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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Artillerist. Daß ich den Letztern am Schärfsten in’s Auge faßte, machte sie keineswegs verlegen.

„Nicht wahr,“ fragte sie zutraulich, „der ist auch schön?“

„Allerdings,“ erwiderte statt meiner kräftig der Pfarrer, „und in trefflicher Gesellschaft. Ihr seid also lutherisch?“

„Wir? Ja,“ entgegnete sie, „aber mein Schatz da ist katholisch.“

„Das muß doch störend sein,“ meinte der Andere. „Warum?“ lachte sie auf, „er ist ja brav und gut, wir haben uns schon lange lieb und der Vater sagt, wir glaubten All’ an Einen Gott, und das Andere wär’ Nebensach’.“

Ich fürchtete, mein Begleiter würde links in die Brieftasche schreiben, aber er bekam blos ein wenig den Husten, und um den Anfall abzukürzen, fragte ich, auf die Speichertreppe zeigend, ob man auch da hinauf dürfe.

Ein Wink mit der Hand lud mich ein, ganz nach Gefallen zu thun, und ich fand einen regelrecht gehaltenen Söller, groß genug, um noch ein Schlafkämmerlein davon abzuschlagen, und durch solide Wände von den Böden der Nachbarn getrennt.




Blätter und Blüthen.

Die Begründung einer neuen himmlischen Herrschaft. Unter der Überschrift „Neue geistliche Hierarchie“ dringt das in Campos (Brasilien) erscheinende Blatt „Regeneração“ im vorigen Jahre folgende interessante Notiz: „Es sind ungefähr zwei Monate, daß durch unsere Stadt ein deutscher Priester kam, in der ausgesprochenen Absicht, nach der Stadt Cantagallo zu reisen, um daselbst eine wichtige päpstliche Mission zu erfüllen. Dieselbe besteht nach seiner Aussage in nichts Geringerem, als in der Ausgabe, für die Verbreitung einer neuen päpstlichen Schöpfung zu wirken. Der glückliche Auserwählte zeigte den Gläubigen ein Breve vor, welches mit dem päpstlichen Wappen und Siegel der Canzlei versehen war, wovon wir eine Copie erhielten, die wir nachstehend veröffentlichen. Das Geld spielt in dieser neuen Hierarchie die hauptsächlichste Rolle und bildet die wunderthätige Leiter, aus der irgendwelche Sünderin sanft und natürlich bis zu den Ehren einer himmlischen, mit der Kirche vermählten Prinzessin gelangen kann; der geringste Vortheil, welcher der frommen Spenderin gewährt wird, besteht in der Heiligsprechung und der Einzeichnung des Namens in die heiligen Bücher des römischen Archives. Zur Erlangung so hoher Gunst genügt es, daß die Aspirantin in die Hände des Delegaten Seiner Heiligkeit die bescheidene Summe von 1000–2000 Milreis (= 800–1000 Thaler) legt. Mittelst dieses Geschenkes kann jedwede gebrechliche Senhora von unbeflecktem Rufe (natürlich nach dem Urtheile des Pater Delegaten) der unaussprechlichcn Freude aller irdischen und ewigen Glückseligkeit theilhaftig werden, und wenn sie zufälliger Weise die Schnüre ihrer Börse etwas weiter öffnet und den Betrag verdoppelt, sieht sie sich heilig gesprochen und ihren Namen in den Kalender der römischen Curie aufgenommen.

Die verheißene Gunst beschränkt sich aber merkwürdiger Weise nur auf das schöne Geschlecht; allem Anscheine nach sind die christlichen Tugenden der Frauen weit über die der Männer erhaben, obgleich diesen das irdische Paradies durch die ersteren verloren ging.

