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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Schwestern Lengefeld uns den Kreis von Vertrauten eröffnen, und wir würden nicht in Verlegenheit sein, auch für die übrigen vortrefflichen Personen die entsprechenden verwandtschaftlichen oder literargeschichtlichen Beziehungen zu finden.

Diese Bemerkung hält uns der Künstler, M. Adamo, ohne Zweifel zu Gute, da wir außerdem an dem wahrhaft Kaulbach’schen Geist seiner Composition, deren Original-Carton im Besitz des Herausgebers der Gartenlaube ist, unser herzliches Behagen gestehen. Wie reizend sind in der lebendigen Gruppe zwischen der mit ernster Kennermiene Prüfenden die Spender der „vier Elemente“ vertheilt! Wir stehen offenbar vor dem fertigen Punsch, über welchen die verschiedenen Gutachten ausgesprochen werden. Noch läßt augenscheinlich die gefüllte Terrine Manches zu wünschen, aber die Hülfe ist bei der Hand: mit des Wassers sprudelndem Schwall steht das erste der Mädchen bereit, das zweite trägt in gläserner Schale den Zucker, der die herbe brennende Kraft zähmt, und während der alte Herr der Citrone saftigen Stern so gewaltig preßt, daß darüber die Perücke auf seinem Haupte sich verschiebt, gießen die zwei Sachverständigen des Hintergrundes noch fernerweite Tropfen des Geistes hinein. Bleibt es fraglich, welchen Antheil am Vorgang der kleine Junge mit der Trompete nehmen soll, außer etwas Näscherei bei der Großmutter und der Gelegenheit für den Künstler, im Bilde alle Lebensalter vertreten zu lassen, – so erscheint uns dagegen das Mädchen, das zur Thür hereintritt, als eine höchst zweckmäßige Person. denn außer den Gläsern auf dem Teller in ihren Händen trägt sie ein sehr wichtiges Werkzeug für den Genuß des bereiteten Labsals, den Schöpflöffel, der gar stattlich ihr im Busentuche steckt.

Einen noch stockfremderen Geist, als er im Punsche haust, vermag selbst der Deutsche nicht auf seinen Familientisch zu stellen.

Thee, Zucker, Citrone, Rum – lauter Ausländer, und nur das unschuldige Wasser giebt die heimathliche Quelle dazu her. Und doch erfreut der Punsch unser Herz, wie – nun, wie die glühende Dichtung der Satuntala und die warme Weisheit der Brahmanen, und das ist auch ganz in der Ordnung so, denn mit ihnen rühmt er sich desselben Vaterlandes. Er ist ein Kind Indiens; die Gelehrten erzählen, daß die Malabaren ihn Panscha, d. i. Fünf, nennen, weil sie Wasser und Thee als zwei „Elemente“ zählen und ihn somit aus deren fünf bestehen lassen. Unser Dichter hat dieses „fünfte“ Element poetisch nicht zu verwerthen vermocht; es ergeht dem armen Thee wie dem Bier, wahre Poesie will nichts damit zu thun haben. Der Punsch schien dagegen zu vornehm für ein Lied zu sein, und es mußte ein Friedrich Schiller kommen, um es ihm würdig zu singen.

F. H.




„Der heilige Herr.“
Ein geheimnißvoller Glaubensfürst.
(Schluß.)

Noch befand sich Jakob Frank, „der heilige Herr“, in Brünn, als Maria Theresia im Jahre 1780 starb und ihr ältester Sohn, der unvergeßliche Joseph der Zweite, ihr in der Regierung folgte. Diesem hochherzigen Fürsten schwebte das Ideal der höchsten Regententugenden, sowie der Aufklärung und Freiheit für die Völker vor. Er begann in dem verrotteten österreichischen Staate mit Reformen, unter welchen sich auch das Toleranzedict vom 13. October 1781 befand. Darin waren auch die Juden begriffen. Sie sollten neben freier Religionsübung des bürgerlichen Rechtes genießen, Geschäfte und Professionen zu treiben und selbst Staatsämter zu übernehmen unter der Bedingung, daß sie auch den bürgerlichen Pflichten nachkommen würden, nämlich Militärdienste zu thun und ihre Kinder in die allgemeinen Volksschulen zu schicken.

