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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Nu die anderen brennbaren Stoffe gepackt, und als die Flamme hell und züngelnd emporloderte, sprangen die Mörder nach ihren Pferden und schwangen sich in die Sättel.

Einer von ihnen hatte auch den alten Fuchs herbeigebracht und an die Leine genommen.

„Was willst Du denn mit der alten Kracke, Ned?“ rief der Führer, der daneben stand. „Die Bestie ist doch wahrhaftig nicht des Mitnehmens werth.“

„Sollen wir sie zurücklassen?“

„Bah,“ sagte der Bube, indem er sein Bowiemesser aus der Scheide zog und es dem armen Thier zwischen die Rippen stieß, „laß die Leine los, den Aasgeiern haben wir doch mit unserem Feuer den Spaß verdorben und sind ihnen einen Ersatz schuldig. Sie mögen sich daran eine Güte thun – und nun fort. Wir haben schon zu lange gezögert.“

Mit den Worten schwang er sich hinter der Negerin auf’s Pferd, und wenige Secunden später, während der dichte, schwarze Qualm aus der angezündeten Hütte emporstieg, war der wilde Schwarm im Unterholz verschwunden, nur die entsetzlichen Spuren seines Verbrechens in dem zerstörten Frieden dieses Platzes zurücklassend.


5. Die Moderatoren.

Der Theil des Jenkins’schen Wohnhauses, an dem der Kamin lag, fing schon an lichterloh zu brennen. Dichter Rauch quoll aus den überall offenen Ritzen der zusammengelegten Stämme und schon leckte die züngelnde Flamme hervor, als eine scheue dunkle Gestalt aus dem Gebüsch kroch. Wie sie die Lichtung erreichte, blieb sie stehen – es war Sip – sah sich scheu um und rannte dann auf das brennende Haus zu.

Wäre der innere Raum geschlossen gewesen, so hätte der Rauch die darin Festgebundenen lange erstickt, ehe sie die Flamme selbst nur erreichte. So aber fand jener überall, wohin er drang, freien Durchzug, und da er nach oben preßte, blieb auch, für jetzt wenigstens noch, der untere Raum, in dem die beiden alten Leute gefesselt lagen, frei davon.

Sip, der Negerbursche, der jetzt zu ihrer Rettung herbeieilte, sprang, unbesorgt um seine eigene Sicherheit, mitten in den Rauch hinein, und ein Blick hier bestätigte das Entsetzlichste, das er nur gefürchtet haben konnte. Im Anfang hielt er auch Beide schon für todt, denn der Rauch und vielleicht auch Angst und Aufregung hatten sie betäubt, als er aber den ersten Körper, seinen alten Herrn, auffaßte, um ihn hinauszutragen, und fand, daß er gebunden war, erwachte in ihm der Gedanke an die Möglichkeit einer Rettung. Im Nu hatte er die Banden mit dem Messer, das er im Gürtel trug, durchschnitten und den Bewußtlosen auffassend, schleppte er ihn vor die Thür an die freie Luft und sprang dann zum zweiten Male hinein, seiner Herrin denselben Liebesdienst zu leisten.

Und Nelly, war auch sie hier festgebunden? Vergebens suchte er in dem brennenden Gebäude nach ihr, aber er wußte auch, daß die schlechten Menschen einen armen Nigger, der so viel hundert Dollars werth war, nicht nutzlos umbrachten. Was sie damals gedroht, hatten sie heute ausgeführt und Nelly war für immer für sie verloren.

Doch nicht mit nutzlosen Klagen verlor er seine Zeit. Die beiden im Haus stehenden Eimer mit Wasser goß er in die Gluth, daß ihn der Qualm fast zu ersticken drohte, sprang dann zum Bach und holte mehr, riß die brennenden Scheite heraus, warf sie in’s Freie und dämpfte endlich das Feuer, das noch nicht Zeit gehabt hatte, zu den trockenen Schindeln emporzulecken. Dann eilte er zu den Befreiten zurück und jubelte laut auf, als er dem offenen, auf ihn gerichteten Blick seines Herrn begegnete.

„Sip,“ sagte dieser leise, „braver Bursch!“

„Armer, armer Herr!“ rief der Neger und die Thränen liefen ihm an den schwarzen Backen nieder, „o die grausamen, schlechten Buckras, die bösen weißen Männer! – Indianer hätte mehr Mitleiden mit armer Frau gehabt.“

„Laß sein, Sip,“ sagte Jenkins, der eine andere Meinung von den Rothhäuten hatte, „Indianer machen’s auch nicht besser; aber gieb mir Dein Messer, so, das ist recht, daß ich erst die Stricke hier von den Armen bekomme und – wie haben sie meiner armen Alten mitgespielt! Hast du Wasser?“

„Hier, Massa, ganzen Eimer voll.“

„Hast Du das Feuer im Haus gelöscht?“

„Alles aus, Massa, hat nur ein Bischen gekohlt.“

Der Alte wandte hierauf seine ganze Aufmerksamkeit seiner Frau zu, die er im Arme hielt und der er Stirn und Schläfe wusch, bis sie die Augen wieder aufschlug und jetzt ein lindernder Thränenstrom, als sie den Gatten frei und gerettet sah, ihrem fast zu Tod geängstigten Herzen Luft machte und es erleichterte.

