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und der Verhältnisse kundigen Personen sich in Verbindung zu setzen, zu diesem Zwecke „Agenturausschüsse“ zu bilden. Nach eingetroffener ausführlicher Berichterstattung entscheidet sich dann das Ausleihungscomité der Bank für oder gegen die Bewilligung des nachgesuchten Darlehns. Diese Organisation hat sich so vortrefflich bewährt, daß die Bank von ihrem Entstehen bis heute, an ihren gegen Zins ausgegebenen, auf viele Millionen sich belaufenden Capitalien, auch nicht den Verlust eines einzigen Groschens zu notiren gehabt hat.

Außerdem aber dienen diese Karten dazu, daß die Bankverwaltung die bei ihr Versicherten bei einem Wechsel des Wohnsitzes nicht aus den Augen verliert und in geeigneten Fällen sich von ihren Agenten über dieselben berichten lassen kann. Es muß z. B. der Bankverwaltung daran liegen, aus den fernsten Gegenden, wohin ihre Wirksamkeit sich erstreckt, in Erfahrung zu bringen, ob irgend eine bei ihr versicherte Person einem unmäßig lasterhaften Leben, der Trunksucht u. s. w. sich ergeben, oder einen Leben und Gesundheit gefährdenden Beruf ergriffen hat, oder ob dieselbe zu schwerer Leibes- und Gefängniststrafe verurtheilt worden, da in derartigen Fällen die Versicherung ungültig wird. Es ist diese Controle in einer auf dem Principe der Rechts- und Pflichtgleichheit gebildeten Vergesellschaftung durchaus eine gebotene, und da sie nur die Aufgabe hat die Innehaltung statutengemäßer Bestimmungen zu überwachen, durchaus fern von jeder gehässigen Spionage.

Ueberhaupt hat die Lebensversicherungsbank Grund auch die Nachtseite der Menschennatur mit in ihre Berechnung zu ziehen. Wir haben der segensreichen sittlichen Wirkungen der Lebensversicherungsbank schon oben gedacht. Aber Tod und Geld, für das verzweifelnde Elend und für die Habsucht sind diese beiden Worte, um welche sich die ganze Thätigkeit einer Lebensversicherungsbank dreht, zwei Dämonen, die mit verführerischen Vorspiegelungen nur zu leicht ihre Opfer berücken. Die Geschäftsbücher der Bankbureaus enthalten den Stoff zu einer ganzen Bibliothek erschütternder, aus dem Leben gegriffener Socialromane, und auch der Neue Pitaval könnte seinen schauerlich fesselnden Inhalt aus den Papieren der Bank reichlich vermehren.

Neben dem Calcul des scharfsinnigen Financiers und den gründlichen Beobachtungen des Statistikers ist darum auch noch der durchdringende Blick des Psychologen und Criminalisten erforderlich, um das Institut vor Schaden zu bewahren.




Abhärtung der Kinder.
Von Dr. Dornblüth.

Zwei junge Mütter unterhielten sich kürzlich über die Abhärtung ihrer Kinder. Die Eine badete ihr Kind und wollte es bei jedem Wind und Wetter hinausschicken, die Andere hielt Ersteres für Verweichlichung, Letzteres im Winter für zu gefährlich, duldete auch weder Mützchen noch Strümpfchen, welche Gegenstände oder Ursachen der Verweichlichung die Erstere gestattete. Die Kinder sind beide ungefähr drei Monate alt. Welche hat Recht, welche Unrecht?

Alle Kinderärzte sind heutzutage einig darüber, daß warme Bäder nicht nur als Reinigungsmittel, sondern auch als mächtige Förderungsmittel der Gesundheit außerordentlich nützlich sind. Die Reinigung ist auf andere Weise bei so kleinen Wesen niemals so vollständig zu erzielen, als durch ein warmes Bad, und durch die längere Einwirkung des warmen Wassers auf die Haut wird diese weich und geschmeidig und geschickt, die ihr zukommenden Ausscheidungen gehörig zu vollziehen. Kinder, die regelmäßig gebadet werden, sind Erkältungen keineswegs leichter zugänglich, als andere, wenn sie nicht unmittelbar nach dem Bade der Einwirkung der Kälte ausgesetzt werden. Das ist ein durch hinlängliche Erfahrung als unumstößlich festgestellter Grundsatz. Das Badewasser soll bekanntlich im ersten Monat achtundzwanzig Grad des Réaumur’schen Thermometers warm sein und dann allmählich, etwa von Monat zu Monat, um einen halben Grad kühler genommen werden, bis sechsundzwanzig oder höchstens fünfundzwanzig Grad erreicht sind. Nach Ablauf des ersten Lebensjahres, wo man die Kinder schon kräftiger reiben kann und wo sie der Kälte besser widerstehen, soll man dann kühle und selbst kalte Waschungen nachfolgen lassen.

