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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Vor Postschluß am Freitag Abend in London.
Originalzeichnung unseres Londoner Specialartisten.

Parlamente vorgelegt, allein keiner dieser Pläne fand die Genehmigung der Landesvertretung. Da schleuderte im Jahre 1837 ein Mann, den Wenige kannten, der Secretär irgend einer der vielen englischen Colonisationsgesellschaften, der noch vor kurzer Zeit den Schulbakel geschwungen hatte, eine Flugschrift in die britische Welt, „die Reform des Postwesens, ihre Bedeutung und ihre Ausführbarkeit“, deren Gewalt endlich der alte Schlendrian der englischen Postverwaltung nicht zu widerstehen vermochte. Mit schonungsloser Hand deckte er in dieser Brochüre die Schäden des bisherigen Postsystems auf, wies nach, daß die complicirte Controle, welcher Annahme und Bestellung der Briefe unterlagen, allein zwei Drittel der gesammten Verwaltungskosten verschlang, und schlug ein einfaches Radicalmittel gegen alle jene Gebrechen vor: die Festsetzung einer und derselben Portotaxe durch das ganze Land für ein bestimmtes Gewicht, – er erfand das sogenannte Penny-Postsystem, das seitdem allen Postreformen auch auf dem Continente zum Vorbild gedient hat.

Die Schrift erregte ungeheueres Aufsehen in ganz Großbritannien und fand beim Publicum, namentlich beim mercantilischen, die enthusiastischste Aufnahme, so daß in kurzer Zeit drei starke Auflagen des Werkchens gedruckt wurden. Aber Rowland Hill – so hieß der Verfasser desselben – sollte auch in England erfahren, wie schwer es ist, mit neuen Ideen durchzudringen, wie fest allenthalben die alten Zöpfe zu sitzen pflegen. Obwohl viele Hunderte von Petitionen das Parlament um Annahme der Hill’schen Vorschläge bestürmten; wennschon das Unterhaus noch im nämlichen Jahre eine Commission zur Untersuchung des Planes niedersetzte; obgleich einige der angesehensten Whigs sich für das Project warm interessirten: so stellte doch der damalige Generalpostmeister, Lord Lichfield, dem Oberhause das Hill’sche Project dar als „ein Hirngespinst, das überschwänglichste und phantastischste, von welchem er je gehört.“ Erst 1839 drang die Hill’sche Reform durch, aber auch da vorerst nur in sehr beschnittener Weise. Man konnte sich noch immer der Furcht nicht entschlagen, daß mit ihrer vollen Einführung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_477.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)