicht, sich die sonst in so unnahbarer Ferne schwebende hochadelige Damenwelt einmal recht con amore beschauen zu können, für Manchen und Manche, die nicht das Glück haben, zum „obersten Tausend“ zu gehören, nicht den kleinsten Anreiz zu einem wiederholten Besuche der Ausstellung bilden. Die vornehmen Ungarinnen, an ihrer Spitze die Präsidentin des Comité’s, eine Gräfin Wenckheim-Zichy, werden nämlich der Reihe nach an der Casse die Eintrittsbillets mit eigenen zarten Händen verabfolgen – wer weiß, vielleicht auch Händedrücke und Küsse verkaufen, wie ihre schönen Schwestern in Pesth.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_286.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)