Hierbei sind einige Erinnerungen zu machen. Erstens sind die gewöhnlichen Badethermometer in der Regel ziemlich ungenau, es ist nicht selten, daß sie um zwei oder drei Grad von einander abweichen. Man muß sich also stets überzeugen, ob der gebrauchte Thermometer richtig geht, was um so weniger Schwierigkeiten hat, als jetzt wohl die meisten Aerzte zum Zwecke der Krankenuntersuchung mit guten Thermometern versehen sind. Zweitens ist bei dem zu wählenden Wärmegrade immer daraus zu sehen, wie das Kind ihn aufnimmt: sobald es auf irgend eine Art im Wasser Unbehaglichkeit zu erkennen giebt, was es sonst nicht zu thun pflegte, so ist die Sache nicht richtig. Ist das Wasser zu warm, so wird die Haut roth, die Kinder schreien, und statt durch das Bad beruhigt und zum Schlafen geneigt zu werden, sind sie hinterher aufgeregt. Ist das Wasser dagegen etwas zu kalt, so werden sie blau und erreichen schwer ihre natürliche Wärme wieder. Man darf sich auch durchaus nicht einbilden, daß ein so allmählicher Uebergang von den warmen Bädern zu den kühlen Abwaschungen zu machen ist: die mit den letzteren verbundene Reibung mit dem Badeschwamme, den Händen etc., die plötzliche und rasch vorübergehende Einwirkung der Kälte selbst erregen die Nerven, ziehen das Blut nach der Haut und bringen in einem hinreichend kräftigen Organismus eine lebhaftere Wärmeentwickelung zu Wege, während ein zu kühles Bad, wenn es mehr ist, als eine schnelle Eintauchung, dem Körper seine Wärme so allmählich entzieht, daß keine Gegenwirkung erfolgt, die Haut, statt wie bei den Abwaschungen roth zu werden, blaß und bläulich wird und hinterher statt eines behaglichen Wärmegefühls Frösteln eintritt, welches nur durch kräftige Bewegung vortheilhaft überwunden, durch künstliche Erwärmung aber schwer ausgeglichen und vor übeln Folgen bewahrt wird. Die Abhärtung soll also nur dann durch kühle Waschungen gesucht werden, wenn die Kleinen Kräfte genug gesammelt haben, um so gewaltsamen Einwirkungen gehörig widerstehen und entgegenarbeiten zu können, was Beides vor Ablauf des ersten Lebensjahres gewiß nicht der Fall ist.

Also vernünftig gebadet, und die Kinder werden sich dabei wohl befinden! Sie werden ruhiger, bekommen bessern Appetit und bessere Verdauung, werden dadurch kräftiger und somit geeigneter, schädlichen Einflüssen, vor denen sie doch nicht ganz zu bewahren sind, zu widerstehen.

Ebensowohl ist durch die Erfahrung hinlänglich festgestellt, daß es Kindern schon im frühesten Alter sehr gut bekommt, wenn sie täglich ins Freie gebracht werden. Die frischere, reinere und im größten Theile des Jahres bei uns auch kältere Luft regt ihre Nerven kräftig an und giebt ihren Sinnen, so wenig diese auch noch ausgebildet sein mögen, Beschäftigung. In Folge davon kommen sie in der Regel mit besserem Appetit nach Hause und schlafen nachher länger und ruhiger. Ihre Blutbildung und gesammte Ernährung wird besser, was sich an der frischeren Gesichtsfarbe und dem festeren Fleische ebensowohl, wie an dem ruhigen Schlafe und dem munteren Wachsein zu erkennen giebt. Man muß nur beachten, wie früh die kleinen Wesen schon an dem Hinausgetragenwerden Gefallen finden, wie sie mit Ungeduld darnach verlangen, durch die Vorbereitungen kaum beruhigt werden und in lautesten Jubel ausbrechen, sobald die Thür sich vor ihnen öffnet! Freilich müssen in unserm Klima, und namentlich im Winter, die Kinder sorgfältig gegen die Kälte geschützt sein, und zwar so vollständig, daß beim Nachhausekommen keins ihrer Glieder sich kalt anfühlt. So lange sie im Steckkissen liegen, – was immer bis dahin der Fall sein sollte, wo ihr Rückgrat und ihre Muskeln hinlänglich erstarkt sind, um sie längere Zeit aufrecht zu tragen; wo sie, kräftige und gesunde Kinder um ihre zwölfte Lebenswoche herum, durch energische Bestrebungen aufrecht zu sitzen und um sich zu schauen, dies von selber kundthun, – so lange also werden die Kinder leicht durch Tücher oder Mäntel von der Form, wie die Thüringer Frauen und Wärterinnen zu tragen pflegen, geschützt. Ein weiches, wattirtes Hütchen, eine Art Kapuze mit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_126.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2022)