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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

möchte ich Dir sagen: gieb mich auf, wenn sich ein Anderer Dir naht, reiche ihm Deine Hand. Und doch kann ich es nicht sagen, ohne das Todesurtheil für mein eignes Lebensglück auszusprechen.

Vergieb, liebe Amalie, daß ich Dir meinen Unmuth nicht verborgen habe, aber ich mag auch diese Stimmung Dir nicht verheimlichen; Du sollst mich immer ganz kennen, wie ich bin. Lebe wohl! Ich kann mich nicht zwingen, kann in keine freundliche Stimmung kommen, besser also ich schreibe gar nichts mehr. Lebe wohl.   Mit alter Liebe

Dein Konrad.




Amalie an Konrad.
Mein lieber, lieber Freund!

Wie tief hat mich Dein letzter Brief betrübt! Konrad, mein lieber Konrad, was soll das heißen? Sind wir denn nicht nach einer Trennung von zwei Jahren dem schönen Ziele auch um zwei Jahre näher? Wußten wir denn nicht voraus, daß wir kämpfen und ringen mußten um unser Ziel? Und nun, auf halber Laufbahn sollte uns der Muth verlassen? Doch nein, das kann nicht sein. Du hast Dich einen Augenblick vom Unmuth übermannen lassen und gerade in dieser Stimmung mir geschrieben. Das ist mir aber lieb, Konrad, ich sehe, daß Du mir nichts verbirgst, und danke Dir für Deine Aufrichtigkeit. Ei, mein Freund, ich sehe ja doch, daß die Männer, selbst die besten, zu denen Du gehörst, die Geduld verlieren können. Denn weiter ist doch Dein Unmuth nichts, als ein Augenblick, wo Du ungeduldig wurdest. Wir Frauen harren besser aus. Und wenn Du sagst, daß Du hauptsächlich um meinetwillen so unmuthig wärest, so sage ich Dir offen: dazu hast Du keine Ursache. Mein Leben ist nicht so einförmig, wie Du glaubst, und freudenleer ist es gar nicht, im Gegentheil es ist voll Fest- und Feiertage. Ist denn nicht jeder Tag, wo ich einen Brief von Dir bekomme, ein Festtag? Und habe ich in den zwei Jahren nicht viele, viele solcher Festtage gehabt? Da im untersten Fache meines Nähtisches liegt eine recht ansehnliche Zahl von Deinen Briefen. Und jeden Tag, Morgens und Abends, lese ich einige von ihnen durch. So bringt mir jeder Tag meine Freude! Und bin ich denn so ganz einsam? Habe ich nicht meine gute Mutter? Meinst Du, es freue mich nicht für sie sorgen und vor allen Dingen mit ihr sprechen zu können? Nein, Konrad, ich sehne mich auch Dich wieder zu sehen, aber trotzdem bin ich heiter und glücklich. Kann denn eine Braut unglücklich sein, der die Zeit täglich näher rückt, wo sie mit ihrem Geliebten vereinigt werden soll? Also gräme Dich nicht, mein lieber, lieber Konrad. Mich drückt keine Sorge, kein Kummer, und der Gedanke an Dich, die Hoffnung auf Dich machen mich glücklich. Darum reiße Dich aus Deinem Unmuth heraus. Vermeide es nicht unter Freunden und Genossen fröhlich zu sein. Wenn ich Dir dann in den Sinn komme, so trinke Dein Glas aus und denke im Stillen, es sei auf mein Wohl, und wenn Du Dir dann mein Bild recht vergegenwärtigst, so wirst Du sehen, daß es freundlich lächelt und dankbar Dir zunickt. Lieber, lieber Konrad, antworte mir recht rasch und sage mir, daß solche trübe unmuthige Stunden bei Dir nur selten sind. Denn wäre das Gegentheil der Fall, so würde ich mich grämen und würde fürchten, daß die Treue, mit der Du an mir festhältst, Dir in Deinem Streben hinderlich sei. Geh, mein Freund, Du verkennst ja ganz. was Dir zukommt. Du willst mich in Dein Haus führen, das lasse ich mir gefallen. Aber Du willst auch den Tisch decken? Erlaube, lieber Freund, das ist meines Amtes und das lasse ich mir nicht nehmen. Ei, in meinen geträumten Zukunftsplänen spielt es ja die Hauptrolle, wie ich für Dich und Deine Bequemlichkeiten recht emsig sorgen kann. Nein, nein, mein Freund, den Tisch zu decken lasse ich mir nicht nehmen. Also den Kopf in die Höhe, mein Konrad. Ich habe noch viel Muth und heitere Hoffnung, Du wirst doch hinter Deinem Mädchen nicht zurückstehen wollen? Geschwind, Konrad, setze Dich hin und schreibe mir einen recht freundlichen, sonnenhellen Brief. Du machst mir dann wieder einen Festtag! Tausend Grüße meinem lieben, lieben Freunde von seiner treuen und glücklichen Braut

Amalie.




Konrad an Amalie.
Mein herrliches Mädchen!

