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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

furchtbaren Schönheit, daß es sich kaum beschreiben läßt. Hohlgeschosse aus den Hinterladungsgeschützen der gezogenen preußischen 24pfünder sausten dann unsichtbar wie Dämonen über die Parallelen und die in denselben arbeitenden Soldaten mit solchem Geräusch dahin, daß sich oft der Eine und Andere bückte, als besorge er das Herabfallen einer schweren Masse aus der Höhe. Dann wieder rollten, von leuchtendem Rauch umkreist, die Bomben durch die Luft, während die in großer Menge geworfenen Granaten, ungleich steiler und in Parabelform aufsteigend, durch ihre schnelle Umdrehung einen kometenartigen Feuerschweif hinter sich herzogen. Nimmt man dazu das fortwährende leise Beben der Erde, das verhallende Hurrah der Belagerer und das Auflodern der flammenden Baracken unterhalb der Schanzen, wie die hell zum Himmel lohende Gluth des brennenden Sonderburg, so wird man zugeben müssen, daß sich ein schauerlich-großartigeres Nachtbild kaum denken läßt.

Eine schon angeordnete Landung mit starker Truppenmacht auf Alsen mußte, wahrscheinlich zum Glücke, des hohen Seeganges wegen wieder aufgegeben werden, dagegen ward der Sturm auf die Schanzen bereits auf den 14. April festgesetzt, doch fand man die Entfernung von der zweiten Parallele bis zu den Schanzen, also 6–700 Fuß, mit Recht noch für zu bedeutend und unternahm in der Nacht vom 14. zum 15. den Bau einer dritten Parallele auf 500 Fuß Abstand. Dieselbe wurde bis zum 18. wesentlich erweitert und ihre Böschung mit Ausfallstufen versehen, um bequem überschritten werden zu können. Nachdem diese Vorbereitung getroffen war, gab Prinz Friedrich Carl von Preußen für den 18. April Morgens zehn Uhr den Befehl zum Sturme.

Allen den verschiedenen Abtheilungs-Commandeurs wurde der Befehl im Geheimen und mündlich mitgetheilt, um vor der dänischen Spionage sicher zu sein. Zur Einleitung dieses Haupt- und Schlußactes begann die Artillerie vom Morgen des 17. an mit der größten Heftigkeit zu spielen und überschüttete die feindliche Stellung auch die ganze Nacht zum 18. hindurch bis Morgens zehn Uhr mit ihren Geschossen. Stündlich mußte jetzt der Feind auf einen Sturm gefaßt sein und hatte demselben auch mit Tagesanbruch entgegengesehen und seine Dispositionen danach getroffen. Als um diese Stunde das Erwartete indessen nicht erfolgte, zog er seine Verstärkungen zurück und ließ nur die regelmäßige Besatzung in der Stellung, die zum Theil noch beim Beginn des Sturmes in den Communicationsgräben war, um dort gedeckter zu sein, und so vielfach völlig überrascht wurde.

Da kein Truppentheil freiwillig dem andern die Ehre des ersten Angriffs gönnen wollte, so hatte das Loos entscheiden müssen; daher finden wir die Sturmcolonnen zusammengesetzt aus Compagnien aller Regimenter. In der Nacht hatten die Brigaden bereits die angewiesenen Stellungen eingenommen, hatten sich auf den Boden niedergestreckt und horchten in Erwartung des großen Augenblickes auf den rollenden Donner der Artillerie. In der breiten dritten Parallele, 500 Fuß vor den Schanzen, lagen die Sturmcolonnen selbst mit ihrer Geräthschaft, vor Begierde brennend, die feindlichen Schanzen zu nehmen.

Der Morgen des 18. bricht an, immer näher rückt die entscheidende Stunde. Mit ihr steigern sich die Gluth und die Aufregung der todesmuthigen Männer, die Pulse schlagen schneller, und während der Soldat sein treues Gewehr fester umklammert, hört er noch auf den tröstenden Zuspruch des Geistlichen, schweifen seine Gedanken noch einmal zurück nach der Heimath, nach den alten Eltern, nach der geliebten Braut, nach Weib und Kind. Da horch! vom Spitzberge her ertönt ein schmetterndes Hornsignal, im Augenblicke wiederholt es sich auf der ganzen Linie, und während das Feuer der Kanonen verstummt, brechen mit lautem Hurrah und unter der Musik von vier Regimentern die Sturmcolonnen im Laufschritt aus der Parallele hervor.