Der alte Jenkins hielt sich jedoch nicht lange mit Worten auf. Sobald er nur die Frau dem Leben wiedergegeben hatte und sah, daß er für sie nichts weiter zu besorgen brauchte, denn ihre kräftige Natur sollte wohl bald jede Schwäche besiegen, stand er auf und ging in sein Haus, um selber dort nachzusehen, wie weit die Verwüstung sich erstreckt hatte.

Seine Büchse, sein Messer, er suchte sie vergebens, aber auch nicht lange. Nur einen flüchtigen Blick warf er danach umher, dann trat er in die linke Ecke, wo noch ein altes Messer in einer Spalte stak, schob es sich in den Gürtel und schritt wieder hinaus vor das Haus, zu dem kleinen Dogwood, der ihn bei seiner Schmach gehalten. Nicht einen Blick warf er dort umher, sein Herz war jeder Sentimentalität fremd, nur den Hut nahm er auf, der ihm herabgefallen, und wandte sich dann zu seinem alten Fuchs, der langgestreckt und verendet vor dem Hause lag.

„Armer Alter!“ sagte er, indem er ihm den Zaum abnahm und sich umhing, dabei aber auch noch die daran geschlungene Leine um seinen Gürtel befestigte. „Du warst ihnen wohl zum Stehlen zu schlecht und aus bloßem Muthwillen haben sie dich umgebracht. Aber laß nur sein, mein Alter, ich gleiche deine Rechnung mit aus, sei nicht ängstlich, wir werden quitt werden, ehe vierundzwanzig Stunden vergehen, oder – ich liege so kalt und starr wie du da,“ setzte er leise mit zusammengebissenen Zähnen hinzu.

„Du willst doch nicht schon wieder fort, John?“ bat die Frau, als sie ihn so gerüstet sah, „soll mich die Angst hier verzehren?“

„Glaubst Du, daß ich eine Nacht in diesem Walde ohne Büchse sein möchte?“ entgegnete ihr der Gatte; „nein, hab’ keine Sorge, heute kehren die Schurken nicht hierher zurück, denn sie glauben ihre Arbeit gethan, und daß Du sie morgen nicht mehr zu fürchten brauchst, dafür, Alte, laß mich sorgen.“

„Und zu Fuß, mit Deinem armen, zerschlagenen Rücken willst Du fort? Wenn Du nun im Walde krank und schwach wirst?“

„Sorge Dich nicht um mich. Da ich das ertragen habe, ficht mich auch nichts Anderes mehr an.“

„Und wohin willst Du?“

„Nach Brownsville. Die Nachbarn sind heute Abend alle dort versammelt, und noch in der Nacht kehren wir hierher zurück und bringen Dir ein Bett mit.“

„Noch in der Nacht hierher?“

„Erschrick nicht, wenn Du uns kommen hörst. Es sind Freunde und morgen, will’s Gott, befreien wir diese Gegend von jenen Schuften.“

„Und sind die nicht lange geflüchtet? und unsere arme, arme Nelly!“

„Laß gut sein, Alte. Leb wohl!“ sagte Jenkins. „Sip, paß’ mir gut auf, mein Bursch, dann darfst Du auch morgen früh mitgehen und Nelly suchen helfen,“ und mit den Worten wandte er sich ab, um in den Wald hineinzugehen, blieb aber schon nach den ersten Schritten wieder stehen. Hatte er Etwas vergessen? Seine Büchse fehlte ihm. Die Zähne aufeinanderbeißend, setzte er seinen Weg fort.

Hatten die Schufte aber etwa auch sein Pony gefunden und es – mißhandelt und vollkommen hülflos – im Wald zurückgelassen? Nein, Gott sei Dank, das wenigstens war ihrer Raubgier entgangen. Er fand es noch auf seinem alten Weidegrund, ging zu ihm, legte ihm den Zügel an, stieg langsam, mit Hülfe eines umgebrochenen Baumstammes, auf den Rücken des Thieres und sprengte dann, was das Pony laufen konnte, durch den Wald.




In Brownsville hatten sich inzwischen die Squatter verabredetermaßen wieder eingefunden, um sich heute ihre bis dahin gemachten Entdeckungen mitzutheilen und weitere Schritte zu berathen. Schon war es ziemlich spät geworden, und Jenkins fehlte noch immer und von den Uebrigen aber hatte Niemand etwas Erhebliches

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