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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

ward nun München, wo ihm 1833 auf Veranlassung des Ministers und Dichters Eduard von Schenk die Intendanz des Hoftheaters angeboten wurde. Hier in München erhielt er ganz besonders Gelegenheit, nicht blos den ihm vorausgegangenen Ruhm seiner artistischen Verwaltungsgabe zu rechtfertigen, sondern auch seine Kunst einer ersprießlichen Theaterökonomie zu bewähren, durch welche letztere er nicht etwa in Folge einseitiger Sparmethode, vielmehr lediglich in Folge richtiger Berechnung der Ausgaben die Einnahmen beträchtlich zu erhöhen wußte. Es wurde ihm die Aufgabe gestellt, den Zuschuß von 78,000 Gulden, der bisher nie ausgereicht hatte, nicht zu überschreiten und außerdem eine Schuldenlast von 44,000 Gulden zu decken. Er erreichte vollkommen das ihm gesteckte Ziel, ohne im Mindesten der Kunst Eintrag zu thun, die vielmehr unter seiner Leitung an allgemeiner Anerkennung bedeutend gewann. Während der Leipziger Direction, die er für eigene Rechnung führte, war er überall und immer mit größter Liberalität zu Werke gegangen, ohne ängstliche Wahrnehmung seines pecuniären Vortheils. Bei den späteren Hoftheaterleitungen für fürstliche Rechnung hatte er dagegen streng das ihm bestimmte Maß des bewilligten Zuschusses im Auge und scheute keine, auch mit Unannehmlichkeiten verknüpfte Maßregel, die dazu dienen konnte, jenes Maß aufrecht zu halten. Der König von Baiern wußte übrigens Küstner’s Verdienste zu würdigen, er ertheilte ihm 1837 den Adel.

Die ungemein glücklichen Erfolge seiner Münchner Wirksamkeit zogen die Aufmerksamkeit auch des Königs von Preußen auf sich, welcher im Jahre 1841 sich am bairischen Hofe zu Besuch befand und früher schon das Küstner’sche Theater in Leipzig kennen gelernt hatte. In Küstner glaubte Friedrich Wilhelm IV. den geeigneten Mann zu finden, der die Berliner Hofbühne innerhalb eines beschränkteren Finanzetats, als bisher, zu halten und trotzdem nach dem höchsten artistischen Maßstab weiterzuführen wissen würde. So verließ denn Küstner im Jahre 1842 München und übernahm, von einer Reise nach Italien zurückgekehrt, im Juni die Generalintendanz der königl. Schauspiele zu Berlin unter Zusicherung lebenslänglicher Anstellung.

Auch seine nun folgende Thätigkeit in der preußischen Hauptstadt zeigte das consequente Streben: eine musterhafte Disciplin in der Verwaltung mit vollster Hingebung an die Kunstinteressen und an die Forderungen der Gegenwart zu vereinigen. Alle seine Versuche und Schritte gingen dahin, eine Bühnenreorganiation in zeitentsprechender, auf der künstlerischen und gesellschaftlichen Höhe der Gegenwart stehender Form zu vollbringen. Wenn es nun auch in den verschiedenen Kreisen, welche durch seine Reformversuche, wie überhaupt durch seine mit Entschiedenheit und Freimuth behauptete Stellung berührt wurden, nicht an mannigachen Gegenwirkungen fehlen konnte, so mußte man doch bei allen Parteien stets dem aufrichtigen und biedern Sinn, dem edlen, völlig selbstlosen Streben, sowie dem ebenso energischen, wie humanen Charakter, mit dem Küstner unter all den ihm bereiteten schwierigen Verhältnissen sich immer Herr seines Handelns und Wollens zu bleiben wußte, Gerechtigkeit widerfahren lassen. Unter den neuen Einrichtungen, die er in Berlin traf, verdient obenan der Autorenantheil, die Tantième, genannt zu werden, welche im Jahre 1844 gleichzeitig an dem Berliner Hoftheater und der Wiener Burg, die damals unter Holbein’s Direction stand, zumeist auf Küstner’s Anregung und wesentlich nach dem von ihm ausgearbeiteten Plane eingeführt wurde. Das allein bleibt ein unvergeßliches Verdienst der Küstner’schen Theaterverwaltung. Die Tantième wurde in beiden genannten Städten vorerst nur versuchsweise auf drei Jahre in’s Leben gerufen, und obwohl es von gewisser Seite her nicht an Opposition fehlte und sogar Stimmen erstanden, die in ihr ein staatsgefährliches, die Schriftsteller zur Aufregung der Massen verführendes Element erkennen wollten, so blieb doch die Anerkennung ihrer Ersprießlichkeit Sieger und sie ward Anfang 1847 bis auf Weiteres prolongirt. Ein zweites, tief in das Bühnenwesen eingreifendes Verdienst erwarb sich Küstner durch das Theatergesetzbuch, den vollständigsten Bühnencodex, der je zusammengestellt worden ist und dessen Nutzen und Milde Zeit und Erfahrung an’s Licht gebracht haben.

