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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

sagen – und der Kathrine – ich bin gleich wieder da, lieg’ nur noch einen Augenblick still, mein Hans, nur einen Augenblick.“

Der alte Mann wußte selber kaum, was er that. Die Glieder flogen ihm wie in Fieberfrost, und vor Freude bebend – er fand kaum die Thürklinke: eilte er hinaus, um der Mutter die Botschaft zu bringen – „Dein Sohn lebt!“

Wie wär’ es möglich den Jubel zu beschreiben, der jetzt das Haus erfüllte, denn der Chirurg hatte ihnen schon gesagt, wenn Hans wieder zum Bewußtsein käme, dann brauchten sie für sein Leben nicht mehr zu fürchten; nur ruhig müßten sie ihn halten. Das wollten sie auch, aber sehen mußten sie ihn erst einmal, nur einen einzigen kleinen Augenblick, und leise, selbst auf den Zehen, schlichen die Mutter und Katharine in die Kammer hinein. Als sie aber dem Blick des Sohnes und Bruders begegneten, der ihnen freundlich zulächelte, da konnten sie sich nicht mehr halten und thaten wie der Vater. Sie stürzten an sein Bett, und bedeckten seine Hand mit Küssen und Thränen. Aber der Alte stand jetzt Wacht.

Beefsteak-Lieferung für das österreichische Armeecorps in Jütland.
Friedliche Erinnerung aus kriegerischen Tagen.
Nach der Natur gezeichnet von Otto Günther.

„Hinaus mit Euch!“ rief er in gutmüthigem Zorn, „wollt Ihr den Jungen rebellisch machen, daß er mir wieder ohnmächtig wird? Fort und hinunter, bis der Doctor kommt, ich bleibe so lange bei ihm auf Posten.“ Und Mutter und Katharine, die wohl wußten, daß der Vater Recht hatte, rissen sich von dem Wiedergeschenkten los, nickten ihm noch in seliger Freude zu und verließen jetzt das Zimmer, um sich unten in ihrer Stube recht von Herzen auszuweinen – doch es waren Freudenthränen.

„Aber Vater,“ sagte Hans mit wohl noch sehr matter, indeß vollkommen deutlicher Stimme, „weshalb treibst Du die Mutter und die – die Kathrine hinaus? es fehlt mir ja Nichts mehr, und – ist denn die Kathrine heute nicht zur Kirmeß gegangen?“

„Fehlt Dir Nichts mehr? – so?“ sagte der Vater, indem er ihn kopfschüttelnd betrachtete, „und heute zur Kirmeß? Weißt Du denn, welchen Tag wir heute schreiben, und wie lange Du dagelegen hast?“

„Nun? ist’s nicht Sonntag? aber wie bin ich denn eigentlich hier in’s Bett gekommen? was ist denn vorgefallen?“

„Heute Sonntag? Mittwoch ist heute und noch dazu Mittwoch Abend und der vierte Tag, daß Du hier liegst und keinen Bissen Essen, keinen Tropfen Wasser über die Lippen gebracht hast!“

„Mittwoch? aber wie ist das möglich?“

„Bist Du am Sonntag nicht mit dem Pferd gestürzt? Der Braune hatte ja doch die Spuren am Körper.“

„Mit dem Pferd gestürzt? – ja!“ sagte Hans da plötzlich, und sein Antlitz, das sich beim Reden etwas gefärbt hatte, wurde wieder leichenblaß, „als ich von Wetzlau herüberkam. Der Braune stolperte auf dem schlechten Weg – ich glaube er stürzte auch – aber weiter weiß ich mich auf Nichts zu besinnen.“

„Ja, weil sie Dich nachher für todt hier in’s Haus trugen. Und was für Sorge haben wir um Dich gehabt, die Mutter und die Kathrine und Deine Braut!“

„Meine Braut?“ sagte der Hans leise.

„Nun gewiß,“ sagte der Alte. „Wir mußten ihr doch natürlich gleich die Botschaft hinüberschicken, und als sie am Montag selber mit dem Traubenwirth oben war und Dich hier auf dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_341.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)