Seite:Die Gartenlaube (1864) 733.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

hat, so sucht man dem Feuer durch Einreißen des anstoßenden Daches Einhalt zu thun. Nichts hilft, denn die Gluth ist viel zu intensiv und überspringt die Lücken. Es brennt weiter, und hört auch nicht eher auf, als bis der zwanzig Häuser zählende Gebäudecomplex den Flammen zum Opfer gefallen ist. Auf dem Platze, wo die Spritzen stehen, mit denen eben gar nichts geleistet worden ist, herrscht fast vollkommene Ruhe. Sie sind von der Mannschaft verlassen; nur hinter einem umgestürzten Sturmfasse liegen einige Männer, nicht etwa um von ihren Anstrengungen auszuruhen, sondern vielmehr – um ihren Rausch auszuschlafen.

Dies eine kurze, aber bestimmt nicht übertriebene Schilderung der Thätigkeit nicht organisirter und ungeübter Mannschaften bei Gelegenheit eines Schadenfeuers.

Betrachten wir nun einmal das Gegenbild. Als Muster steht in dieser Beziehung die Berliner Feuerwehr da. Freilich ist dieselbe fest besoldet und militärisch organisirt, sowie vermöge der in den verschiedenen Stadttheilen vertheilten, unter einander und mit dem Polizeigebäude in telegraphischer Verbindung stehenden Feuerwachen in den Stand gesetzt, schnell bei einem Schadenfeuer zur Hand zu sein. Derartige Einrichtungen sind natürlich nur in größeren Städten möglich. Auf diese Vorzüge kommt es aber vor der Hand gar nicht an, betrachten wir vielmehr die Thätigkeit der alarmirten Mannschaften bei einer Feuersbrunst.

3. Die Rettungsleiter.

Sobald das Commando zum Instandsetzen der Geräthe erfolgt, begiebt sich Jeder, ohne ein Wort zu sprechen, an seinen Posten, und in wenigen Minuten ist Alles fix und fertig. Das nöthige Wasser liefert entweder die Wasserleitung, oder es wird durch große, mit zwei Pferden bespannte Wasserfässer, und nebenbei auch durch von der Mannschaft transportirte Rädertienen in der nöthigen Menge herbeigeschafft. Die Spritzenmannschaften beginnen ihre Thätigkeit, und in das brennende Haus werden, dafern dies nöthig, Feuermänner beordert, welche die Möbel von den Wänden in die Mitte jedes Zimmers rücken und mit einer wasserdichten Decke überdecken, um sie auf diese Weise vor dem aus den oberen Etagen gewöhnlich zuerst an den Wänden herablaufenden Wasser zu schützen. Befinden sich in der Nähe des Feuers leicht brennbare Gegenstände, so werden diese schleunigst durch die Mannschaften, denen die dazu nöthigen Geräthe zu Gebote stehen, entfernt. Um die Verbindung mit den oberen Etagen an der Außenseite des Hauses herzustellen, oder um Menschenleben, die sich in Gefahr befinden, von dort zu retten, werden die Rettungsleitern geschlagen. Hiervon wird jedoch nur in den allernöthigsten Fällen Gebrauch gemacht, denn es wird eben nichts ausgeführt, wozu kein triftiger Grund vorhanden ist. Bei einer größeren Feuersbrunst werden sofort die nöthigen Maßregeln getroffen, um die Ausbreitung zu verhindern. Das Feuer wird von allen Seiten energisch in Angriff genommen, und es ist bisher immer gelungen, derartige größere Brände, die nur dann entstehen, wenn die Feuerwehr zu spät alarmirt wird, in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu löschen. Mit derselben Ruhe, wie die Mannschaft gekommen ist und gearbeitet hat, geht sie auf gegebenen Befehl zurück, macht die verschiedenen Geräthe zum Abmarsch fertig und fährt nach ihren Wachen ab.

Dieses System muß von jeder freiwilligen Feuerwehr befolgt werden, wenn sie den Anspruch auf Organisation und Disciplin machen will. Das wird übrigens allenthalben begriffen. Gar zu peinlich braucht man dabei in Bezug auf gewisse Einzelheiten nicht zu sein; die Hauptsache bleibt, daß die Mannschaften das gegebene Commando befolgen und schnell ausführen, und dazu gehören natürlich Unterordnung und Uebung.