Dein Brief hat mich tief beschämt und mich doch zugleich auf das Freudigste bewegt. Geschämt habe ich mich, daß mich mein Unmuth hinreißen konnte, Dir einen Brief voll Klagen zu schreiben und ihn auch wirklich in Deine Hände gelangen zu lassen. Ich möchte Etwas darum geben, wenn ich mich Dir nicht so schwach gezeigt hätte. Und doch ist diese Schwäche Gelegenheit geworden, nicht Dich von einer neuen Seite. aber in der ganzen Fülle Deiner Liebenswürdigkeit kennen zu lernen. Ja, meine Amalie, indem Du an Dich gar nicht denkst, indem Du Dich glücklich schilderst, nur um mich zu beruhigen, indem Du alle Entbehrungen leugnest und mich glauben machen willst, daß nie eine trübe Stimmung auf Dir laste, wie die, welche bei mir zu heftigem Unmuth ausschlug, verleugnest Du ganz Dich selbst in hingebender Liebe. Das ist echt weiblich. Und in dieser echten Weiblichkeit liegt der Vorzug, die Stärke eures Geschlechts. Die Liebe ist die Hauptaufgabe des Weibes. Das Weib ist schwach und stark in der Liebe. Die Liebe erfüllt ihr ganzes Leben. Deswegen kann das Weib eine Höhe der Vollkommenheit erreichen, die dem Manne versagt ist. Es giebt ganz vollkommene Gattinnen, Hausfrauen, Mütter.

Auch der Mann ist der stärksten Liebe fähig, allein die Liebe darf sein Leben nicht ausfüllen. Er hat noch andere Pflichten, Pflichten für das allgemeine Leben. für seinen Beruf, für die Gemeinde und den Staat. Und diesen Pflichten in ihrem vollen Umfange zu genügen, vermag der Mann nicht. Insofern sind die Frauen glücklicher. Darum auch, weil wir die Fülle eurer Liebe nicht erreichen können, bewundern wir Euch. Wir lieben Euch gewissermaßen um eurer Liebe willen. Habe Dank, mein herziges Kind, für Deinen schönen Brief oder besser für die Offenbarung Deines schönen Herzens. Du hast Recht, ich bin nicht immer so trübe und verstimmt, wie ich Dir in meinem letzten Briefe erschien. Es sind eben nur Stunden des Unmuths, die ich wieder bekämpfe, und es ist abscheulich von mir, in einer solchen Stunde an Dich geschrieben zu haben. Ich mag Dich nachträglich gar nicht um Verzeihung deshalb bitten, weil Du verziehen hast, ehe ich gebeten habe. Wenn aber jemals mich der Unmuth wieder beschleichen sollte, will ich Deinen Brief lesen und jenen dadurch verscheuchen.

So hast Du mir ein treffliches Mittel gegeben, mir meine Heiterkeit zu bewahren. Dank, tausend Dank, meine Amalie. Und nun lebe wohl für heute. Ich bin so überhäuft mit Arbeiten, daß ich die Nächte zu Hülfe nehmen, meine liebste Beschäftigung abkürzen muß, die, an Dich zu schreiben. Lebe wohl. Der Gedanke, daß Du einen Menschen mit Deiner schönen Liebe unendlich glücklich machst, möge Dich stärken in Deiner Einsamkeit.

Dein glücklicher Konrad.


Konrad an Amalie.
Mein süßes Herz!

Eine gute Nachricht sollen Dir diese Zeilen bringen. Ich habe mein drittes Examen gemacht und habe es glänzend bestanden. Sie hatten mir es schwer machen wollen und haben mich auf allerlei Proben gestellt, aber ich war überall sattelfest. Meine Collegen wünschen mir Glück, und der Präsident hat mir schmeichelhafte Worte gesagt. Ich freue mich über Alles Deinetwegen. Es kommt mir vor, als sei ich jetzt erst Deiner ganz würdig geworden. Siehst Du, meine Taube, daß Ihr besser daran seid, als wir Männer? Ihr braucht nichts, als zu lieben, und damit seid Ihr würdig zur höchsten Stufe, die eine Frau erreichen kann. Wir aber müssen Jahre lang arbeiten und ungeheuer viel lernen, ehe wir sowohl dem Staate würdig erscheinen, als auch einer Frau würdig werden. Nun, süßes Kind, vergieb, daß ich abbreche, Zwei meiner Genossen sitzen bei mir, um mich zu dem Schmause abzuholen, der bei solchen Gelegenheiten üblich ist. Ich wollte aber nicht warten, Dir die Nachricht mitzutheilen, bis ich morgen vielleicht Kopfschmerzen habe, und so mache sich denn dieses Blatt schon heute auf die Reise und bringe die herzlichsten, glühendsten Grüße meinem lieben Bräutchen.

Dein treuer Konrad.




Amalie an Konrad.
Mein theurer, theurer Freund!

Heute fühle ich recht schmerzlich, daß ich nicht bei Dir sein darf, nur um meiner Freude einen recht warmen Ausdruck geben zu können. Ach, das Schreiben drückt ja so wenig aus, was man fühlt, was man denkt, was man sagen will. Die Freudenthräne im Auge, das glückliche

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