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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

sind und namentlich an ihren Anfangs- und Endpunkten einen malerisch imposanten Anblick gewähren. Der Besitz der Bauergüter des Dorfes machte, wegen eines rationelleren Wirthschaftsbetriebes, auch neue Wirthschaftsgebäude nothwendig, die im Jahre 1860 erbaut worden und in ihrer Art Sehenswürdigkeiten durch Zweckmäßigkeit und Geschmack der Anlage sind; dies gilt namentlich auch von Heine’s stattlichem Wohnhaus, von dessen dreiunddreißig Ellen hohem Thurme man bei günstiger Witterung eine Fernsicht bis Schkeuditz und Lützen hat. Die Heine’sche Oekonomie (mit ihren 80 Milchkühen, 30 Pferden etc.) kann jeder Musterwirthschaft zur Seite gestellt werden. Sie war es, die den Director der landwirthschaftlichen Lehranstalt zu Lützschena, Vogeley, bewog, vor einigen Jahren seine Anstalt nach Plagwitz zu verlegen; hier erfreut sie sich seitdem eines zahlreichen Zuspruchs, wozu namentlich der Umstand beiträgt, daß den Zöglingen durch die unmittelbare Nähe Leipzigs die Möglichkeit gegeben ist, Collegia an der Universität zu hören. Gegenwärtig ist diese Anstalt von Jünglingen aus mehr als zwanzig deutschen Staaten besucht.

Das gesammte Heine’sche Areal an Feldern und Wiesen in Plagwitzer und den angrenzenden Fluren beläuft sich dermalen auf circa 400 Acker, worunter mehr als zwei Millionen Quadrat-Ellen zum Bauen geeignetes Land sich befinden. –

Die Entwickelung des Dorfes geschah in fast amerikanischem Maßstab. Als Heine 1854 den ersten Kauf dort that, mochte ganz Plagwitz 14 bis 16 Häuser zählen, schon 1858 war es auf 42 Häuser mit 457 Einwohnern gestiegen, und gegenwärtig hat es weit über 100 Häuser mit mehr als 1500 Einwohnern. Die Mehrzahl der Häuser baute Heine selbst oder trug wenigstens zum Bau bei; auch eine Schule gab er dem Orte und sorgte endlich dafür, daß er, gemeinschaftlich mit dem nahen Nachbardorf Lindenau (1000 Einwohner) Gasbeleuchtung erhielt. Die Gasanstalt ist seit Michaelis 1863 in Betrieb.

Werfen wir noch einen Blick auf Heine’s größtes Unternehmen, den Canal, welcher Leipzig, und zwar von seinen Bahnhöfen aus, mit der Saale verbinden soll. Die Eisenbahnen ließen den Werth schiffbarer Canäle eine Zeit lang zurücksetzen, und noch jetzt sind die Vorurtheile gegen sie nicht ganz überwunden. Geläuterte Begriffe der Volkswirthschaftslehre, von der Erfahrung geprüfte Berechnungen über Verkehrskosten allein bringen sie wieder zu Ehren. Namentlich ist nun Leipzig in dem Fall, doppelten Gewinn von einer großen Wasserstraße zu ziehen, weil sie die Regulirung ihrer zahlreichen Wasserarme erleichtert und die Trockenlegung großer werthvoller Landstrecken ermöglicht, während sie zugleich die Kosten der Herbeischaffung von Häuser- und Straßenbau-Material außerordentlich verringert. Man berechne nur, welche Vortheile die Beschaffung von Steinen, Kalk, Kies, Thon, Sand u. dergl. Rohmaterial gewähren würde, und man wird Heine beistimmen, wenn er behauptet, daß der Entwickelung jeder Stadt engere Grenzen gezogen sind, sofern sie eine Wasserstraße nicht besitzt. – Gegenwärtig hält der Bau an seiner schwierigsten Stelle, „wo das zu bearbeitende Land aus harten Steinmassen besteht und der Durchbruch in einer Tiefe von 49 Fuß herzustellen ist, während in einer Entfernung von 40 Ruthen das Terrain merklich fällt, so daß in einer Entfernung von 6000 Ellen dem Canalbette nur eine Tiefe von drei Ellen zu geben sein wird.“ – Man kann von diesem Werke nicht scheiden ohne den Wunsch, daß es zum Wohl und zur Ehre der Stadt, des Landes und des kühnen Mannes kein Anfang ohne Ende bleiben möge.

Die Leser der Gartenlaube müssen es diesem Artikel verzeihen, wenn ihm vielleicht hier und da eine zu starke Localfärbung anhaften sollte. Es ist oben angedeutet, und sie haben nunmehr ersehen, daß Heine’s Wirken, wie auch die Folgen seiner Unternehmungen über weitere Gebiete segensreich sich später ausbreiten mögen, doch gegenwärtig die engen Grenzen der nächsten Umgebung seiner Vaterstadt und seines dermaligen Wohnsitzes nicht übersteigt. Wenn aber auf so beschränktem Raume so Großes mit so eifriger Anstrengung geschaffen wurde, so verdient es wohl die Ehre, als Muster für viele andere Orte aufgestellt zu werden, und dann ist es doch immer ein deutsches Stückchen Erde, wo so Tüchtiges vollbracht wird, und ist’s ein deutscher Mann, der es vollbringt.

