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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

sitzen, sollt Ihr auf die Rechenschaft nicht lange zu warten brauchen. Sie wird vielleicht früher kommen, als Euch lieb ist.“

„Zu der Gesellschaft?“ sagte der Zweite erschreckt, „wir wissen von keiner Gesellschaft.“

„Gut, das findet sich Alles, ich habe aber keine Lust, hier noch länger mit Euch zu verhandeln. Führt sie hinauf zum Haus, Leute. Thut mir leid, daß wir den alten Joe so früh im Schlafe stören müssen, läßt sich aber ein Mal nicht ändern.“

Joe schlief indeß nicht mehr, sondern hatte die lauten Worte, schon wach in seinem Bett liegend, gehört und kam jetzt heraus, um zu sehen was es gäbe. Billins, der ihn bei Seite nahm, theilte ihm mit kurzen Worten das Vorgefallene und ihre jetzige Absicht mit, und der Alte ließ sich denn auch nicht lange bitten, von der Partie zu sein, ja, wollte nicht einmal davon hören, selber am Hause zu bleiben und auf die beiden Gefangenen acht zu geben, und erst, als ihm der junge Backwoodsman die Gefahr vorstellte, der sie Alle ausgesetzt sein könnten, wenn die beiden Gefangenen entsprängen und vorzeitig Alarm gäben, verstand er sich dazu. Aber seine vier Neger mußten mit, alle miteinander, sie konnten die Canoes rudern und Nero sollte als Pilot dienen.

Die Canoes waren eigentlich sogenannte Piroguen, wohl gearbeitet wie ein Canoe und aus einem einzigen Baumstamme ausgeschlagen, aber aus großen Cypressen, deren Holz sich ganz vortrefflich dazu eignet, und groß genug, jede von ihnen zehn Personen mit Leichtigkeit zu tragen. Die Neger wußten außerdem vortrefflich mit ihnen umzugehen und Billins fühlte sich jetzt überzeugt, daß sie mit diesen Fahrzeugen ihren Auftrag genügend ausführen konnten. Wenn die Männer im Wald drin ebenso ihre Schuldigkeit thaten, so waren die Verbrecher verloren. Allerdings versuchte er jetzt, von den Gefangenen Etwas über die Stärke des Trupps zu erfahren, fand aber das bald vergebene Mühe, denn die Burschen leugneten Beide standhaft das Geringste von einer im Schilf versteckten Schaar zu wissen und blieben bei ihrer Behauptung, daß sie friedliche Ansiedler von der anderen Seite des Stromes wären. Es war nichts weiter aus ihnen herauszubringen, verdächtig machte sie aber, daß sie sich in der Angabe der Gegend, wo ihre Hütten stehen sollten, verwirrten, und Joe, der fast jeden Fußbreit Raum am anderen Ufer kannte, hatte sie bald so fest gefahren, daß sie endlich erklärten, sie wären erst seit drei Tagen in der Nachbarschaft und wüßten noch nicht recht Bescheid im Walde. Das Canoe eines vorbeikommenden Flachbootes habe sie übergesetzt, weil sie sich hier einmal umsehen wollten.

Das Alles war viel zu unwahrscheinlich, als daß es den schon gefaßten Verdacht nicht noch hätte verstärken sollen. Joe versprach deshalb auch, gute Wacht über sie zu halten, bis die Boote zurückkehren würden; daß ihm keiner entwische, dafür stand er ein, und als die Nachbarn erst noch einen Becher Kaffee getrunken, den ihnen die alte Dame schnell bereitete, wie sie sich auch dagegen sträubten, sie zu belästigen, machten sie sich zum Einschiffen fertig. Die Whippoorwills sangen schon ihren monotonen Ruf im Walde, ein sicheres Zeichen, daß der Morgen nicht mehr fern, und über die Wipfel der Bäume im Osten trat die Venus und sandte ihr blitzendes Licht herüber.

Nach Nero’s, des alten Negers, Aussage mochten sie etwa eine gute Viertelstunde brauchen, um mit der ziemlich raschen Strömung des Red River niedertreibend jenen Platz zu erreichen, auf dem unfern von einander zwei dieser Slews oder Bayous ausmündeten. Die obere war die, an welcher Netley sein Haus hatte, die untere die nämliche, an der Jenkins die Spuren entdeckt, und zwischen den beiden sollte Nero’s Beschreibung nach die Stelle liegen, auf der eine alte Shanty oder Hütte stand und wo sich also auch jetzt wahrscheinlich diese sogenannte Regulatorenbande festgesetzt hatte. Dicht über der oberen Bayou lief aber eine kleine Landzunge aus, unter deren Schutz sie liegen bleiben und, selber unbeachtet, Alles überwachen konnten, was an jener Stelle im Wasser vorging. Dorthin ruderten sie auch, um mit vollem Tagesanbruch gleich am Orte zu sein und keine Zeit zu versäumen.

