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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

sich zwei farblose Luftarten, nämlich Kohlensäure und Kohlenoxyd, welche Menschen und Thiere betäuben und tödten, sobald sie von diesen in größerer Menge oder eine Zeit lang eingeathmet werden. Die Bildung dieser Gase geschieht auf folgende Weise: Beim Verbrennen der kohlenstoffhaltigen Materien verbindet sich der Sauerstoff in der atmosphärischen Luft mit dem Kohlenstoffe des Verbrennungsmaterials; verbrennt die Kohle nur unter spärlichem Luftzutritt, so entsteht das Kohlenoxyd, indem sich drei Gewichtstheile Kohlenstoff mit nur vier Gewichtstheilen Sauerstoff vereinigen; verbrennt die Kohle dagegen unter lebhaftem Luftzutritt, so verbinden sich stets drei Gewichtstheile Kohlenstoff mit acht Gewichtstheilen Sauerstoff und es bildet sich Kohlensäure. Es unterscheiden sich also Kohlensäure und Kohlenoxyd dadurch, daß die erstere gerade noch einmal so viel Sauerstoff enthält, als das letztere.

Das Kohlenoxyd, oder Kohlenoxydgas, das ist es nun, was im gewöhnlichen Leben Kohlendunst genannt wird und im Winter schon oft zur Erstickung von Menschen Veranlassung gegeben hat, wenn bei Verbrennung von Kohlen der Luft nicht gehörig Zutritt gestattet wurde, wie dies beim Glimmen von Kohlen in einem Kohlenbecken oder in einem schlechtziehenden Heizapparate, zumal in einem Ofen, dessen Klappe geschlossen, der Fall ist. – Natürlich muß das Kohlenoxyd, wenn es gefährlich werden soll, anstatt nach dem Schornsteine hin zu entweichen und in diesem aufzusteigen, in das Zimmer treten und sich hier der Luft beimischen. Dies geschieht nun aber nicht blos beim Schließen der Ofenröhren und ihrer Luftklappen bei noch brennendem und glimmendem Feuer (bisweilen mit Heraustreten des Gases durch zufällige Ritzen und Oeffnungen im Heizapparate), sondern auch dann, wenn die Luft im Zimmer dünner und leichter geworden ist als die im Ofen und Rauchfange, was der Fall sein kann, sobald eine schnelle und bedeutende Abkühlung und Verdichtung des Kohlenoxydgases (z. B. bei großer Kälte) an der Ausmündung des Rauchfanges stattfindet. Stets tritt dann das Kohlenoxyd zugleich mit Rauch in das Zimmer, während es bei geschlossener Ofenklappe ganz unmerklich in das Zimmer eintreten kann. Selbst in ungeheizten Zimmern ist schon Erstickung durch Kohlenoxyd vorgekommen und zwar dadurch, daß die Ofenröhren und Rauchfänge derselben mit denjenigen eines höheren oder unteren Stockwerks, aus welchen viel Kohlenoxyd entwich, in offener Verbindung standen. Das Heizen der Zimmer mit glühenden Kohlen auf offenen Becken ist ganz verwerflich, denn dadurch muß eine Erstickung am leichtesten zu Stande kommen.

Beim Menschen erregt das Kohlenoxyd, schon wenn es in geringer Menge der Luft beigemengt ist, Eingenommensein und Schwere des Kopfes, heftigen Kopfschmerz, Uebelkeit, Ohrenklingen und Augenflimmern, Gefühl von Druck auf der Brust; in etwas größerer Menge erzeugt es Schwindel, Schlafneigung und Ohnmacht, und es tritt, enthält die Zimmerluft nur fünf Procent davon, schon Erstickungsgefahr, bisweilen mit Zuckungen und Krämpfen, schließlich Scheintod ein. – Das zunächst Nothwendige bei der Vergiftung durch Kohlenoxyd, sowie überhaupt bei Vergiftungen durch schädliche Gasarten (Kohlensäure, Leucht- und Cloakengas, Schwefelwasserstoffgas etc.), ist die möglichst schnelle Entfernung des Scheintodten aus der schädlichen Gasart und Sorge für eine sich immer erneuernde, frische Luft; deshalb Oeffnen der Fenster und Thüren im Zimmer; die Kälte hat man hierbei nicht zu fürchten. Sodann löse man alle festanliegenden Kleidungsstücke oder entkleide den Scheintodten fast ganz; man bringe denselben in eine halbsitzende Lage mit erhöhtem Oberkörper und herabhängenden Füßen; besprenge Gesicht und Brust anhaltend mit kaltem Wasser, begieße den Kopf öfters damit; mache allgemeine Essigwaschungen und Klystiere von Essig und Salz; reibe und bürste den Körper (besonders das Rückgrat); veranlasse ein künstliches Athmen mittelst Einblasen von Luft durch Mund und Nase und darauffolgenden Zusammendrückendes Brustkastens. Auch können daneben noch niesenerzeugende Mittel, Hautreizungen (durch Senfspiritus oder Peitschen mit Brennnesseln) und Kitzeln des Schlundes mit einer Feder angewendet werden. Alle diese Hülfsmittel zur Erweckung des Scheintodten sind um so wirksamer, je kürzere Zeit nach der Vergiftung sie zur Anwendung kommen. Jedenfalls darf man mit ihrem Gebrauche, wenn sie auch erfolglos zu sein scheinen, nicht zu zeitig aufhören, da es oft bei der angestrengtesten Thätigkeit erst nach fünf bis sechs Stunden gelungen ist, den Bewußtlosen wieder zu sich zu bringen. Ob Blutentziehungen oder sonst noch Etwas anzuwenden, hat man dem Arzte zu überlassen.


