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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 11. 1865.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Das Geheimniß des Indianers.
Nach Mittheilung eines deutsch-amerikanischen Arztes.
(Fortsetzung.)

Eines Tages war Werner auf seinem Bureau damit beschäftigt, ein Conglomerat von Quarzkristallen, das die Arbeiter in einer der Gruben gefunden hatten, mittels der Lupe und des Hammers zu untersuchen. Er zerschlug einen Theil der Masse und fand zu seinem freudigen Erstaunen mitten zwischen dem Gestein eine vollwichtige Silberdruse eingebettet, welche er dem Reconvalescenten, der neugierig dicht hinter ihm stand, mit den Worten zeigte: „Ich wollte, ich hätte einen ganzen Schacht voll davon, Tawanka, dann solltet Ihr einmal sehen, wie schnell ich diesen gierigen Yankees den Rücken zeigen wollte.“

Bei diesem unwillkürlichen Ausrufe seines Freundes überflog ein eigenthümliches Lächeln die dunkeln Züge des Häuptlings, und seine braune Hand sanft auf die Schulter Werners legend, sagte er würdevoll: „Wenn solches Gestein Euer Herz erfreut, so kann ich Euch einen Ort weisen, wo Ihr zwölf Monde lang täglich davon herunterschlagen könnt, ohne daß es merklich abnähme.“

„Ihr wollt doch damit nicht sagen, Tawanka.“ rief Werner aus, „daß Ihr eine Silbermine kennt?“

„Gewiß!“ erwiderte der Häuptling. „Manitou hat eine solche meinem Großvater gezeigt, als er einst an einer wüsten Insel auf dem großen See landete. Dieser hat die Kunde auf meinen Vater vererbt, und mein Vater hat mich selbst an den Ort geführt, als die ersten weisen Männer auf den großen Canoes in die Gegend kamen. Da die Blaßgesichter gierig nach Schätzen spähten, so befahl mir mein Vater, die Felsspalte, welche zu dem weißen Erze führt, mit Steinen und Geröll auszufüllen, um sie unkenntlich zu machen. Er glaubte nämlich, daß die Weißen, wenn sie das weiße Metall, welches sie suchten, nicht finden könnten, wieder abziehen und die Rothhäute in ungestörtem Besitz des Landes lassen würden. Es ist aber anders gekommen. Sie entdeckten die Kupferfelsen bei Keweena, und seit der Zeit strömen sie in Massen herbei und verdrängen uns von den Jagdgründen, die unsere Väter als Geschenk vom großen Geiste erhalten haben.“

„Tawanka, wollt Ihr mir die Stelle zeigen?“ fragte der Deutsche.

„Wenn Ihr den Yankees nichts davon sagen wollt, so werde ich es thun,“ antwortete der Häuptling. Mein Vater nahm mir nur das Versprechen ab, den Schatz vor ihnen, den Abkömmlingen des Teufels, zu verbergen. Ihr seid aber kein Yankee und habt Gutes an mir und meinem Stamme gethan, deshalb will ich Euch das weiße Gestein zeigen, wenn es Euch glücklich macht. Sobald die Sonne wieder hoch steigt und das Eis an der Küste bricht, dann haltet Euch bereit. Dann werden auch Tawanka’s Glieder wieder kräftig genug sein, um die Berge besteigen und das Ruder führen zu können. Aber seid still und verschwiegen. wie der rothe Mann: denn erfahren die Yankees etwas von dem, was wir vorhaben, so werden ihre List und Tücke Mittel genug finden, Euch zu berauben oder Euch den Besitz streitig zu machen.“

„Aber, Tawanka, irrt Ihr Euch nicht?“ sagte Werner, „das weiße Gestein, welches Ihr damals gesehen, war vielleicht nur Bleierz, das Ihr für Silber gehalten habt.“

„Ein Sagamore der Odschibbewas sagt nie etwas, was er nicht beweisen könnte. Wenn sein Auge so scharf war, daß er die falschen Dollars, womit der große Häuptling der Pelzhändler (Astor) die Rothäute für gelieferte Felle zu bezahlen pflegte, von den echten spanischen Pfeilerstücken (Piastern) unterscheiden konnte, so wird er auch beurtheilen können, ob das Gestein, welches er damals sah, mit Silber oder mit Blei gefüllt war.“

Werner stellte noch verschiedene Fragen an den Häuptling, welche dieser mit solcher Sicherheit und Klarheit beantwortete, daß jeder Zweifel an dem Vorhandensein des edeln Metalls, und zwar in großen Massen, wegfallen mußte. Nur über die Localität der Silbermine konnte er nichts in Erfahrung bringen, da der schweigsame Indianer darauf bestand, ihm erst im nächsten Frühjahr, wann der See wieder offen sei, die nöthigen Aufklärungen zu geben. Bis dahin, bat ihn Tawanka, solle er das Geheimniß tief in seiner Brust verbergen und es so einzurichten suchen, daß er sich dann dem Dienste der Compagnie auf einige Wochen entziehen könne.

Einige Wochen später kehrte der nun vollkommen wieder hergestellte Häuptling nach dem Indianerdorfe zurück, reich beschenkt mit Lebensmitteln, die er im Auftrage Werners unter seine darbenden Stammgenossen vertheilen sollte. Bei dem Abschiede sprach er zu dem Deutschen: „Wenn die Schneegänse wieder nach Norden ziehen und der Whippoorwill sein Nest zu bauen anfängt, dann macht Euch frei und haltet Euch bereit, damit Ihr seht, wie Tawanka sein Wort hält. Aber fesselt Eure Zunge, auf daß sie Euch kein Unglück bringt.“

Die Aufschlüsse über die geheimnißvolle Silbermine ließen Werner keine Ruhe, da er guten Grund hatte, zu glauben, daß der Indianer es ehrlich mit ihm meine. Sein Leben in der Wildniß und der gezwungene Umgang mit vorurtheilsvollen Amerikanern und ungebildeten irischen und englischen Arbeitern trugen freilich nicht dazu bei, ihm seine Stellung so angenehm zu machen, um die Entbehrung der gewöhnten Genüsse der civilisirten Welt verschmerzen zu können. Auch das Heimweh fing an, sich bei ihm

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_161.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)