Dieses Edict war ganz dazu geeignet, ein Sectenhaupt zur Rückkehr nach Wien einzuladen. So siedelte Frank, wenige Jahre nach Erlaß desselben und nachdem es in Kraft und Vollzug gesetzt worden war, wieder nach Wien über und lebte dort mit derselben orientalischen Pracht, mit derselben Abgeschlossenheit, mit derselben Anzahl von Leibgarden, mit denselben Besuchen von polnischen und mährischen Juden besonders aus der Jugend, mit denselben massenhaften Geldspeditionen und Almosenspenden, die das Vermögen eines Privatmannes weit überstiegen, und mit demselben mysteriösen Cultus, wie in Brünn. Man wußte sich in Wien diese Pracht nicht zu erklären und glaubte von Frank selbst Auskunft über seinen Stand und seine Herkunft verlangen zu können. Die Polizeibehörde beschritt auch in der That diesen Weg. Allein Frank erklärte: „daß er unter dem besonderen Schutz einer mächtigen nordischen Fürstin stehe,“ und verschwieg dabei alles Uebrige, was ihn selbst, seine Familie und Secte betraf. Mit der nordischen Fürstin hat er höchst wahrscheinlich die Kaiserin Katharina die Zweite von Rußland gemeint. Zu dieser Annahme ist man darum berechtigt, weil seine Tochter Eva (ursprünglich Rachel), die später in Offenbach als orientalische Schönbeit und als Wohlthäterin der Armen gewöhnlich Fräulein Frank genannt wurde, nach ihres Vaters Tod auf gerichtliches Befragen um ihre Herkunft sich den Namen Romanowna beigelegt hat. Daraus hat man folgern wollen, daß die Familie Frank in irgend einem verwandtschaftlichen Verhältniß zum russischen Regentenhaus Romanow gestanden haben müsse, und damit hat man auch die massenhaften, in Fässer gepackten Geldsendungen in Verbindung bringen wollen, da man nicht glaubte, daß sie keine andere Quelle als die Opfergaben der Secte gehabt haben könnten.

Eben so wenig weiß man, aus welchem Geschlechte Frank’s Ehegattin gewesen ist. Denn eine Ehe muß man denn doch wohl um der drei Kinder willen annehmen. Indessen scheint diese Gemahlin nicht mehr am Leben gewesen zu sein, als der Edomiterhof nach Offenbach übersiedelte. Frank fand nämlich in der Kaiserstadt Wien die gewünschte Ruhe nicht. Die Reformen Kaiser Joseph’s wurden von dem unterrichteten und gebildeten Theile der österreichischen Völker, welcher des Kaisers gute Absichten verstand, mit Freuden und Begeisterung begrüßt. Aber die niedrige Schicht der Bevölkerung, die starr an Gewohnheit und Herkommen hängt, murrte und wurde von den geistlichen Nachtfaltern aufgewiegelt, welche für ihr Ansehen und Brod stritten, wie die Kutscher und Fuhrleute gegen die Eisenbahnen gestritten haben. Selbst in den deutsch-österreichischen Landen wurde die Stimmung eine drohende, und in Ungarn und in Belgien brach eine wirkliche Empörung aus und zwang den aufgeklärten Kaiser zur Nachgiebigkeit.

Bei dieser unbehaglichen Lage der Dinge suchte sich der Edomitergott Frank ein neues Asyl und trat mit dem loyalen Fürsten Wolfgang Ernst dem Zweiten von Isenburg-Birstein in Verhandlungen. Der tolerante Fürst, welcher auch eine Vermehrung seiner Staatseinkünfte im Auge gehabt haben mag, gestattete dem merkwürdigen Mann bereitwilligst eine Ansiedlung in Offenbach und gab ihm eins von seinen Schlössern zur Miethe.

Dieses Palais bezog Frank im Jahre 1788 mit seinem zahlreichen und glänzenden Gefolge, welches wie der strahlende Schweif eines Kometen ihm nachzog. Er war damals schon ein Greis von sechsundsiebzig Jahren, aber immer noch rüstig und beweglich und legte sich den Titel Baron Frank bei.

Es ist begreiflich, daß man sich damals in Offenbach mit allerlei Gerüchten über Stand und Herkunft umtrug, ohne aber die Wahrheit zu treffen, daß er das Haupt einer Secte zur Vereinigung des Judenthums mit dem Christenthum sei. Zu diesen Gerüchten trug Franks geheime Lebensweise und der Schleier sehr viel bei, der über seiner zahlreichen Umgebung lag.

Sein Aufwand in Offenbach war eben so groß, wie in Wien und Brünn. Seine Leibgarde bestand aus siebzig Mann in der uns schon bekannten Uniform. Seine Correspondenz führte ein geheimer Secretair, der jedoch in ehrerbietiger Entfernung von dem heiligen Herrn bleiben mußte. Unter seinen Pferden befanden sich vier Schecken von der gelblichen Isabellenfarbe, mit denen er täglich ausfuhr. Außerdem bestand die Edomitergesellschaft, die theils im Schlosse unter seinen unmittelbaren Befehlen lebte, theils in der Stadt zur Miethe wohnte, aus ungefähr fünfhundert Personen, welche sämmtlich, ohne irgend ein Gewerbe zu treiben, aus dem großen Gottessäckel des heiligen Herrn unterhalten wurden. Diese Anzahl steigerte sich oft bis auf tausend Personen durch zahlreiche

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