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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

„Ich habe einige wiederkehren sehen,“ sagte jene alte Frau, die in dem Winkel der Treppe zusammengekauert saß, um sich vor den kalten Stößen des Mistral zu schützen, „sie sind noch in Marseille; aber die meisten sind wohl in Cayenne gestorben.“ Und doch waren sie noch die Glücklichsten in diesem fürchterlichen Schlosse, welches da unter meinen Füßen lag! Und nun schien es mir, als wenn alle Erinnerungen aus den Kerkern sich mir vor den Augen der Seele verkörperten; die Gestalten Monte-Christo’s, der eisernen Maske, des Abbé Faria stiegen vor mir auf; die weißen Steine schienen wie in Blut getaucht; eilig stürzte ich, an der alten Frau vorüber, die enge Wendeltreppe hinab, über den schmalen Hof und über die gebrechliche Brücke. Ich athmete erst wieder auf, als ich das schreckliche Schloß aus dem Gesicht verloren hatte und mein leichtes Boot vor dem Winde pfeilschnell nach dem heitern und fröhlichen Marseille zurückflog.

Gustav Rasch.




Eine naturgeschichtliche Erinnerung.

Wenn jetzt die Besucher des Dresdener zoologischen Gartens sich an dem schönen Schauspiel einer Löwin mit ihren vier prächtig gedeihenden Jungen erfreuen, so denkt vielleicht Mancher zurück an den jungen Löwen, der im vorigen Jahre unter sehr anderen Verhältnissen seine kurze Lebenszeit dort verbrachte. Denn wenn auch die jetzigen jungen Löwen des Gartens durch ihre Zahl, ihr munteres Wesen und durch das Zusammenleben mit ihrer Mutter dem Beschauer die größte Freude verursachen, so vereinigte sich hinwiederum bei jenem Thiere Alles, um ihm eine viel größere Theilnahme zuzuwenden.

Die junge Löwin und ihre Pflegemutter.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

Die Eltern des Thieres waren die ersten Löwen, die nach dem Garten kamen, und aus einer Sammlung afrikanischer Thiere, welche der Thierhändler Casanova direct aus Afrika gebracht hatte, ausgewählt worden. Die ersten Jungen, welche die Löwin dieses Paares in Dresden warf, starben leider an den Mißhandlungen ihrer Eltern, und auch bei dem zweiten Wurfe (Januar 1864) gelang es nur durch sofortiges Wegnehmen des überlebenden letzten Jungen, dasselbe zu retten, da ihm die alte Löwin bereits die Schwanzspitze abgebissen und eine Wunde in der Seite beigebracht hatte. Die Aufgabe war jetzt, den jungen Löwen ohne Muttermilch aufzuziehen; aber obgleich man schon anderswo junge Schweinchen, denen die Alte gestorben war, mit der Milchflasche aufgezogen hat, so verzichtete man hier darauf und es galt daher eine säugende Hündin aufzutreiben. Obgleich dies nun mitten im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_188.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)