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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

während dieser Zeit kein Instrument der alten Bauart mehr aus) „von der Seite des Tractements“ so bedeutend verbessert hatte, daß selbst Bach sie gutheißen und seinen Tadel zurücknehmen mußte. Einen großen Bewunderer fanden sie u. A. an Friedrich dem Großen, der so viele Silbermanns, als man habhaft werden könne, anzukaufen befahl und der denn auch bald des stolzen Glückes sich erfreute, nicht weniger als fünfzehn dieser seltenen Instrumente in seinem Palais zu Potsdam versammelt zu sehen. Diese fünfzehn Instrumente waren es auch, die der alte Joh. Seb. Bach bei seinem Besuche bei dem Könige (1747) allesammt, eines nach dem andern, vor diesem Revue passiren lassen mußte, bei welcher Gelegenheit er das Entzücken des Königs, u. A. auch durch Improvisation einer vierstimmigen Fuge über ein von demselben ihm aufgegebenes Thema, erregte.

Bei den entschiedenen Vortheilen, die das Fortepiano auszeichneten, konnte es nicht fehlen, daß der Erfindungsgeist und die Vervollkommnungsversuche sich von seinen Vorgängern ab- und ihm sich zuwendeten. Von größter Wichtigkeit war die von Lenker in Rudolstadt erfundene Dämpfung, die dem störenden Forthallen und Durcheinanderrauschen der Saiten ein Ende machte. Roller in Paris brachte eine Transpositionsvorrichtung an; Aehnliches war aber schon im sechszehnten Jahrhundert an den Clavichords bekannt. Späth in Regensburg änderte viele Claviere in Pianofortes um und trug dadurch viel zu ihrer Verbreitung bei. In England that ein Gleiches der Deutsche Becker, dort Bakers Amerikus genannt. Graf Brühl, sächsischer Gesandter in London, ließ 1774 ein Pianoforte mit blau angelaufenen Stahlsaiten bauen, welche dem Rost besser widerstanden. Dennoch gelang es erst einem Schüler Silbermann’s, dem Orgelbauer Joh. Andreas Stein, durch Erfindung seines berühmten, Ton und Spielart außerordentlich verbessernden Mechanismus (unter dem Namen „deutsche“ oder „Wiener“ Mechanik bekannt und noch heute angewendet) das alte Clavichord und den Kielflügel, welch letzterer besonders sich in der Gunst des Publicums festgesetzt hatte, vollständig zu verdrängen. Er errichtete zu Wien eine eigne und, wie oben schon gesagt, die erste wirkliche Pianofortefabrik. Seine Instrumente übertrafen Alles, was man bisher kennen gelernt hatte, und fast alle deutschen Fabrikanten ahmten bis zu einer gewissen Epoche ihm fast sclavisch nach. Die von ihm begründete „Wiener Schule“ gelangte durch die glücklichen Vervollkommnungen seiner Nachfolger, seines Sohnes Andreas Stein, noch mehr aber seines Schwiegersohnes Andreas Streicher, dessen Instrumente unter der Firma „Nanette Streicher, geb. Stein“ wohl noch in vortrefflichem Andenken stehen, zur höchsten Blüthe und galt bis tief in dieses Jahrhundert hinein als Muster in der Pianofortebaukunst. Streicher durfte nicht mit Unrecht von sich behaupten, „daß die Grenze der Versendung seiner Instrumente da beginne, wo die Civilisation aufhöre.“

Der „Wiener“ oder „deutschen“ Mechanik gegenüber steht die sogenannte „englische“. Auch sie ist ursprünglich eine deutsche Erfindung, nämlich die von Joh. Zumpe um’s Jahr 1766 oder 1767 nach England und von den beiden Gebrüdern Ehrhardt, zwei andern Deutschen aus Straßburg, gegen 1780 nach Frankreich eingeführte und dort zu weiterer Vervollkommnung gelangte Silbermann’sche Mechanik. Wir müssen uns selbstverständlich in diesen Zeilen ein genaues Eingehen und specielle Beschreibung dieser beiden Mechaniken, ihrer Unterschiede und allmählichen Verbesserungen versagen, es wäre dies Sache einer Fachzeitung. Wir können nur constatiren, daß es in England vor Allen der Schotte John Broadwood, in Frankreich aber der weltberühmte Sebastian Ehrhardt (französirt Erard) waren, welche durch eigenen Erfindungsgeist sowohl, wie auch durch weise Benutzung der von ihren Zeitgenossen erzielten Fortschritte die englische Mechanik (und die für das Clavier daraus entspringenden Consequenzen in Betreff der übrigen Bauart) nach und nach zu solcher ausgezeichneten Ausbildung und Vollendung brachten, daß sie unbestritten und verdientermaßen den entschiedenen Sieg über den Wiener Mechanismus davongetragen hat. Thatsache ist, daß schon seit mehr als zwanzig Jahren fast sämmtliche deutsche Fabrikanten sich ebenfalls der englischen Mechanik zugewendet haben; mit welch schließlichem Erfolge, werden wir im zweiten Abschnitte unserer Darstellung sehen.