3. Der Leichtsinn der Brustkranken.

Die hustenden Dürrländer, die, wenn’s ihnen nur halbwegs wohl geht, die allerärgsten Abhärtungsrenommisten spielen und gleich darauf, wenn sie ein wenig Blut aushusten oder bei kurzem Athem Stechen in der Brust fühlen, ihrer Familie verzweifelnd bei Tag und Nacht vorwimmern, – denn solche Gesellschaft fürchtet sich entsetzlich vor dem Sterben –, diese Jämmerlinge sind’s, denen Verfasser jetzt einmal tüchtig den Text lesen will.

Trotz Eurer schlechten Lungen – die übrigens, wenn sie richtig behandelt werden, immer noch zu einem langen Leben mit ziemlichem Wohlsein recht gut ausreichen können – wollt Ihr Unverständigen doch stets gerade das thun, was die Lungen schlechter macht, und das unterlassen, was diese verschlechterten Organe verbessert und vor weiterem Krankwerden schützt. Vor allen Dingen wollt Ihr eitlen Thoren einen Respirator[1], den heilsamsten und sogar das südliche Klima beinahe ersetzenden Apparat, nicht vor den Mund binden; Ihr athmet aus purer dummer Eitelkeit lieber die rauhe, den tuberculösen Lungen höchst gefährliche Winterluft ein und bringt Euch dadurch als subtile Selbstmörder weit früher in’s Grab, als es nöthig wäre. Solche rauhe Luft ist aber besonders dann den Lungen äußerst nachtheilig, wenn sie nach vorherigem Athmen in warmer Luft eingeathmet und wohl gar noch mit Staub versetzt ist.

Brustkranke und überhaupt Solche, die in der Jugend längere Zeit an Husten, wohl gar an Bluthusten, litten, gehören im Winter, zumal bei rauhem Ost- und Nordwind, nicht auf die Jagd und auf das Eis, sondern in geräumige und sonnige Zimmer mit reiner warmer Luft. Sie haben beim Verlassen von warmen Localen draußen in rauher Luft nicht zu schwatzen, sondern den Mund hübsch ordentlich zuzuhalten und durch die Nase Athem zu holen, wenn sie nämlich respiratorscheu (d. i. in meinen Augen soviel wie einfältig und gewissenlos) sind.

Im Tabaksqualm stundenlang zu sitzen und zu polemisiren ist für Lungenleidende ein Verbrechen, was in der Regel mit frühzeitiger tödtlicher Schwindsucht bestraft wird. Rauchen kann der Brustkranke allenfalls, aber den Tabaksrauch einathmen darf er durchaus nicht, am allerwenigsten aber im Schlafe. Also im Freien oder in einem großen Locale, welches aber recht oft gelüftet werden muß, genieße er seine Cigarre.

Der Tanz hat auch schon sehr viele hübsche, junge, schlanke Jungfrauen und Jünglinge mit schmaler Brust und kurzem Athem hingemordet. Alte Weiber wissen’s dann gewiß, daß der Mörder ein Glas kaltes Wasser oder Limonade war. Dem ist aber nicht so, sondern, wie oben schon gesagt wurde, der schnelle Wechsel zwischen warmer und kalter Luft, welche letztere außerhalb des Ballsaales theils eingeathmet wurde, theils die erhitzte Haut schnell abkühlte, der ist es, welcher dem schon Lungenleidenden einen neuen Anfall der Lungentuberculose zuzog. Ebenso kann aber auch Alles, was einem Brustschwachen auf dem Balle starkes Herzklopfen macht (wie das übermäßige Tanzen, der Genuß von Spirituosen u. s. w.), insofern die Lungen kränken, als eine größere Menge Blut in dieselben hineingepumpt wird und dieses dann Veranlassung zu krankhaften Ausscheidungen giebt. Daß hierbei die Lungen in einem eingeschnürten weiblichen Brustkasten, der sich beim Einathmen nicht gehörig erweitern kann, was doch beim Tanzen gerade so nothwendig ist, noch weit schlimmer daran sind, als die im weiten Fracke, wird man wohl natürlich finden.

„Im Frühjahre wird der oder die Arme sicherlich zu Grabe gehen.“ Als ob’s gerade der Frühling auf die Lungenschwindsüchtigen abgesehen hätte! Wie aber so ein gewissenloser Schwindsuchtscandidat im Winter gegen seine armen Lungen fortwährend gesündigt hat und daß nun diese Sünden nach den bestehenden unabänderlichen Naturgesetzen im Frühjahr die Todesstrafe nach sich ziehen müssen, das kommt bei den Trauernden gar nicht zur Sprache. Wir rufen dem Verstorbenen aber in’s Grab nach: „Dir geschah recht!“

Bock. 

  1. Bei Anschaffung einen Respirators sehe man aber ja darauf, daß derselbe aus sehr vielen feinen Metallfäden, und nicht etwa aus durchlöcherten Blechplatten oder einem Sieb und Haargeflechte besteht; denn solche billige Nachäffungen des Jeffrey’schen Respirators schaden nur. In Leipzig sind echte Respiratoren beim Mechanikus Reichel zu haben.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_747.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)