Seite:Die Gartenlaube (1864) 653.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

fixirte monatliche Kometeneinnahme anhielt, mochte es gehen; als aber in Folge der Strömung einer neuen politischen Zeit das betreffende Journal einging, war der zeitherige Redacteur lediglich auf den Erwerb durch Romanschriftstellerei angewiesen.

Von hier beginnt unstreitig die trübste Periode in dem Leben unsers Dichters, da sich zu den Sorgen für die Existenz auch noch zunehmende Kränklichkeit gesellte, wodurch Muse und Schaffungskraft in hohem Grade beeinträchtigt wurden. In diese Zeit fällt auch ein Brief Saphir’s aus Wien, welcher unsern Freund auf das Allerschmerzlichste verwundete; wahrscheinlich weil der kranke Mann die darin allerdings sehr rücksichtlos ausgesprochene Wahrheit im Stillen doch anerkennen mochte. Saphir hatte nämlich in dem Briefe ein sehr demüthigendes, ja verletzendes Urtheil über Herloßsohn ausgesprochen, das mit den lieblosen Worten schloß: „werft ihn zu den Todten“, und der Briefempfänger war abscheulich genug gewesen, dieses Schreiben in des bereits kränkelnden Schriftstellers Hand gelangen zu lassen.

Ein Kleeblatt aus der Musenwelt.
Herloßsohn. Berthold. Lortzing.

Er war, wie gesagt, tief, tief gebeugt, als ich ihn eines Tages besuchte. „Da lies einmal,“ sprach er mit matter Stimme, „was der Saphir schreibt,“ und gab mir dies lieblose Schreiben. Ich war tief empört, mehr über die unglückselige Dienstfertigkeit des angeblichen Freundes, als über Saphir, der gewiß keine Ahnung gehabt, daß sein Schreiben je Herloßsohn zu Gesicht kommen werde. Das Halsübel unseres Freundes nahm indeß von Woche zu Woche zu und die Erwerbfähigkeit immer mehr ab; die Sorgen um des Leibes Nahrung und Nothdurft wurden immer drückender. Die Opferwilligkeit von des Dichters zahlreichen und darunter sehr begüterten Freunden mußte wiederholt in Anspruch genommen werden; aber was stumpft wohl leichter ab als Wohlthätigkeitssinn! Wenn ich in damaliger Zeit nach Leipzig kam, war stets mein erster Gang zu dem alten Freunde. Ich sprach ihn das letzte Mal im Spätherbst 1849. Er saß matt und mit erloschnen Augen im Sopha seines Erkerzimmers in der Hainstraße. Auf meine teilnehmende Anfrage erwiderte er: „Es geht schlecht, recht schlecht,“ und mit bitterm Lächeln fügte er hinzu: „sieh mal, wie das Schicksal ironisch mit mir spielt. Was hab’ ich mich jahrelang gesehnt, einmal weit ab von dem wüsten und betäubenden Stadtlärm in freundlicher ländlicher Abgeschiedenheit recht ungestört arbeiten zu können nach Herzenslust – jetzt schreibt mir der K…[1], ich soll zu ihm ziehen, er will mir ein freundlich Stüblein einräumen, im Frühling und Sommer mit erquicklicher Aussicht in’s Grüne; ich soll für nichts zu sorgen haben, um recht ungestört arbeiten zu können, und nun bin ich so schwach.“

Ich tröstete so viel ich konnte und schied mit tiefer Wehmuth im Herzen von dem alten Freunde.

Kurze Zeit darauf erhielt ich die Nachricht, daß derselbe ins Krankenhaus aufgenommen und wenige Wochen später gestorben sei. In allen Blättern, welche die Todesnachricht brachten, sprach sich die große Liebe aus, die der Dichter im Leben genossen. Sehr wahr hat ihn damals Ernst Keil im Leuchtthurm in einem kurzen Nachruf charakterisirt:


  1. Ein Herloßsohn seit Jahren befreundeter Buchhändler in Böhmen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_653.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)