Das Programm der neuen geistlichen Hierarchie, welche die römische Kirche errichtet, lautet folgendermaßen:

„Das unausgesetzte Bestreben, welches sich zur Aufrechthaltung und Förderung unserer heiligen Religion glücklicher Weise immer mehr entwickelt, erfüllt den heiligen Vater mit lebhafter Freude. Seine Heiligkeit hat sich entschlossen zur Belohnung dafür eine himmlische Herrschaft zu stiften, welche die ewige Glückseligkeit von Frauen tadellosen, reinen Rufes und Wandels erleichtern soll. Die verschiedenen Grade der Auszeichnung sind für alle diejenigen erreichbar, welche vorerwähnte Eigenschaft besitzen und mittels eines Beitrags, der je nach der Höhe des zu verleihenden Grades schwankt, die neue Institution unterstützen. Der Beitrag ist folgendermaßen normirt:

Für den Titel einer Fürstin vermählt mit der Kirche 50,000 Milreis[1]

" " " " Marquise " " " " 25,000 "

" " " " Gräfin " " " " 20,000 "

" " " " Bicomtesse " " " " 15,000 "

" " " " Baronin " " " " 10,000 "

Mit der Heiligsprechung, die von allen Strafen befreit, genießt man überdies alle Freiheiten, welche die Kirche gewährt.

Gegen ein Geschenk von 5000 Milreis kann man heilig gesprochen werden und wird der Name der Kanonisirten in die heiligen Bücher der römischen Curie verzeichnet, sowie es ihr freisteht, den Tag der Heiligsprechung öffentlich in einer auf ihre Kosten errichteten Capelle zu feiern.

Ein Geschenk von 2500 Milreis berechtigt zur Heiligsprechung und zu festlichem Begehen des glücklichen Tages im Kreise der Familie. Ein Geschenk von 1000 Milreis giebt das Anrecht auf Eintragung des Namens der Geberin in die heiligen Bücher des römischen Archivs. Die letzteren Gnadenbezeigungen sind jedoch nur titulare und befreien nicht von den Vorschriften der Kirche. Die neue Institution tritt mit Beginn des Jahres 1865 in’s Leben. Ein jeder Bischof wird ein Register führen, worin die Namen der Personen, Wohnung und Nummer des Hauses, sowie der Grad, auf den sie Anspruch machen, verzeichnet werden. Halbjährig werden die damit Beauftragten Seiner Heiligkeit die Sprengel der Bischöfe bereisen, um Anmeldungen entgegenzunehmen, ausgefertigte Diplome zu überreichen und den Betrag dafür einzusammeln. Falls durch irgend ein häusliches oder dienstlichen Hinderniß die ganze Summe auf einmal nicht bezahlt werden kann, wird der Delegat sich mit den Aspirantinnen über die erleichternden Mittel zu deren Realisirung verständigen, ohne die geringste Schwierigkeit zu erheben, wenn irgend ein Verzug eintreten sollte.“ Wir geben, was das brasilianische Journal schreibt, ohne indeß unsererseits die Verantwortlichkeit dafür zu übernehmen.