4. Der Aufstieg.

Auch die Leipziger Turnerfeuerwehr genießt eines wohlverdienten Rufes. Wir geben im Nachstehenden die Abbildungen einiger von ihr benutzten Geräthschaften, die sich durch ihre Zweckmäßigkeit zu allgemeiner Annahme empfehlen. Die von der Turnerfeuerwehr bedienten Spritzen sind sogenannte zweirädrige Pariser Karrenspritzen, welche ab- und aufgeladen werden müssen. Die Zweckmäßigkeit dieser Spritzen, namentlich in Städten, steht außer allem Zweifel, denn erstens lassen sie sich sehr leicht transportiren, und zweitens können sie ohne besondere Schwierigkeiten selbst in enge Räume gebracht werden. Die Druckbäume werden durch Unterdruck in Bewegung gesetzt, und es sind zur unausgesetzten Bedienung einer Spritze, einschließlich Ablösung, etwa zwanzig Mann erforderlich. Die Spritze kann indessen schon von drei Mann ab- und aufgeladen werden. Das Abladen zeigt Figur 1, während das Aufladen durch Abbildung 2 veranschaulicht wird. Die gebräuchlichen Rettungsleitern (Figur 3 und 4) sind einholmig; um dieselben von der Leiter aus in höhere Stockwerke zu schlagen, befestigen sich die Steiger mittelst entsprechend großer, am Leibgurt festgenähter Carabinerhaken um den Holm (s. Figur 3), wie dies in ähnlicher Weise auch bei der Berliner Feuerwehr geschieht. Zur Rettung von Menschen dienen Rettungsschlauch und Fangtuch, welche beide in solchen Nothfällen vor so vielen anderen meistens complicirten Geräthen unbedingt den Vorzug verdienen.

Wie nöthig aber energische Verbesserungen im Feuerwehrwesen geboten sind, dies stellen die vielen Brände der neueren Zeit zur Genüge heraus. Nach einer für das Jahr 1863 veröffentlichten Uebersicht der Landes-Immobiliar-Brandversicherungs-Anstalt des Königreichs Sachsen betrug die Zahl der Brände, nach welchen Entschädigungen (d. h. nur für zerstörte Baulichkeiten) gezahlt wurden, 865, und die verausgabte Summe belief sich auf anderthalb Million Thaler. Wie groß der Schaden an Mobilien etc. etc. gewesen sein mag, haben wir nicht in Erfahrung bringen können. Zu hoch dürften wir aber bestimmt nicht greifen, wenn wir den Gesammtschaden auf nahe an zwei Millionen Thaler veranschlagen. Von Menschenleben, die hierbei etwa zu Grunde gegangen oder doch auf dem Spiele standen, ist noch gar nicht einmal die Rede.

Einer Notiz aus Baiern zufolge, die uns zur Verfügung steht, betrug in diesem Lande der Schaden an durch Feuer zerstörten Baulichkeiten bei 615 Bränden anderthalb Million Gulden.

Sollte man Angesichts solcher Verluste nicht zur Vorsicht gemahnt werden? Gewiß. Lege man deshalb nicht die Hände ruhig in den Schooß, fange man vielmehr mit den nöthigen Verbesserungen bei Zeiten an, damit, wenn die Gefahr hereinbricht, man ihr mit Entschiedenheit entgegentreten könne und das Sprüchwott: Durch Schaden wird man klug, sich nicht bewahrheite.

Trotzdem sich überall eine recht löbliche Agitation zu Gunsten von Verbesserungen im Feuerwehrwesen kundgiebt, hat es in den meisten Fällen seine guten Wege, ehe es bis zu einer durchgreifenden That kommt. Es ist geradezu merkwürdig mit anzusehen, wie schwer es sich gewöhnlich die Menschen machen, das Ueberlebte zu beseitigen und dafür etwas Zweckmäßiges zu schaffen. Die leidigen Rücksichten und die Sucht nach Vielregiererei sind fast immer der Hemmschuh der freieren Entwicklung einer gemeinnützigen Sache, besonders einer freiwilligen Feuerwehr. Es fehlen dem Volke noch viel zu sehr die nöthige Hingebung, Opferfreudigkeit und Selbstverleugnung – Alles Eigenschaften, auf denen jegliche Selbstregierung basirt. Wäre es anders, so würden wir uns, wie es so häufig geschieht, besonders in gemeinnützigen Bestrebungen nicht gegenseitig das Leben verbittern und dadurch die Lacher auf jene Seite treiben, wo ohnedem jede Einrichtung, die aus dem Volke hervorgeht, von Haus aus bespöttelt wird.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 733. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_733.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)