Seite:Die Gartenlaube (1864) 604.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

den das Schienbein umhüllenden Theil des Folterstiefels. Die Schmerzen, welche diese Schläge verursachten, müssen entsetzlich gewesen sein, denn häufig folgte hierauf das erpreßte Bekenntniß.

Fig. VII. Das Rad.

„Die Scharffrichter sollen mit den Schlüsseln gegen die Beinschienen kloppen, da der Schmerz denn empfindlicher wird. Auch sollen sie solche lüften. So sie die Schienen abnehmen, müssen die Füß braun (!) und blau (!) sehen, als hätte man eine Form hineingedrücket. Zuweilen, wenn der Scharffrichter ungeschickt schraubet, läuffet das Blut an den Beinen herab, wo denn der Judex dreinreden sol.“

Fig. VIIIa.
Der Hexenhaken.

Fig. VIIIb.
Der kunstge-
recht geschlun-
gene Strang
zum Hängen.

So sagt die sächsische Halsgerichtsordnung von 1693. Die fast hundert Jahre später erschienene theresianische bestimmt fünfzehn Minuten Dauer für diesen Foltergrad „bei großen Bösewichtern“ und befiehlt dem Richter, besonders darauf zu sehen, „daß der Freimann nicht die Schienbeine breche, sondern menschlich (!) mit dem Sünder umgehe“. – Es ist überhaupt bemerkenswerth, daß in den Vorschriften so häufig ein Ton von Wohlwollen durchklingt, z. B. „wenn man den Sünder von der Leiter fallen ließe, so könnte er sich den Rücken brechen, oder die Arme verrenken!!“ Dafür zerrte sie ihm der Henker auseinander! – Oft werden Richter und Henker vor „grausamen Handlungen“ gewarnt, während sie doch Stunden lang den Höllenqualen ihrer Mitgeschöpfe beiwohnten.

Fig. IX. Würgbirne
Geschlossen.     Göffnet.

In einem Artikel der sächsischen Halsgerichtsordnung wird streng befohlen, „die Tortur Morgens vorzunehmen, da der Reus ganz nüchtern ist. Denn hätte er gegessen, so würde ihm durch Umdrehung des Magens und Erbrechen nicht allein schwerere Pein am Leibe, sondern auch Schaden an der Gesundheit zugefüget.“ – Es scheint fast, als hätte man sich hin und wider der Gewaltmaßregeln geschämt und sich hinter solchen nichtigen Auslassungen verschanzt. Zuweilen wird der Scharfrichter aber auch vor den Hexen bei der Folter gewarnt, „daß sie seinem Leibe nicht schaden. Wie denn zu Eisenach Anno 1661 eine Hexe, die alte Hirtin genannt, bei der Tortur den Nachrichter zu Mühlhausen, Werner, als er sie mit abgewendetem Gesichte auf die Leiter ziehen wollte, ehe er sich dessen versahe, durch das Koller in die Achsel gebissen, darvon er ohnmächtig geworden.“ – Häufig wird der Henker gewarnt, keine Zaubermittel bei der Tortur anzuwenden.

Die Inquisitin sitzt auf dem Folterschemel und hat die Beinschrauben an. „Da sie den Henker bittet, er solle ihr sagen, was sie schwatzen müsse, antwortet er: ‚Ich will Dir schon weisen, was Du sagen sollst.‘ Er zieht die Schlüssel an.

Fig. X.
Die Spinne.

Inquisitin: ,Au, Meister Hans, thut gemach! laßt mich besinnen.‘

Scharffrichter: ,Ei was, dazu ist Zeit genung gewesen.‘ Er schraubt das rechte Bein zu.

Illa: ,Au weh, Ihr bringt mich um’s Leben! Das kann kein Pferd aushalten.‘

Fig. XI.
Die
Brandmarke.

Worauf aber der Richter befahl, ihr mit der Beinschraube hefftig zuzusetzen, bis der Seiger fünff Striche vor Voll stand. Worauff die Inquisitin ein so furchtbares Brüllen erhoben, daß Alle sich entsetzet, auch in eine Ohnmacht verfallen, die Mundwinkel verzogen, endlich, als der Scharffrichter mit dem Schlüssel die Schienbeine geklopfet, aus der Ohnmacht erwecket (!) und geruffen: ,Ich will Alles bekennen, nehmet mir die Dinger von den Beinen.‘ Hier befiehlt der Richter, die Inquisitin herabzunehmen und ermahnet sie noch ein Mal, Alles zu gestehen.“

Fig. XII.
Die Schandlarve.

Die Willenskraft der Unglücklichen ist durch die ungeheuren Schmerzen gebrochen, sie vermag nicht mehr zu widerstehen. Sie bekennt. – Die in den Protokollen enthaltenen Vorschriften bezüglich der Abnahme der Bekenntnisse, so wie diese selbst, sind fast stets dieselben. Sie sind so haarsträubender Art, so fürchterlichen Inhaltes, daß Mitleid, Schauer über die schreckenerregende Verfinsterung der Geister und Unwillen über die Willkür der geistig beschränkten Richter mit einander wechseln, wenn man die Acten durchliest. Bündniß mit dem Satan, der als Junker Hans, Fritz, David oder so ähnlich benannt erscheint, Hexentänze in der Teufelsnacht, Geständnisse von angestiftetem Unheil, getödtetem Vieh, verzauberten Kindern, Hineinbeschwören der sogenannten „Elben“ oder bösen Dinger in den Körper eines Feindes, Liebschaft mit dem Teufel und endlich das Zugeständniß, daß der böse Voland sie auf der Folter in Gestalt einer Maus oder Fliege besucht, sie aber endlich verlassen – dies Alles wogt und wirbelt wüst durcheinander, die Actenfascikel der Gerichtshöfe mit beklagenswerthem Unsinn füllend.

Noch nicht recht gelüftet ist ein Theil des Schleiers, welcher die Mysterien der Hexenprocesse bedeckt, das sind die fast unbegreiflichen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_604.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)