Ashley hatte indessen ebenfalls sein Ziel erreicht und Netley’s Hütte vorsichtig und geräuschlos umzingeln lassen; aber der Vogel war nicht allein ausgeflogen, sondern sie fanden auch in der Hütte, in der sie rasch ein Feuer anzündeten, keine Spur, daß dieselbe in den letzten Tagen überhaupt bewohnt gewesen. Die Ueberreste von angebrannten Holzstücken im Kamin waren jedenfalls mehrere Tage alt, und sonst schien der frühere Besitzer auch nicht das Geringste von seinem Eigenthum zurückgelassen zu haben.

Ashley hatte das übrigens kaum anders erwartet, denn daß sich der Mann bei einem Ueberfalle, wie der bei Jenkins, betheiligen und dann noch in einem nahebei gelegenen Hause geblieben sein solle, war zu unwahrscheinlich. Jedenfalls hatten sie die Vorsicht brauchen müssen, sich darüber vorher Gewißheit zu verschaffen, und jetzt konnten sie hier im Hause in aller Bequemlichkeit die Morgendämmerung abwarten, da gerade von hier aus auch der Pfad in den Schilfbruch einmündete.

Nicht so geduldig erwartete der alte Jenkins mit seinem Trupp diesen Augenblick, ihm brannte der Boden unter den Füßen. Noch war es finstere Nacht, als er mit den Seinen die Slew erreichte, und da hier das Schilf schon begann, mußten sie sich Schritt vor Schritt den mühsamen Weg hineinbahnen, der dadurch gefährlich wurde, daß sie ihre Augen kaum genug vor den überall vorstehenden Rohrstümpfen hüten konnten. Aber er ließ deshalb nicht nach, und mit dem Wasser zur Rechten, das ein Verirren in der Dunkelheit unmöglich machte, rückten sie, wenn auch langsam, doch stet vor, bis sie die Stelle erreichten, wo die Slew jene Biegung machte.

Hier half nun kein weiteres Beeilen ihres Marsches, denn erreichten sie in der Dunkelheit noch ihr Ziel, so konnten sie eher den gut angelegten Plan verderben, als fördern. Wohl oder übel, sie mußten hier liegen bleiben und durften dabei auch nicht einmal ein Feuer anzünden, weil sie gar nicht wissen konnten, wie nah vielleicht die Shanty lag, und der Morgenwind, der sich jetzt erhob, strich scharf nach jener Richtung zu und schüttelte das Schilf, daß es wogte und rauschte. Kein lautes Wort wurde darum noch gesprochen, die Männer verkehrten flüsternd miteinander und kauerten sich endlich, Jeder in seine Decke gewickelt, die sie bis dahin zusammengerollt auf dem Rücken getragen, hinter irgend einen Busch oder Baum, um den Morgen zu erwarten.

Länger war ihnen freilich noch keine Stunde ihres Lebens vorgekommen, als die, welche sie hier, dicht vor der Entscheidung, thatenlos und ruhig verträumen mußten. Und wie kalt dabei der Wind durch den Wald zog! Dem alten zerschlagenen Mann zitterte es mit Fieberfrost durch die Glieder und wirre, blutige Bilder tauchten auf in seinem Hirn und flimmerten und blitzten ihm vor den geschlossenen Augen. Aber das Bewußtsein, bald, sehr bald Vergeltung an denen üben zu können, die ihn und sein Weib mißhandelt und sein Eigenthum geraubt, ließ kein Gefühl der Schwäche in ihm aufkommen. Ingrimmig biß er die Zähne aufeinander und fühlte an seinem Puls die Secunden, die ihn noch von seiner Rache trennten.

Da horchte er empor. Der Whippoorwill lockte im Busch, rasch richtete er sich auf. Schilf und Holz verbargen wohl die Aussicht, standen aber nicht so dicht, um den mattgrauen Schimmer zu verdecken, der sich schon im Osten zeigte, und wie hoch war der Morgenstern gestiegen, ohne daß er ihn bis jetzt bemerkte. Der Tag graute, die Dämmerung in diesen Breiten ist kurz, und bald durften sie hoffen den Pfad erkennen zu können, der sie dem Feind entgegenführen sollte.

Leise und vorsichtig weckte er seine Leute, die nur den Schlaf von den Wimpern schüttelten und dann eben so lautlos wieder ihre Decken zusammenschnürten, um im Marsch nicht von ihnen behindert zu werden.

Der graue Streifen im Osten wurde heller und breiter, schon goß sich ein mattes Dämmerlicht über den Wald und die Leute öffneten die Pfannen ihrer Büchsen, das durch die Nachtluft vielleicht feucht gewordene Pulver durch frisches zu ersetzen, denn ihrer Waffen mußten sie sicher sein.

Jetzt graute der Tag, der alte Jenkins hatte im Dunklen den richtigen Platz getroffen, kaum zehn Schritt vor ihnen lief der braune Pfad durch den Bruch, den er gestern Morgen hier zuerst gefunden, und nun war auch keine Zeit mehr zu verlieren, denn möglicher Weise mußten sie ja noch diesem eine lange Strecke folgen.

Jenkins hob den Arm – kein Laut sollte mehr gesprochen werden, und die Büchse, den Lauf nach vorn, in der Hand, um sie augenblicklich zum Gebrauch bereit zu haben, drängte er sich durch das Schilf, das ihn noch von dem Pfad schied, und schritt

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