Die Eisfelder Revolution gegen Hannibal Fischer. Das jetzt, in Folge von Otto Ludwigs Tod und der Nachforschungen nach seinem Leben vielgenannte Eisfeld hat eine Vergangenheit, welche den Charakter seiner Bewohner in der Gegenwart erklärt. In 500 Jahren ist die Stadt zehn Mal zum größten Theil abgebrannt, daher die Eisfelder so oft mit der Gründung ihrer Heerde von vorne wieder anfangen mußten, daß sie ein hartes, derbes, rühriges und sparsames Volk geworden sind, das gern am Alten hängt, weil es um dasselbe schwer genug gerungen hat. Dieses zähe Festhalten an alten Gewohnheiten und Rechten verirrte sich manchmal auch auf Kleinlichkeiten und führte unter anderem den oben bezeichneten Vorfall herbei. Wir erzählen ihn mit den Worten eines der jetzt hervorragendsten Eisfelder Bürger, dem wir noch außerdem für die Besorgung der meisten von uns benutzten Mittheilungen über Otto Ludwig zu Dank verpflichtet sind. Franklin Haertel schreibt: „Nachdem man schon längere Zeit im städtischen Haushalt Unordnungen vermuthet hatte, drang die Eisfelder Bürgerschaft im Jahre 1818 bei der Regierung in Hildburghausen (das damals noch als ein besonderes Herzogthum bestand) auf Einsetzung einer Untersuchungscommission. Diesem Wunsche war willfahrt worden, und mit der Publicirung des Endresultats beauftragt erschien in Eisfeld der damals in Hildburghausen als Landschaftssyndicus fungirende Hannibal Fischer. Derselbe ließ die Bürger auf das Rathhaus berufen und wollte ihnen das hohe Rescript im Hausplatze verlesen, weil die Rathsstube nicht alle Anwesenden faßte. Dies verletzte jedoch das Gefühl der Ehrfurcht der wackern Eisfelder vor dem hohen Rescript, sie sahen darin eine Beleidigung der landesherrlichen Würde und einen Eingriff in ihre Rechte und drangen darauf, daß Fischer zu seinem Vortrage in der Rathsstube Platz nehme. Dagegen brauste jedoch des Herrn Landschaftssyndicus Beamtenstolz auf, er widerstand immer heftiger, immer heftiger wurde aber auch der Tumult, ja endlich bezeigten einige Bürger nicht übel Lust, den widerspenstigen Herrn durch die Fenster des oberen Stockwerks auf die Straße zu setzen. In diesem kritischen Augenblick, ohne Waffen in solch einem Sturm, ergriff Hannibal eine große Papierscheere, brach sich muthig Bahn durch die Bürger, sprang in seinen Wagen und fuhr spornstreichs nach Hildburghausen, um beim Herzog Friedrich eine Militär-Execution gegen das rebellische Eisfeld zu erbitten. Diese rückte auch wirklich an. Die angeblichen Rädelsführer der Revolution wurden auf Wagen gebunden und nach Hildburghausen transportirt, einige Tage daraus jedoch wieder entlassen, weil sich sehr bald der wahre Sachverhalt herausstellte und ohnedies Hannibal Fischer mit seinem theuren Leben glücklich davon gekommen war.“ – Nur für den Vater Otto Ludwig’s endete dies nicht so harmlos, denn in ihm, der ein Hauptbetheiligter auf der Seite seiner Bürger war, steigerte sich nur jene Verbitterung, die das Leben der Familie trübte bis zu seinem Tode.

F. H.




Zur Beachtung. Aus ganz bewährter Quelle wird bezüglich des in Nr. 15 unserer Zeitschrift enthaltenen Artikels „Unter deutschen Officieren in Amerika“ auf das Bündigste und zugleich in sehr warmer Weise versichert, daß das Karl Heinzen gemachte Ansinnen, als ob dessen politische Gesinnung von der Zahl der Abonnenten seiner Zeitschrift beeinflußt werden könne, ein durchaus ungerechtes sei. Man möge über Heinzen’s Anschauung und die Art und Form seiner publicistischen Thätigkeit urtheilen, wie man wolle, – soviel stehe fest, daß ihm Jedermann das treueste Festhalten an seinen politischen Grundsätzen werde zugestehen müssen.




Kleiner Briefkasten.

B. in St–g. Wir haben an bester Quelle Erkundigungen eingezogen und können Ihnen zum Ankaufe eines Pianofortes aus der Fabrik der Herren Hölling und Spangenberg in Zeitz nur rathen. Dies in neuerer Zeit sehr umfänglich gewordene Etablissement, das über hundert Arbeiter beschäftigt, liefert zwar nicht Instrumente wie Erard oder Breitkopf und Härtel oder andere Matadore der Pianofortemanufactur, wohl aber ganz, was Sie gerade wünschen: gute, brauchbare Instrumente zu verhältnißmäßig niedrigen Preisen, wie sie der minderbemittelte Musikfreund sich anschaffen kann.

X. Y. Z. L. Ist Schwindel. Jeder Groschen, den Sie an diese Kräftigungstränke ausgeben, ist weggeworfen.

Den beiden Freundinnen. Ich war leider nicht am 31. Juli in Rathen.

G–r.
  1. Ein Milreis ca. 23 Ngr. 2 Pfge.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_304.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)