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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Geiste, deutscher Einheit und Größe nichts weniger als entspricht, ist dies beim Keller durchaus der Fall; er ist ein würdiger Repräsentant der deutschen Weinpflege, der edlen Frankenweine, wie sie unsere Zeit liefert, und darf sich mit Stolz den Königskeller der deutschen Weinstadt nennen lassen.

Der Hofkeller besteht aus zwei großen von einander getrennten Abtheilungen – also aus zwei Kellern – und nimmt fast das ganze große Areal des Schlosses ein. Der riesige Schloßbau ruht zumeist auf den gewaltigen Kellerpfeilern. Die weniger besuchte, weil weniger interessante Abtheilung, die südwestliche, enthält die kleinern abgeschlossenen Räume mit den Weinpressen, den Mosten und jüngern Weinen. Der großartige, prächtige, vorzugsweise Hofkeller genannte weite Raum befindet sich unter dem rechten Schloßflügel nach Nordost und ist für die Cultur und Ablagerung der Weine bestimmt. Auf der bequemen, behäbigen Treppe gelangt man in den Vorkeller und aus diesem in eine Rotunde, welche dem Besucher sogleich nicht wenig imponirt; denn hier sieht er den grandiosen Pfeiler von ovaler Form, der das Gewölbe trägt.

Partie aus dem Hofkeller zu Würzburg.

Vier Kelleröffnungen von so bedeutendem Umfang, daß in einer derselben eine steinerne Treppe emporführt, bringen das Tageslicht in diesen Raum, von welchem sich die stattlichen Gewölbeabtheilungen abzweigen, welche die besondern Namen Mostkeller und Kammerkeller führen und an welche sich weiter die Gewölbe, Bandhauskeller und Schwedenkeller genannt, anschließen. Der Flächeninhalt sämmtlicher Abtheilungen beträgt 11,603 Quadratfuß; die Höhe der Gewölbe neunzehn und einen halben Fuß, die Breite dreiunddreißig Fuß. Die zweckmäßig vertheilten geräumigen Kellerfenster führen Licht und Luft in nöthiger Menge in die Gewölbe; der Boden ist durchweg mit großen Steinplatten belegt und in bestimmten Entfernungen mit Vertiefungen versehen, in welche die um sämmtliche Keller hinlaufenden steinernen Rinnen ausmünden, die, wenn ein Faß zerplatzen sollte, keinen Becher Wein verloren gehen lassen. Eine andere zweckmäßige Einrichtung ist ein springender Brunnen hellen, frischen Wassers im Keller, der das Gemälde angenehm belebt, in die Ruhe des Ganzen sanfte Bewegung bringt, für die heilsame Abkühlung der etwa allzu weinheißen Köpfe sorgt und die prompte Reinigung aller Gefäße ermöglicht. Es ist nicht ohne Bedeutung, für den feinen Genuß der verschiedenen Weinsorten hintereinander stets frische, reingeschwenkte Gläser zur Hand zu haben.

Der Hofkeller umfaßt gegen sechshundert Fässer mit ungefähr 20,000 Eimern Wein; die Lagerung ist in den verschiedenen Gewölben, je nach ihrer Weite und Höhe, bald in zwei, bald in drei Reihen und hie und da in zwei Etagen übereinander. Zur Bearbeitung der Weine auf der obern Etage wird ein auf Rollen laufendes Gerüst von drei Fässerbreiten verwendet. Die neuere bessere Weinpflege hat das Volumen der Fässer sehr verringert: sonst lagen hier jene Faßgiganten, deren Vorbild das Heidelberger Faß war, und in welche man gewissermaßen die Ehre eines fürstlichen Kellers setzte, die aber doch nur der massenhaften Weinproduction von geringer Qualität entsprachen. Zum Andenken an jene Zeit liegt noch ein einziges Riesenfaß im Hofkeller, das 660 Eimer enthält und sein Dasein dem hochsinnigen Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal (1779–1795), dem vorletzten geistlichen Regenten dieses Landes, verdankt, wie eine gereimte Inschrift an dessen Fronte besagt.

In diesen handlichen Fässern von so sauberem, gastlichem Ansehen ruhen die edlen flüssigen Geister der gesegneten Frankenberge aus sehr verschiedenen Zeiten traulich beisammen. Das ist ein köstliches Ensemble, eine geistreiche Weltgeschichte der fränkischen Traube, auch ein Stück Deutschthum, und wahrlich keines der schlechtesten, nicht in Bücher gebunden, wie anderer deutscher Geist, sondern in Dauben und Reifen, Führen wir die Namen der berühmtesten und trefflichsten Werke der unterirdischen Gebinde an: es ist des Leisten edles Aroma, des Steins sanftes Feuer, des Pfülben köstliche Milde, Hörsteins feine Blume, Saalecks reizende Lieblichkeit, des Kalmuth poetische Kraft.

Eine humoristische Ironie ist es, daß man eine Abtheilung des Hofkellers „Schwedenkeller“ genannt hat, zum Andenken an die über alle Vorstellung durstige Thätigkeit dieser ungebetenen Gäste während der wenigen Jahre, in welchen sie hier die Herren spielten (1631–1634). Der ebenfalls nicht unbedeutende Keller der Veste Marienberg, der Vorgänger des jetzigen Hofkellers, war, nachdem sie das Schloß erstürmt, zumeist der Schauplatz dieses Wunders von nordischer Durstäußerung; es klingt fabelhaft, welche Massen von Wein sie während ihrer kurzen Existenz in Franken vertilgt haben. Wären sie die Herren des Landes geblieben, so wäre für keinen andern Menschen mehr eine Traube gewachsen. Nun lag im Marienberger Keller unter andern stattlichen Gesellen ein ziemlicher Riese von Faß, gefüllt mit dem delicaten Jahrgang 1540. Es war das Kostbarste, was die fürstbischöfliche Kellerei

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_029.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)