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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ihnen,“ setzte er mit einer furchtbar ausbrechenden Leidenschaftlichkeit hinzu, „keine weiteren Abenteuer mit dieser Dame zu suchen, sonst jag’ ich Ihnen eine Kugel durch den Kopf, so wahr ich Allmer heiße!“

„In der That?“ sagte Horst bitter auflachend; „so habe ich recht gesehen – das ist des Pudels Kern. Nun wohl, da ich ebenso große Lust habe, Sie für Ihre Verrätherei zu strafen, so kann ja uns Beiden geholfen werden … haben Sie jetzt die Güte, mich zu verlassen … ich bin Ihrer Sendung mit Vorschlägen des Wann? und Wo? gewärtig. Gehen Sie.“

„Sie werden von mir hören,“ sagte Allmer und ging. – Am andern Morgen, als Horst das Frühstück gebracht wurde, meldete ihm der Bediente, daß der Herr Administrator in der Frühe abgereist sei, mit der Aeußerung, er werde nicht wieder zurückkehren.

„Desto besser!“ sagte Horst, diesmal sehr beruhigt und ohne jeden Anflug von Selbstvorwürfen.

Als er ein paar Stunden später in den Hof hinabging, um satteln zu lassen und den Weg nach Schollbeck anzutreten, kam er an der offenen Thür von Allmer’s Zimmer vorüber, aus dem eine Magd den Staub fortkehrte; in dem Kehricht lagen zerrissene Stücke eines Billets … Horst nahm sie auf und indem er sie zusammenfügte, las er die Worte: „Nach einer längeren Erörterung, die ich eben mit meiner Tochter hatte, sehe ich mich zu meinem Bedauern gezwungen, Sie zu bitten, Ihre Besuche in meinem Hause nicht fortsetzen zu wollen. Seien Sie dagegen überzeugt, daß in der bewußten Angelegenheit mich nichts zu einem Schritte führen kann, der Sie compromittiren würde. Achtungsvoll von Schollbeck.“

„Der ritterliche alte Herr!“ sagte Horst lächelnd, „wie besorgt er ist, diesen Lügner nicht zu compromittiren! Und dies also ist der Schlüssel zu Allmer’s Geständniß und Absichten von gestern Abend … Wie kann die Leidenschaft einen ehrlichen Menschen zum Schufte machen!“

Nach einer starken halben Stunde hatte er die Brücke vor Haus Schollbeck erreicht. Der Mann im Wächterhäuschen nickte diesmal, ehe er noch eine Frage nach der Herrschaft ausgesprochen, bejahend zu, und Horst überließ ihm die Sorge für sein Pferd.

Dann schritt er der Eingangsthür zu; ehe er sie erreicht, trat ihm Eugenie im Morgenanzug, ein Körbchen mit Arbeit in der Hand, entgegen, sie wollte sich zu dem Platze im Schatten des alten Thurmes begeben. Als sie Horst erblickte, übergoß eine dunkle Röthe ihr Gesicht bis unter die Haarwurzeln. Ebenso verlegen, wie sie, streckte ihr Horst die Hand entgegen, die sie leise drückte.

„Sie kommen früh,“ sagte sie, „der Vater ist noch in seinen Zimmern.“

„Ich komme früh, weil ich Ihnen viel zu sagen habe,“ versetzte Horst……es ist mir so, als hätte ich den ganzen Tag dazu nöthig und würde doch darin nicht fertig.“

„In der That,“ antwortete Eugenie rasch mit wachsender Verlegenheit, „Sie haben gewiß viel, recht viel zu erzählen … und wir dagegen haben Ihnen viel, recht viel zu zeigen; der Vater wird Sie nicht entlassen, ohne daß Sie alle seine Herrlichkeiten bewundert haben … kommen Sie, ich will Ihnen einen Vorgeschmack davon geben … es ist zwar grausam, daß ich den Vater um einen Theil seines Vergnügens bringe, aber … ich möchte Ihnen etwas zeigen, das Sie gleich sehen sollen … kommen Sie hierhin, die Treppen hinauf!“

Horst war an Eugeniens Seite in das Haus eingetreten, in einen Flur, wo seltsame Geweihe von Dam- und Elenthieren über den dunkelgebohnten Thüren prangten. Eine Treppe mit schwerem Geländer aus Eichenholz führte in den ersten Stock, und der Treppenraum, der Corridor, zu welchem die Stufen führten, Alles zeigte, daß man sich im Hause eines Sammlers befand. In Schränken, auf Consolen, an den Wänden standen ausgestopfte Thiere aller Art; große Uhus und Raubvögel schwebten an Drähten aufgehängt von der Decke nieder; alte Bilder hingen über den Thüren.

Als Eugenie eine von diesen öffnete, trat Horst in ein Cabinet, welches zur Hälfte eine Sammlung von Oelgemälden sehr verschiedenen Werths, wie es Horst bei einem flüchtigen Ueberblick schien, einnahm, während an der gegenüberliegenden Wand Schränke standen, die mit Terracotten, Majoliken und altem Porzellan aller Art angefüllt waren.