Auch die Abstellung eines alten Mißbrauchs ist unserm Küstner zu verdanken. Als er seine Berliner Stellung antrat, stand noch auf allen deutschen Theaterzetteln vor den Namen der Darstellerinnen Madame und Demoiselle, und bei Knaben von zehn bis vierzehn Jahren – höchst komischer Weise – Monsieur. Er verbannte diese lächerliche Ausländerei und setzte, wie sich’s gehört: Frau, Fräulein, und bei Kindern einfach die Vor- zu den Familiennamen. Schon früher hatte er mehreren Intendanzen den Vorschlag hierzu gemacht; sie trugen aber Bedenken, darauf einzugehen. Da kam das Revolutionsjahr 1848 und räumte auch mit diesen kleinlichen Bedenklichkeiten auf. Küstner führte die neue Einrichtung ein, und alle Theater folgten.

Während er indeß in Berlin unablässig für die innere Verfassung des dortigen Bühnenwesens zu sorgen bemüht war, richtete er seine Blicke zugleich auch nach außen auf den Gesammtbestand der deutschen Theaterwelt überhaupt, in der bisher anstatt des gegenseitigen Rechtsschutzes fast nur wechselseitige Uebervortheilungen und Ablistungen gegolten hatten. – Die Idee eines rechtlich begründeten Theaterstaats, die Küstner innerhalb des einen Instituts durchzuführen bestrebt war, brachte ihn so auf den Gedanken einer allgemein deutschen Theaterassociation. Es sollte ein Verein der deutschen Bühnen begründet werden, dessen ausgesprochener Zweck dahin ging, „contractlich erworbenen Rechten in den Theaterverhältnissen durch Anerkennung derselben von Seiten sämmtlicher contrahirender Bühnen eine größere Sicherheit zu verleihen und mit diesem gehobenen Rechtszustand zugleich den Schauspielerstand moralisch zu heben.“ Der von Küstner ausgearbeitete Plan wurde die Grundlage vieler mühsam angeknüpfter und verfolgter Unterhandlungen mit allen deutschen Bühnenvorständen und hatte das erfreuliche Resultat, durchgängig Anklang zu finden und namentlich von Seiten der Fürsten und Regierungen lebhafteste Förderung und besonderen Schutz zu erfahren, so daß fast sämmtliche größere Bühnen Deutschlands (zweiunddreißig) sich dem Vertrage anschlossen. Seitdem ist ihre Zahl noch beträchtlich gestiegen.

Der glücklichen und bedeutenden Wirksamkeit Küstner’s in Berlin lassen sich auch die dort von ihm erlangten finanziellen Resultate beizählen. Wenn die Einnahme im dreijährigen Durchschnitt vor ihm 170,000 Thaler betragen hatie, stieg sie unter ihm in den Jahren 1842, 1845 bis 1847, auf welche die Folgen des Opernhausbrandes und der Revolution nicht einwirken, auf die Durchschnittseinnahme von 210,000 Thalern jährlich, vermehrte sich sonach um 40,000 Thaler. Mehr noch als diese Verbesserungen in der Theaterökonomie zeugen aber für die Thätigkeit, Umsicht und den Kunstgeschmack Küstner’s die während seiner Leitung vollzogenen Engagements. Künstlerinnen, wie eine J. Wagner, Köster, Thomas, Hoppé, Viereck, Adolphine Neumann, Marie Taglioni; Künstler, wie Hendrichs, Döring, Hoppé, Dessoir, J. Wagner, Liedecke, Krause, Salomon, Hogunt-Vestris sprechen für sich selbst. Auch Ch. Birch-Pfeiffer, die beliebte Dichterin, ward durch Küstner für Berlin gewonnen.

Hatte er zu Leipzig und München in friedlichen und glücklichen Zeiten gewirkt, so legten ihm in Berlin der Brand des Opernhauses (1843) und die Jahre der Unruhen (1848 und 1849) große Hindernisse und Erschwerungen seiner Aufgabe in den Weg, ja gefährdeten selbst seine persönliche Stellung. Doch auch dies überwand er, obwohl nicht ohne Nachtheile für seine Gesundheit, ein Umstand, der ihn 1851, nachdem er die Generalintendant neun Jahre geführt, und seit 1817, also während ganzer vierunddreißig Jahre als Bühnenleiter thätig gewesen war – eine Zeitdauer, welche weder Schröder’s noch Iffland’s Regiment erreichte – um seine Pensionirung einzukommen bestimmte.

Allein dem Theater, der dramatischen Kunst sollte auch ferner noch seine Thätigkeit gewidmet bleiben. Zunächst schrieb er die „vierunddreißig Jahre seiner Theaterleitung“ und legte darin über seine sämmtlichen vier Bühnenverwaltungen ausführliche und genaue Rechenschaft ab. Das Feld der Theaterstatistik war vor ihm ein noch völlig unbebautes, und das von ihm in zwei Auflagen herausgegebene Taschen- und Handbuch für Theaterstatistik ist darum als ein höchst bedeutsames zu bezeichnen. Ingleichen gelang es seinen von Anderen unterstützten, vielfältigen Bemühungen, sowohl für Preußen, als durch Annahme von Seiten des Bundestags für ganz Deutschland ein Gesetz zu erwirken, vermöge dessen kein Stück, sei es gedruckt oder Manuscript, ohne Einwilligung des Verfassers aufgeführt werden darf, während früher diese Bestimmung nur für ungedruckte Werke zu Recht bestand. Hierdurch erst wurde das geistige Eigenthum der dramatischen Dichter in Deutschland vollständig gesichert, sowie es in Frankreich schon seit der französischen Revolution 1791 gewesen war.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_750.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)