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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

„Ich würde vorziehen, mich sofort wieder auf meinen Posten begeben zu können,“ versetzte der Cavaliere im Tone eines kaum zu bewältigenden Aergers; „ich hoffe, Sie erlauben das, Herr Graf, da ich Ihnen ja den Willen gethan, diesen Weg zu wählen, und dagegen nun das Versprechen Ihrer Discretion habe …“

„Sie haben allerdings den ersten Schritt, sich diese zu sichern, gethan, Cavaliere, doch noch nicht das Gelübde derselben von mir erhalten. Bitte, gewähren Sie mir die Ehre Ihrer Anwesenheit noch für einige Minuten; setzen wir uns.“

„Aber wenn ich Ihnen sage, daß ich durchaus keine Lust habe …“

„So sagen Sie mir freilich nichts, was ich mir nicht lebhaft vorstellen könnte,“ fiel ihm Kaunitz in’s Wort, indem er sich ruhig setzte, während der junge Mann vor ihm stehen blieb; „aber Sie wissen, Cavaliere: Necessità c’induce, e non diletto! und darum fügen Sie sich und … plaudern wir ein wenig. Sie wissen, ich bin Diplomat und also etwas neugieriger Natur – wollen Sie die Güte haben, mir einige Fragen zu beantworten?“

„Herr Graf,“ antwortete der junge Mann auffahrend, „ich meine, Fragen zu stellen, dazu wäre zunächst ich befugt. Ich begreife nicht, was Sie veranlaßt, sich so in meine Geheimnisse, die dazu nicht blos meine Geheimnisse sind, einzudrängen … ich muß Ihnen gestehen, daß ich diese Ueberrumpelung ein wenig unritterlich finde …“

„Still, still, Signor Cavaliere, machen Sie mich nicht zu Ihrem Feinde … wenn der König erführe, daß Sie Ihren Posten verlassen haben, und die Frau Marchesa von San Damiano, zu welchem Ende Sie dies thun … und wie Sie die ihrem Schutze anvertraute Signora Bianca um ihre Nachtruhe bringen – so wäre es für immer um Sie geschehen … Sie sehen ein, daß Sie mich zu Ihrem Freunde machen müssen! Nicht wahr?“

„Und wollen Sie sich diese Freundschaft abkaufen lassen … durch Bedingungen, die Sie daran knüpfen?“

„Allerdings, ich bin so unritterlich!“

„So reden Sie!“ versetzte der Cavaliere, indem er sich in tiefstem Unmuth in einen Sessel warf.

„Sie lieben die Nichte der Marchesa?“

„Ja!“

„Und weshalb wählen Sie diese halsbrecherischen Wege, um sie sprechen zu können?“

„Halsbrecherisch sind sie eben nicht,“ versetzte der junge Mann mit einem stolzen Lächeln. „Auf dem Dachboden über uns ist eben eine solche Maueröffnung und Thür im Schlot, wie die, durch welche ich in Ihr Zimmer gestiegen bin, so daß man sich ganz bequem hinablassen kann …“

„Und Ihr Savoyarden seid geborene Rauchfangfahrer!“ rief Kaunitz lachend aus. „Aber was verhindert Sie, Ihre Neigung offen zu gestehen und bei der Marchesa um die Hand ihrer Nichte zu werben?“

„Die Marchesa würde es nie zugeben!“

„Und weshalb nicht? Sind Sie nicht ein junger Mann aus dem besten Hause, wohlhabend, ja reich, so viel ich weiß, mit glänzenden Hoffnungen …?“

„Und dennoch würde sie es nie zugeben!“

„Aber der Grund?“

„Weil sie ein Weib ist,“ versetzte der Cavaliere mit einem Aufwerfen der Lippen, das unverkennbar den Ausdruck der Verachtung hatte.

„Ich verstehe,“ sagte Kaunitz mit einem schlauen Lächeln … „weil sie ein Weib ist! In der That, das ist schlimm! Bianca wird also für’s Erste nicht die Ihrige werden – es sei denn, daß sich die Diplomatie, die allein über ,Weiber’ etwas vermag, in’s Mittel legte!“

„Was wollen Sie damit andeuten?“

„Meinen Vorsatz, Ihnen zu helfen.“

„Sie sind sehr gütig, aber …“

„Wenn ich nun Ihre Hülfe nicht will, wollen Sie sagen …?“

„Das wollte ich allerdings!“

„So wollen Sie doch meine Freundschaft und meine Discretion erkaufen – – darüber waren wir einig.“

„Ja, Ihre Discretion … nennen Sie Ihre Bedingungen, Herr Graf!“

„Wenn nun die erste wäre, daß Sie ein wenig Ihren Groll gegen mich schwinden ließen und mit mehr Vertrauen auf meine Theilnahme für Ihre hoffnungslose Neigung bauten?“

„So würde ich diese Bedingung annehmen,“ sagte der junge Mann nach einer Pause mit verändertem Ton, wie durch den warmen und aufrichtigen Ausdruck, mit dem Kaunitz gesprochen hatte, betroffen.