„Und setzen Sie bei mir die Stimmung voraus, Fräulein Eugenie, daß ich das jetzt ansehen, bewundern soll?“ fragte Horst, seine Blicke zu dem jungen Mädchen zurückkehren lassend und ihr Auge suchend.

„Nein,“ versetzte sie, „Sie dürfen es jetzt nicht bewundern, da muß erst der Vater dabei sein, folgen Sie mir hierhin, in diesen Saal, in die eigentliche Kunsthalle, wie der Vater sagt.“

Horst schritt ihr folgend durch die offene Seitenthür in die „Kunsthalle“. Es war ein Saal mit drei Fenstern, angefüllt mit Gemälden, mit schönen alterthümlichen Möbeln von vortrefflicher Schnitzarbeit, mit einer Menge kostbaren Alterthums, und dem mittleren Fenster gegenüber in einer Nische auf ihrem marmornen Sockel stand die Flora in ihrer ganzen Schönheit.

„Ihr Vater muß ein großer Verehrer der Kunst sein,“ sagte Horst der Statue näher tretend, „daß sein Herz von einem Bildwerk so erwärmt wird, um ihm den Ofen zu ersetzen, der in andern Häusern diese Stelle einnimmt!“

„Und das ist Alles, was Sie dazu sagen?“

„Was soll ich sagen … es ist meine Flora!“ versetzte gleichmüthig Horst.

„Deren Verlust Sie so in Harnisch brachte, daß Sie einen Gypsabguß zum Fenster hinausschleuderten und mein Vater fürchtete, Sie würden ihn erwürgen, wenn …“

„In welchem Lichte mag dieser … dieser Allmer mich Ihnen dargestellt haben!“ sagte leise und fast flehend zu Eugenien aufblickend Horst.

„Es ist Ihre Flora,“ fuhr Eugenie fort, „und Sie“ – ihre Lippe zitterte vor Bewegung, als sie weiter sprach – „Sie werden sie jetzt zurückverlangen.“

Horst blickte in ihr Auge, das mit eigenthümlicher Spannung an seiner Lippe hing.

„Hängt Ihr Vater so sehr daran?“

„Mit seiner ganzen Seele!“

„Wie Sie an Falkenrieth, Eugenie … ebenso sehr? Antworten Sie mir, ebenso sehr?“

„Und weshalb bringen Sie das damit in Verbindung?“

„Weil ich Ihnen dann einen Handel vorschlagen möchte.

Nehmen Sie Falkenrieth zum Geschenke von mir an, und dagegen erspart mir Ihr Vater den Verdruß, die Flora wieder in meinem Hause sehen und mich täglich an eine Handlung kindischer, kläglicher Leidenschaftlichkeit erinnern zu müssen!“

„Mein Gott,“ sagte Eugenie zitternd, „wie können Sie im Ernste glauben …“

„Daß Sie Falkenrieth von mir annehmen würden … in der That, Eugenie, es gehört eine große Verwegenheit dazu, es zu hoffen … Sie hielten mich für einen bösen Menschen, und ich mußte Ihnen ja nicht nur erst beweisen, daß ich ein guter und harmloser bin, sondern Sie mußten mir vorher auch ein wenig gut werden … und das, das hab’ ich freilich nicht um Sie verdient, und es wird mir dabei vielleicht auch nichts helfen, wenn ich Ihnen eben das Alles sage, was so lang ist, daß ich in einem Tage nicht damit fertig zu werden meine …“

„Nun,“ sagte Eugenie ihm lächelnd die Hand hinstreckend, „so versuchen Sie’s einmal … wir haben ja Zeit!“

Er zog leidenschaftlich ihre Hand an seine Lippen, die sie ihm anfangs ruhig überließ; aber mit einem leisen Schrei entzog sie ihm dieselbe plötzlich und rief aus: „Mein Vater!“

Eine Seitenthür hatte sich geöffnet, und Herr von Schollbeck war eingetreten. Der alte Herr war offenbar sehr erschrocken, Horst vor seiner Flora zu sehen.

„Eugenie!“ rief er vorwurfsvoll aus … und zugleich maß er mit verwunderten Blicken die Gruppe der beiden jungen Leute, die beide eine gewisse Bestürzung nicht verkennen ließen; Eugenie flog auf ihn zu und warf sich in einer Weise an seine Brust, die durch die Situation gar nicht motivirt erschien.

Horst war unterdeß dem alten Herrn ebenfalls näher getreten.

„Wir haben von der Statue geredet, Herr von Schollbeck,“ sagte er verwirrt … „und ich habe gewagt, Fräulein Eugenie einen Handel vorzuschlagen, bei dem es Ihrer Genehmigung …“

„O Sie wollen am Ende, ich soll für die Flora mein Kind hergeben,“ rief Herr von Schollbeck halb bestürzt halb gerührt aus.

„Nein, so viel ist die Flora nicht werth,“ fiel Horst rasch ein … aber Fräulein Eugenie hat mir Hoffnung gemacht, daß Sie die Statue behalten würden, wenn ich erst alles das gesagt, was sie mir versprochen hat anzuhören!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_707.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)