Wir eilen nun zu den Festschaaren, mit denen wir gekommen sind, und freuen uns mit allen Gästen, den rastlosen, mit dem Augenblick geizenden Industrie-Pionier und Wasserbahnbrecher als ebenso liebenswürdigen Wirth und noch mehr, als väterlichen Freund seiner Arbeiter achten zu lernen. Wir kommen eben zurecht, um den Anmarsch der fünfhundert Arbeiter, gefahren- und wettererprobte Männer jeden Alters, zu sehen. Sie begrüßt Heine mit einer Rede, die Allen das Herz erhebt, Alle begeistert für Das, was er in ebenso einfachen als schönen Worten preist: die Ehre der Arbeit! Mit der Dankbarkeit eines edeln Gemüths gedenkt er der Hingebung, mit welcher seine Arbeiter so oft ihrem schweren Werke obliegen müssen, einer Hingebung, welcher Geld keinen Lohn zu gewähren vermöge, welche nur das tiefe Bewußtsein belohnen könne, daß die Arbeit die höchste Zierde des Menschen und zugleich seine höchste Genugthuung sei. Gleich herzlich erhebt er das Verdienst der allgemein geliebten und geachteten Führer seiner Arbeiter, dankt Allen, die in schweren Stunden den Muth nicht sinken ließen, und schließt mit einem Hoch auf das Wohl aller seiner Arbeiter. – Und wie nun Dr. Ferdinand Götz von Lindenau, allen Turnern des Vaterlandes bekannt, das Wort Allen aus der Seele nehmend, Heine als den Mann preist, der, unter Tausenden, ja Hunderttausenden einzig dastehend, seine Werke so thatkräftig ihrem Ziele entgegenzuführen vermöge, ein Vorbild des echten Bürgersinns, frei von kleinlichen Bedenken und ängstlichem Zaudern, und mit dem Wunsche schließt, daß der Mann uns und allem Guten noch recht lange erhalten bleiben möge, da erschallt ein Hoch, wie es nur die wahrste Begeisterung bringt und das sein Echo finden möge, so weit die Gartenlaube zu Herzen redet, die gleicher Begeisterung für alles Große im Vaterlande fähig sind.




Wie soll man essen?


Je mehr in dem ruhelosen Treiben und Jagen des geschäftlichen Lebens das Essen selbst zu einem bloßen Geschäfte wird, dem man möglichst wenig Aufmerksamkeit und Zeit gönnen will, desto häufiger finden die Aerzte Gelegenheit, Folgezustände dieser Ueberhastung zu beobachten und zu behandeln, die man sonst nur bei unpassender Nahrung oder bei Ueberladung des Magens finden konnte. Mannigfaltige Verdauungsstörungen, wie Druck im Magen und Unterleibe, sogenannte Verschleimung u. a. m., selbst Darniederliegen der gesammten Ernährung kommen endlich zu Tage und werden mehr oder weniger kunstgerecht mit Arzneimitteln, Mineralwässern und Wassercuren, mit Bullrich’schem Salz, Hoff’schem Malzextract, Daubitz’schem Kräuterliqueur und unzähligen andern Mitteln, Mittelchen und Methoden behandelt und gemißhandelt.

Die Alten hatten nicht Unrecht, die Hauptmahlzeit wenigstens mit religiösen Gebräuchen zu umgeben, welche nicht nur sinnbildlich die Bedeutung der Handlung darstellten, als des ersten Schrittes eines Lebensvorganges, der dem Blute neue Stoffe zuführt, aus welchen der Körper seine Wärme und sein Wachsthum, die Muskeln und Nerven ihre Kräfte, das Gehirn die Grundlage und Bedingungen aller Vorstellungen und Gedanken, kurz aller Geistesthätigkeit beziehen, sondern welche auch dem Körper und dem Geiste die Ruhe und Sammlung verliehen, die dieser wichtigen Lebensgrundlage zukommt. Denn das Essen ist nicht allein die Speisung einer Maschine, durch welche dieselbe in Gang gesetzt und erhalten wird, sondern zugleich der Anfang der steten Erneuerung dieser Maschine selbst, ohne welche dieselbe alsbald abgenutzt sein würde.

Die Nahrungsstoffe und Speisen, ihre Zubereitung und Menge sind allerdings von der höchsten Wichtigkeit, aber fast nicht geringere Bedeutung kommt auch der Art und Weise des Essens zu, die keineswegs immer dem Zwecke entspricht, das Genossene möglichst vollständig auszunutzen und mit möglichst sparsamer Verwendung von Mitteln und Kräften dem Organismus neue Kraftquellen zuzuführen. Schon die Zeit des Essens wird namentlich in den größeren Städten oft mehr als gut ist durch die Tagesgeschäfte bedingt, wodurch dann die rasche Abnutzung der Geschäftsleute großentheils mit herbeigeführt wird. Denn trotz aller Biegsamkeit und Schnellkraft der menschlichen Natur, welche es erlaubt, sich den verschiedensten Lebensbedingungen anzuschmiegen, werden doch

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