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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

ihm Verzeihung zugesagt war, warf er sich plötzlich vom Pferde, sprang seitwärts über den Graben der Landstraße und suchte nach dem nahen Gebüsch zu entkommen. Das sumpfige Terrain verhinderte jedoch die Flucht des wortbrüchigen Schurken, er konnte nur langsam vorwärts kommen und blieb endlich ganz stecken. Katte drohte ihm mit Erschießen, wenn er nicht sogleich umkehren würde, und ließ, um seiner Drohung den gehörigen Nachdruck zu geben, die Büchsenmündungen der ihn begleitenden Jäger auf das Haupt des Capitains richten. Dies Manöver erschien demselben doch nicht ganz geheuer, denn er zog es vor, herauszukommen und mit Ueberreichung seines Säbels sich zu ergeben. Den von einem Ehrlosen und Feigen geführten Degen warf Katte in den Sumpf, ein paar kostbare kleine Pistolen, die dem Capitain gehörten, wollte er zum Andenken an diesen Tag behalten, der schamlose Franzose, die Waffen für ein altes Familienstück ausgebend, das schon seit langer Zeit vom Vater auf den Sohn vererbt worden war, bettelte jedoch so lange um deren Rückgabe, bis sich der Lieutenant erweichen ließ und dieselben ihm wieder einhändigte.

Während dieser Kampfesscenen hatte sich die feindliche Infanterie von ihrer Bestürzung erholt und in kleinen Trupps in den die Straße begrenzenden Kornfeldern Deckung gesucht. Von dort eröffnete sie plötzlich ein lebhaftes Feuer auf die zerstreuten Jäger.

„Auf die Infanterie!“ rief der Rittmeister mit einer Stimme, die scharf und deutlich, wie der Schlag einer Kanone, das Kampfgewühl übertönte.

Ohne sich Zeit zum Sammeln zu lassen, fanden sich die unerschrockenen Jäger in Abtheilungen von fünfzehn bis zwanzig Mann zusammen, sausten mit verhängten Zügeln den Kugeln und Bajonneten entgegen, ritten die Infanteristen nieder und nahmen, was nicht unter ihren Klingen fiel, gefangen.

An der Spitze eines solchen Trupps attakirte Föring eine feindliche Infanterieabtheilung. An der Kopfbedeckung erkannte er, daß es Rheinbündler waren. „Werft die Gewehre weg, deutsche Brüder. Ihr sollt Pardon haben!“ rief er ihnen zu, und wie auf Befehl ihres Officiers streckten fünfzig Mann vor zehn preußischen Freiwilligen die Waffen.

Eine andere Abtheilung von über sechszig Mann italienischer Truppen hatte in einem Gehöft Aufstellung genommen, wo ihnen schwer beizukommen war. Die das Gehöft umschwärmenden Jäger wurden durch Flintenschüsse zurückgewiesen und konnten nichts ausrichten. Der Rittmeister nahm dieselben zurück und ritt mit einer Parlamentärflagge, in Begleitung des Oberjägers v. Heuthausen, der italienisch sprach, auf das Gehöft los. Die Italiener stellten das Feuer ein und schickten ihm einen unbewaffneten Mann zur Unterhandlung entgegen. Colomb ließ ihnen sagen, daß sie mit Kosaken umstellt seien, denen sie nicht entgehen könnten. Sie möchten sich lieber den Preußen übergeben, von welchen sie eine gute Behandlung und Schutz für ihre Person und ihr Eigenthum zu erwarten hätten. Auf diese Aufforderung gaben die Italiener ihre für Kavalleristen uneinnehmbare Stellung auf; sie traten heraus, zerschlugen die Gewehre und ließen sich entwaffnen und fortführen.

Kaum waren sie in Sicherheit gebracht, als dem Rittmeister gemeldet wurde, daß sich die feindliche Cavallerie wieder gesammelt habe und von Zwickau aufs Neue heranziehe. Er ließ sogleich zum Sammeln blasen, konnte aber in der Eile kaum dreißig Pferde zusammenbringen, mit welchen er dem weit überlegenen Feinde muthig entgegeneilte. Bis auf hundert Schritt war die kleine Schaar bereits gegen den Feind herangekommen, als die Trompete Halt gebot. Der Rittmeister wollte zum letzten entscheidenden Choc die Pferde verschnaufen lassen. Nicht lange, so ertönte die Fanfare, und im vollen Rosseslauf, mit hochgeschwungenen Säbeln und lautem Hurrah warfen sich die Jäger auf die Franzosen, durchbrachen deren Front, nahmen im Handgemenge ihren Führer, einen sich tapfer vertheidigenden Artillerie-Officier, gefangen und jagten sie endlich in wilder Flucht über die Muldenbrücke nach der Stadt zurück. Die Verfolgung überließ Colomb dem Lieutenant v. Katte, der den letzten Rest der Franzosen in Zwickau gefangen nahm und, was sich nicht ergeben wollte, niederhieb.

Der Rittmeister wischte die blutige Säbelklinge an der Mähne seines Pferdes ab und begab sich nach der Colonne zurück, um die noch umherschwärmenden Jäger zu sammeln und sich die gewonnene Beute anzusehen.