Ohne einen Schuß zu thun, legen die Schützenlinien die ersten dreihundert Schritt zurück, dann werfen sie sich zur Erde und beginnen ihr wohlgezieltes Feuer gegen Alles, was sich auf den Schanzen zeigt. Unter diesem Schutze gehen die Sturmcolonnen so schnell als möglich, miteinander wetteifernd, ohne eine Kugel im Laufe, gegen die ihnen bestimmten Werke los. Jeder nur darauf bedacht, der Erste auf der Schanze zu sein, um zuerst das preußische Panier dort aufzupflanzen. Der Feind, im ersten Augenblicke überrascht, besetzt in Eile seine Werke, das Knattern des Gewehrfeuers beginnt auf der ganzen Linie, und gleich darauf speien die schweren 84pfünder ihre Kartätschladungen gegen die Angreifer. Dunkle Flecke auf dem Erdboden bezeichnen die Stellen, wo die Tapfern fielen; diese Flecke mehren sich, je weiter die Stürmenden vorrücken. Vor Schanze 4 liegen allein schon 33 Mann, doch da weht auch bereits die erste preußische Fahne auf der Communication von 2 zu 3; nur sieben Minuten nach dem ersten Signal, und ein jubelndes Hurrah bezeichnet den Fall des ersten dänischen Werkes. Gleich darauf fällt die große Schanze 6, deren Geschütze sofort umgedreht und auf die fliehenden Feinde gerichtet werden, dann 1, 3, 5. Länger wehrt sich 4, doch fällt auch diese nach großen Verlusten, und endlich selbst die von dem unerschrockenen Lieutenant Ancker vertheidigte Schanze 2. So war nach kaum zwanzig Minuten langem heldenmüthigen Siegeslauf die eigentliche Aufgabe des Tages gelöst, denn nur die Einnahme der Schanzen 1 bis 6 war beabsichtigt und angeordnet.

In diesem Augenblicke naht Rolf Krake und beginnt sein Feuer gegen die mit Tirailleurs gefüllten Schluchten des linken Flügels. Umsonst – er kommt zu spät, die gezogenen Batterien ebenso wie die eigenen Geschütze der eroberten Schanze 1 unter Lieutenant Schmälder richten ihr Feuer auf das Ungeheuer, welches sich nach einstündigem Kampfe schwer beschädigt zurückzieht, um nicht wieder zu erscheinen. Mittlerweile greifen die Brigaden Canstein und Raven in den Kampf ein. Ihr erster Anlauf gegen die noch völlig erhaltenen und armirten Schanzen 7, 8, 9 und 10 mißlingt zwar, denn das mörderische Feuer dieser Schanzen beim Ausschwärmen aus Düppel und Rackebüll mäht ganze Reihen nieder; da fahren die preußischen Feldbatterien in Carriere auf, ihre sichertreffenden Geschosse bringen das feindliche Geschütz zum Schweigen, und mit Hurrah stürmen die Truppen zum zweiten Male vorwärts. Nichts kann ihnen widerstehen, Brigade Canstein nimmt Schanze 7, Raven 8 und 9; 10 muß capituliren.

So waren nun sämmtliche Schanzen der ersten Linie in den Händen der Sieger, und die noch brauchbaren eroberten Geschütze waren umgedreht und schossen auf ihre eigenen Landsleute, welche in Eile gegen den Brückenkopf retirirten. Doch die Preußen, einmal im Feuer, drangen unaufhaltsam vorwärts. Die Officiere vorauf, die Mannschaft die erbeuteten Danebrogs schwingend, stürzen sich die Compagnien aller Regimenter in edlem Wetteifer immer von Neuem auf den Feind. Unter dem heftigen Feuer des Brückenkopfes und der Alsener Batterien wird die neuangelegte zweite Verschanzungsreihe übergerannt, werden Tausende von Gefangenen gemacht, werden die Reserven des Feindes in wilder Hast gegen den Brückenkopf geworfen, die 35er voran, die 8er, 18er, 60er und das 4. Garde-Regiment Königin Auguste dicht hinter ihnen. Beinahe 2000 Fuß durchjagt dieser fortgesetzte Sturmlauf. Hier dicht vor dem Brückenköpfe sammeln sich die Preußen zum letzten und schwersten Sturme. Einen Augenblick lang beschießen die Batterien die beiden Brückenschanzen, und dann brechen die Sturmcolonnen unaufhaltsam wieder los, immer die 35er voran, der Gefahren nicht achtend. Sie verschwinden in dem Graben, gleich darauf erklimmen sie die Brustwehr, ein wüthender Bajonnetkampf – und der Brückenkopf ist unser. Schon vorher hatten die Dänen ihre Pontons theils verbrannt, theils abgefahren; Alles, was nicht schon am andern Ufer, ist gefangen in unsern Händen. Zwar spielen die Alsener Batterien und das Gewehrfeuer aus Schloß Sonderburg noch und tödten manchen braven Krieger, zwar antworten unsere gezogenen Feldbatterien noch eine Weile – alsdann aber wird Alles still: nach dem furchtbaren Gemetzel, nach den kolossalen Anstrengungen schöpfen die siegestrunkenen Truppen ein paar Minuten Athem.

Um zehn Uhr hatte der Sturm begonnen, um halb ein Uhr gab es keinen Feind mehr im Sundewitt, der nicht lebend oder todt in den Händen der Preußen war, und während dieser ganzen Zeit lag die Elite der dänischen Flotte unthätig nur einige Tausend Schritte vom Kampfplatz, wagte nicht, sich zu rühren, und that nicht einen einzigen Schuß. Der Kampf war vorüber, die blutige Arbeit gethan. Das Auge, das eben noch todesmuthig geblitzt, es sieht herunter zur Erde und schaut mit Wehmuth auf das Werk der Vernichtung; die Hand, die eben noch den Tod gab, sie beugt sich hernieder nach dem verwundeten Cameraden, nach dem verwundeten Feinde, sie beut ihm den letzten Tropfen aus der Feldflasche, sie hebt ihn auf, und das Gewehr wird zur Bahre, und die blutbespritzten Männer beginnen das Amt der barmherzigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_382.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)