„Meine zweite Bedingung,“ fuhr Kaunitz fort, „ist eine, die Ihnen schon etwas schwerer einzugehen sein wird; aber was wollen Sie – sie ist unerläßlich – und Sie müssen sich darein fügen!“

„Nennen Sie diese schwere Bedingung … sie wird nichts Unritterliches oder Unwürdiges enthalten, da Graf Kaunitz sie mir stellt!“

„Nichts Unritterliches – gewiß nicht,“ fiel Kaunitz mit ironischem Lächeln ein, „nur ein Bischen Untreue und Verrath gegen Ihre Geliebte, und das verstößt ja nicht gegen den Ehrencodex junger Ritter – Sie sollen nämlich für die nächsten acht bis vierzehn Tage Ihre Bianca zu vergessen scheinen und Mademoiselle Aimée de Brissac, der Verwandten des Barons von Breteuil, auf Tod und Leben den Hof machen!“

„Ist das Ihr Ernst!“

„Meine Bedingung, an die sich für Sie die Rettung aus einer sehr verzweifelten Situation und – die Hand Bianca’s knüpft.“

„Darf ich Bianca einweihen?“

„Nein, das dürfen Sie nicht. Ich werde Ihr Ehrenwort fordern, daß Sie schweigen! Nur unter dieser Bedingung werde auch ich schweigen und für Sie wirken!“

Der Cavaliere schien mit sich zu kämpfen.

„Sie fürchten Ihre Bianca zu verletzen, ihr den Schmerz der Eifersucht zu machen,“ fuhr der junge Diplomat fort, „aber würde es Sie weniger schmerzen, wenn man Sie morgen als untreuen Soldaten, der seinen Posten verlassen hat, in’s Fort Bard oder Gott weiß wohin auf viele Jahre als Gefangenen sendete?“

Die Gesichtszüge des Cavaliere zogen sich zornig zusammen, seine Augen sprühten Blitze auf Kaunitz.

„Und Sie wären wirklich im Stande, mich zu denunciren?“

„Täuschen Sie sich darüber nicht, Cavaliere … ich bin fest entschlossen, das zu thun! Gewiß nicht aus Freude am Unheilstiften; aber aus gebieterischen Gründen, die ich Ihnen nicht enthüllen kann und die Sie immerhin als mit meiner politischen Mission zusammenhängend annehmen dürfen “

„Nun, dann bin ich freilich völlig in Ihrer Hand!“

„Allerdings, aber diese Hand wird Sie zu Ihrem Glücke führen, glauben Sie mir das! Also, hab’ ich Ihr Wort? Wollen Sie thun, was ich verlange? Wollen Sie Demoiselle de Brissac mit einem Eifer den Hof machen, daß es die Gesellschaft bemerkt, und wollen Sie die Gunst der jungen Dame in einem Maße sich zu sichern suchen, daß Sie ihr ein Geschenk anbieten dürfen?“

„Welches Geschenk?“

„Nun, es wird sich finden! Also, hab’ ich Ihr Wort?“

„Kann ich Nein sagen?“

„So geben Sie mir Ihr Wort – geben Sie mir Ihre Hand darauf, daß Sie thun wollen, was ich verlangt, und daß Sie Ihrer Bianca mit keiner Sylbe verrathen wollen …“

„Wie lange soll diese Schauspielerei dauern?“

„Höchstens vierzehn Tage, dann werden Sie der Bräutigam Bianca’s sein!“

„Sie sagen das mit einer solchen Bestimmtheit, Herr Graf …“

„Daß Sie beginnen mir zu glauben? Desto besser! Desto eifriger werden Sie Ihr glänzendes Talent, Rollen zu spielen, das wir heute bewunderten, entwickeln. Also, ich habe Ihr Ehrenwort?“

„Sie haben mein Ehrenwort, Graf Kaunitz!“

„Nun, dann können wir uns als gute Freunde und Verbündete trennen. Ich darf nicht sagen: Schlafen Sie wohl, Cavaliere, – nur: eilen Sie jetzt auf Ihren Posten zurück und denken Sie nach, wo Sie sich gleich morgen Mademoiselle de Brissac nähern können! Addio, Signore!“

Der junge Mann stand auf, verbeugte sich leicht vor Kaunitz, und dieser leuchtete ihm durch seine Vorzimmer. Als er zurückgekommen, lag ein triumphirendes Lächeln auf seinem Gesichte.

„In welch’ vortreffliche Geschichte hat sich dieser Kaminspuk für uns aufgelöst!“ sagte er, „und,“ setzte er leiser und nach dem Kamin hin horchend hinzu … „welche liebenswürdige Nachbarin haben wir da entdeckt!“




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