Der Siegespreis, aus vierundzwanzig neuen Geschützen, über dreißig gefüllten Munitionswagen, Feldschmieden und andern Fahrzeugen, zusammen aus zweiundsiebzig Wagen und beinahe vierhundert Pferden bestehend, war mit einem geringen Verlust erstritten worden.

Was sollte man aber mit dieser reichen Beute beginnen? Mitschleppen konnte man sie nicht, es mußten deshalb Veranstaltungen getroffen werden, den Train zu zerstören. In dieser Absicht ließ der Rittmeister die gefüllten Munitionswagen auf einem an der Straße belegenen großen Ackerfelde zusammenfahren, um sie in die Luft zu sprengen. Von den erbeuteten Pferden überließ er gegen zweihundert Stück den Landleuten, die sich sehr zahlreich auf dem Kampfplatze eingefunden hatten, um die siegreichen Preußen zu beglückwünschen. Eine kleine Anzahl verkaufte er an einen böhmischen Juden; die Officierpferde und einige der bessern wurden mitgenommen, die übrigen an die Munitionswagen gebunden, um sie durch die Explosion zu tödten. Ein furchtbarer Knall ersckütterte die Luft, der kostbare Artillerietrain war nur noch ein dampfender Trümmerhaufen, aus dem noch dann und wann helle Flammen emporschlugen, welche die letzten Holztheile der zertrümmerten Fahrzeuge zerstörten. Die Eisentheile wurden den jubelnden Landleuten überlassen, die Geschützröhre zersägt oder auf eine andere Weise unbrauchbar gemacht.

Am Nachmittage dieses ereignißreichen Tages marschirten die Freiwilligen mit dreihundert und sechszig Gefangenen, worunter sich sechs Officiere und die Maitresse des Capitain Bizot befanden, nach Zwickau, wo sie von den Einwohnern mit endlosem Jubel begrüßt und sehr splendid bewirthet wurden. Dort wurden die gefangenen Officiere, nachdem sie sich ehrenwörtlich verpflichtet hatten, während dieses Krieges nicht wieder gegen die Preußen zu dienen, entlassen; die Unterofficiere und Gemeinen mußten ein gleiches Gelübde an Eidesstatt abgeben.

Der Capitain Bizot erbat sich von dem Rittmeister eine Bescheinigung, daß er nach einem hartnäckigen Kampfe einzig und allein der Uebermacht gewichen sei. Er behauptete, daß die Streifpartei mindestens fünfhundert Pferde zähle, empfand aber eine tiefe Beschämung, als er an der Front der achtzig preußischen „Schulbuben“, die ihm eine so empfindliche Niederlage beigebracht hatten, heruntergeführt wurde. Nachdem er die Erklärung abgegeben hatte, daß die preußischen freiwilligen Jäger den besten französischen Elitetruppen gleichzustellen seien, wurde ihm die verlangte Bescheinigung ausgefertigt, darin aber ausdrücklich hervorgehoben, daß der Capitain sich erst dann ergeben habe, als er der Tapferkeit der Freiwilligen nicht länger habe widerstehen können.

Das Detachement lagerte auf dem Marktplatze der festlich geschmückten Stadt, umrauscht von enthusiasmirten Bürgern, die sich mit patriotischem Eifer für die Befreiung Deutschlands aussprachen und die preußischen Freiwilligen mit ihren Gunstbezeigungen fast erdrückten. Der Platz war mit langen Tafeln umstellt, an welchen die Jäger bewirthet und von schönen Händen bedient wurden. Der hisher niedergehaltene Patriotismus der braven Zwickauer loderte bei der Flasche in hellen Flammen empor, die feierlichsten Gelübde wurden gethan und eine ewige Brüderschaft zwischen den Bürgern und den Preußen geschlossen.

Der regierende Bürgermeister, Herr Hofrath Ferber, ließ dem Rittmeister seinen Respect vermelden und bedauerte es, dies nicht persönlich thun zu können. Er wollte krank sein. Die Bürgerschaft schien dies übel vermerkt zu haben, denn als das Detachement gegen Abend unter lautem Vivatrufen der Einwohner an seinem Hause vorüberzog, um die Stadt zu verlassen, wurde ihm eine todte Katze an die Hausthür genagelt und eine Menge wuchtiger Steine nach den dichtverhangenen Fenstern seiner Wohnung geschleudert.

In solchen Demonstrationen machten sich der Freiheitsdrang und die deutsche Gesinnung der Bevölkerung selbst unter den Augen der Schergen der französischen Zwingherrschaft schon damals Luft. Umstellt von französischen Bajonneten, niedergehalten von einer nicht wohl berathenen Regierung, umlauert von einem charakterlosen Beamtentroß, der seine Dienste dem Meistbietenden zuschlug und dem glücklichen Verbrecher die Füße leckte, bäumte sich das Volk dennoch mit unbezähmbarem Trotz gegen die fremden Gewalthaber und ihre deutschen Helfershelfer bei jeder geeigneten Gelegenheit auf, und die heiligen Gedankenblitze Freiheit und Vaterland, die an Preußens Horizont emporzuckten, schlugen auch hier zündend in die Herzen, daß sie aufloderten in hellen Flammen.

Unter dem Antrieb des heiligen Sturmes, dessen Odem damals alle Seelen weitete und weit über die preußische Grenze hinauswehte,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 777. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_777.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)