(Schluß folgt.)




Friedrich Hecker in Amerika.
Von Gustav Struve.

Die meinem Herzen am nächsten standen, sind alle nicht mehr, oder sind zerstreut in die vier Winde. Die glücklichsten derselben fielen im Gewimmel der Schlacht, so Gustav Adolph Schlöffel aus Preußen und Michel aus Baiern. Andere durchbohrte die begnadigende Kugel: Robert Blum in der Brigittenau zu Wien, Friedrich Raß auf dem Kirchhofe zu München, Tiedemann in den Festungsgräben von Rastatt, Valentin Strauber auf dem Kirchhofe zu Mannheim. Viele starben in der düsteren Verbannung: meine Amalie in Amerika, Kinkel’s Johanna und Johannes Ronge’s Gattin in England, der Freiheitsdichter Carl Heinrich Schnauffer zu Baltimore, Rau von Gaildorf zu New-York. Von den Ueberlebenden düngten Manche den fremden Boden mit ihrem Blute im jenseitigen Freiheitskampfe. Der General Willich aus Preußen wurde durch die Brust geschossen, der General Max Weber aus dem Badischen verlor einen Arm in der Schlacht von Antietam. Doch nicht Wenige behielten ihre volle geistige Frische und körperliche Rüstigkeit durch alle Stürme der Vergangenheit. Wer könnte sie Alle nennen – die wackern Streiter, welche im Kampfe für die Menschheit Leben und Gesundheit, Hab und Gut einsetzten!

Von ihnen haben sich nicht viele so kräftig erhalten, wie Friedrich Hecker, der hochgefeierte Volkserwecker.

Als er im Jahre 1838 Obergerichts-Advocat zu Mannheim wurde, kamen wir, da ich dieselbe Stellung hatte, oft in geschäftliche Berührung, zogen uns aber anfangs gegenseitig sehr wenig an. Es fanden sogar zwischen uns einige unsanfte Berührungen statt. Unsere äußere Schale war sehr verschieden, wenn auch der tiefere Kern unsers Wesens manche Aehnlichkeiten barg. Friedrich Hecker war in dem fröhlichen Weinjahre 1811 geboren. Als er zum Bewußtsein seiner selbst gelangte, fand er das Joch Napoleonischer Gewaltherrschaft schon abgeschüttelt. Meine Geburt fiel in das Kriegsjahr 1805 und die ersten Erinnerungen meiner Kindheit schlossen sich an den Riesenkampf zwischen Deutschlands Freiheit und französischem Despotismus.

Hecker war munter, frisch und lebensfroh, übersprudelnd von Witz und heiterer Laune, aber auch nicht selten von einem Uebermuthe, der mich verletzte. Er war auf dem Lande, zu Eichtersheim im Badischen, geboren, hatte die ersten Jahre seines Lebens daselbst in wilder Ungebundenheit zugebracht, war noch nicht lange von der Universität zurückgekehrt und hatte noch immer einen gewissen burschikosen Ton an sich, der meiner ernsteren Lebensanschauung und gemesseneren Art zu sein nicht zusagte. Zudem war ich älter als Hecker, hatte schon eine zweifache Laufbahn, die diplomatische und die richterliche, hinter mir und empfand daher die kecke, oft herausfordernde Sprache Hecker’s unangenehm. Meine vegetabilische Lebensweise, meine Enthaltung vom Genusse geistiger Getränke, selbst der Umgang, den ich pflog und die phrenologischen Studien, die ich mit Vorliebe hegte, gaben dem sarkastischen Hecker nicht selten Stoff zu Angriffen gegen mich, die ich nicht immer mit Freundlichkeit, vielmehr theils mit kaltem Schweigen, theils mit scharfer Widerrede aufnahm.

Erst nachdem Hecker (1842) in die Kammer gewählt worden war und sich gleich anfangs daselbst sehr ausgezeichnet hatte, näherten wir uns mehr und mehr. Die Vorurtheile, welche wir gegeneinander gehegt hatten, schwanden und wir sahen ein, daß wir, trotz mannigfaltiger Charakterverschiedenheiten, nach demselben Ziele der Freiheit und der Einheit Deutschlands strebten. Von dieser Zeit an gingen wir immer Hand in Hand. Den Antheil, welchen Hecker an den Freiheitsbestrebungen Deutschlands nahm, setze ich hier als bekannt voraus und wende mich sofort zu seinem Wirken in Amerika.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_056.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)